Schmierenjournalismus

Montag, 22. August 2005

Die Sache ist schon ein wenig älter und muß jetzt raus, bevor sie schimmelt. Im Windschatten der ARD-Schleichwerbungsaffäre treiben es andere noch viel härter: Am 3. Juni dieses Jahres erschien der komplette Lokal-Kulturteil („Berlin-Berlin“) der Berliner Zeitung als nicht gekennzeichnete Werbung zum zehnjährigen Jubiläum der Arena in Berlin-Treptow.

Für diejenigen, die die Örtlichkeiten nicht kennen: Nicht weit von Alt-Stralau entfernt befindet sich in den ehemaligen BVG-Omnibus-Ausbesserungshallen die Arena, ein Veranstaltungsort für Konzerte, Theater und Ausstellungen. Betrieben wird sie von Falk Walter, einem umtriebigen Berliner Vergnügungsunternehmer, der daneben auch das Badeschiff in der Spree, die MS Hoppetosse, das Big Eden und ungefähr 500 Kneipen den Freischwimmer, den Club der Visionäre und das Café Anhalt betreibt sowie vor kurzem den Admiralspalast in der Friedrichstraße gekauft hat.

Nun gut. Er unternimmt etwas. Die Veranstaltungen sind gut besucht und die Kinder müssen nicht auf der Straße sitzen und Drogen nehmen. Die Beilage in der Berliner ist jedoch eine ziemliche Unverschämtheit ihren Lesern gegenbüber. Auf zehn Seiten wird der Arena und ihrem Macher Falk Walter gehuldigt, als ob es bezahlte Werbung wäre. Ist es aber nicht. Oder zumindest nicht als solche erkennbar.

Jede Seite ist überschrieben mit einem der zehn Gebote und einem bemühten Witz, der sich auf die Arena bezieht, also z.B.

Du sollst den Feiertag heiligen — sieben Mal in der Woche. Mindestens.

Hey, für schlechte Witze bin ich zuständig!

Darunter wird dann geschleimt, was das Zeug hält.

Der Gipfel allerdings ist ein Interview mit dem Arena-Chef, geführt von Birgit Walter, in dem die Rolle der Interviewerin darin besteht, Falk Walter Stichworte zu geben, die dieser dann aufgreifen kann, um im Rundumschlag über die Stadt Berlin, subventionierte Kultur und darüber, daß ihn niemand leiden kann, zu lamentieren:

Frage: Nach dem ersten Jahr wollte die BVG ihr Busdepot zurück. Danach machten Ihnen die Velomax-Hallen den Namen arena streitig, weil sie selbst so heißen wollten. Als Sie den Zuschlag für den Admiralspalast hatten, schlug der Finanzsenator dessen Abriß vor. Als Sie auf dem Badeschiff eine Sauna einrichten wollten, wünschte der Bezirk eine andere Architektur. Fühlen Sie sich eigentlich gewollt in dieser Stadt?

Antwort: Hm. Mittlerweile sage ich: Ja, trotzdem. Obwohl mich vieles wütend macht … Ich etabliere hier einen Kulturbetrieb mit bald 200 Mitarbeitern, 1600 Veranstaltungen jährlich, und das Land legt mir nur Steine in den Weg.

Frage: Dazu muß man ergänzen: Berlin ist im Begriff, zwölf Millionen Euro dafür zu zahlen, daß der amerikanische Milliardär Phil Anschutz hier eine Riesenhalle baut. Außerdem subventioniert das Land das Velodrom und die Max-Schmeling-Halle mit jährlich acht Millionen Euro. Ihnen als arena-Betreiber, der Steuerzahler ist und kein Subventionsempfänger, wurde dagegen nicht einmal eine Kredit-Bürgschaft für den Ausbau des Admiralspalastes gewährt.

[Hervorhebung von uns]

Lernen Journalisten so etwas wirklich auf ihren hochsubventionierten Schulen? Solche Fragen zu stellen?

Falk Walters Weinerlichkeit wirkt schon fast grotesk, wenn er Subventionen für staatliche Theater und Bauauflagen als Undankbarkeit der Stadt gegenüber dem ach so großzügigen Unternehmer, der die Stadt mit Kultur beschenkt, deutet.

Manchmal habe ich mir schon überlegt, ob ich meine Gesellschaft woanders anmelde, woanders meine Gewerbesteuer zahle. Aber das war mir dann doch zu kleingeistig. Ich will nicht werden wie die.

Er lügt aber auch ganz offen:

Wir sind erfolgreich. Wir bauen ein Badeschiff, wo andere nur sagen, das geht nicht, so was braucht Zuschüsse. Bei uns funktioniert es aber auch so. Die Stadt spart einen Haufen Geld durch uns.

Das Badeschiff war indes eines von drei Projekten im Rahmen von con_con, einem Kunstprojekt, welches im Jahre 2003 allein vom Hauptstadtkulturfonds mit einer Viertelmillion Euro gefördert wurde. Es gab außerdem noch Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes sowie vom Bezirksamt Treptow-Köpenick, während gleichzeitig die Schließung öffentlicher Schwimmbäder beschlossen wurde.

Die Leser dieses Blogs wissen, daß klassischer Zeitungsjournalismus hier hochgeschätzt wird. Diese Beilage allerdings ist ein ziemlich lesenswertes Beispiel dafür, wie verkommen Zeitungen auch sein können. Die Texte finden sich im Online-Archiv der Berliner Zeitung vom 3. Juni unter der Rubrik Berlin-Berlin.

7 Responses to “Schmierenjournalismus”

  1. […] Wir berichteten über die Berichterstattung der Berliner Zeitung über das zehnjährige Jubiläum der Arena und ihren Macher Falk Walter. Für diesen Teil der Berliner Zeitung zeichnete Abini Zöllner verantwortlich. Von ihr findet man schon zur Eröffnung des Badeschiffs 2004 einen huldigenden Artikel in der Berliner, in dem auch schon die Legende vom subventionsfreien Unternehmer gepflegt wird: Falk Walter ist – frei von Subventionen, aber voller Ideen – einer der erfolgreichsten Kulturinvestoren dieser Stadt. […]

  2. einschmunzler says:

    Na endlich mal ein guter Artikel! Trifft voll den Kern.
    Bevor am Ende doch fragwürdige Leute zu Halbgöttern ernannt werden, sollte man vielleicht […] nicht verschweigen.

    Das gute am Leben – es ist meist gerecht und die Zeit wird zeigen, was Strafe sein wird… :-)

  3. stralau says:

    Editorische Notiz: Die Auslassung in Klammern […] enthielt Details aus dem Privatleben von Falk Walter, von denen ich nicht beurteilen kann, ob sie stimmen oder nicht.

    Was Sie ansprechen, sind Fragen des Lebensstils, die keinen außerhalb des persönlichen Umfelds etwas angehen. Wenn jemand für seine Kunstwerke berühmt ist, wie z.B. Jörg Immendorf, kann es der Öffentlichkeit egal sein, ob er nebenher kokst (das soll hier nur als Beispiel fungieren).

  4. Hans Dampf says:

    Netter Artikel..

  5. […] Die Arena möchte im Treptower Park Konzerte ausrichten. Stralauer und andere Anwohner fürchten den Lärm. Andere fürchtendiplomatische Verwicklungen mit den Russen. […]

  6. […] Inwieweit die geförderten Projekte wirklich unter den Kunstbegriff fallen (der ja schwer zu umreißen ist), muß jeder selbst wissen. Nicht schön ist es aber, wenn Geförderte, wie der Betreiber des Badeschiffes, hinterher rumjammern, sie hätten nichts bekommen. […]

  7. […] Andere haben es vor mir gemacht. Der Anlaß war ein Zeitungsartikel, über den ich mich so aufgeregt habe, das mußte raus. Inzwischen finde ich, daß Aufregung oft ein schlechter Ratgeber ist. Dennoch lasse ich mich hinreißen. […]

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