Wahlchancen

Donnerstag, 8. September 2005

Aus aktuellem Anlaß: bei www.wahlrecht.de werden die Spitzfindigkeiten, Kanten und Ecken des deutschen Wahlrechts (Zählverfahren, wie Parteien durch mehr Stimmen Sitze verlieren, warum Bayern nicht als nationale Minderheit gelten, wie man das meiste für sich herausholt) detailliert erklärt. Zum Tode von Kerstin Lorenz und der damit verbundenen Verschiebung der Wahl im Wahlkreis Dresden I heißt es:

Für die Wähler im Wahlkreis Dresden I bedeutet dies einen erheblichen taktischen Vorteil, da sie zum Zeitpunkt der Wahl bereits das Ergebnis im übrigen Wahlgebiet kennen und ihr Wahlverhalten danach richten können. Die Dresdner könnten ihre Zweitstimme also beispielsweise gezielt an Parteien vergeben, die nur noch recht wenige Stimmen zum Gewinn eines zusätzlichen Sitzes oder zum Überwinden der Fünfprozenthürde benötigen. Hingegen könnten sie Parteien, deren Sitzzahl aufgrund der feststehenden Ergebnisse derart stabil ist, daß sie durch das Ergebnis im Wahlkreis wohl ohnehin nicht beeinflußt werden könnte, getrost ignorieren.

Zusätzliche Brisanz gewinnt diese Konstellation durch die hohe Wahrscheinlichkeit von Überhangmandaten für die sächsische CDU und des Phänomens eines negativen Stimmgewichts: Die aktuellen Umfragen lassen vermuten, der CDU dürften in Sachsen aufgrund des Zweitstimmenergebnisses ungefähr 12 Sitze zustehen. Abgesehen von den Wahlkreisen in Leipzig und Chemnitz kann man jedoch ziemlich sicher davon ausgehen, daß die CDU alle sächsischen Wahlkreise mit Erststimmenmehrheit gewinnen wird, also mindestens 14. Die sich abzeichnenden Überhangmandate hätten nun aber zur Folge, daß der CDU zusätzliche Zweitstimmen bei der Nachwahl in Dresden nicht nur nicht nützen, sondern sogar schaden würden. In diesem Fall läge es für die CDU nahe, die Dresdner zur Abgabe ihrer Zweitstimme an die FDP aufzufordern, wodurch die Überhangmandate für die CDU erhalten blieben und die FDP gleichzeitig eventuell einen weiteren Sitze gewinnen könnte. Umgekehrt könnte von rot-grüner Gegenseite empfohlen werden, mit der Zweitstimme CDU zu wählen, um dieser zu schaden. (Siehe auch unsere „Tips und Tricks zur Bundestagswahl 2005“.) Alles in allem droht die Nachwahl eine groteske Veranstaltung zu werden.

Leave a Reply