Wohnst du noch oder stirbst du schon — Schöner wohnen in Alt-Stralau mit der Wasserstadt GmbH

Montag, 17. Oktober 2005

Es wird wieder gebaut.

Das Land Berlin hatte nach der Wende hochfliegende Pläne, an den Ufern von Spree und Havel viele Wohnungen zu bauen. Zu diesem Zweck wurde die Wasserstadt GmbH gegründet, die ziemlich viel Geld in den Sand setzte und auf Grund des zusammenbrechenden Wohnungsmarktes umso weniger einnahm. Wie so häufig, verführen privatwirtschaftliche Konstruktionen in öffentlicher Hand zu Geldverschwendung.

Die Folge ist, daß Stralau und die Rummelsburger Bucht mit einer ziemlich protzigen, langweiligen und unpraktischen Architektur zugepflastert wurden. Die Vermietung ging sehr schleppend voran, viele Projekte (Ausbau des Palmölspeichers zu Lofts, Floating Homes) sind bis heute nicht verwirklicht. Und die Infrastruktur läßt zu wünschen übrig: einen Supermarkt gibt es bis heute nicht in Stralau und gastronomische Einrichtungen, naja, schweigen wir darüber.

Auf der anderen Seite muß man anerkennen, daß das viele öffentliche Geld zu, nun ja, vielleicht etwas überdimensionierten, aber ziemlich schicken Parks, Schuleinrichtung und Sportplätzen geführt hat.

Auf Grund des hohen Defizits (mindestens 680 Mio. € in den fünf Berliner Entwicklungsgebieten) steigt das Land noch in diesem Jahr aus. Die Wassserstadt GmbH wird aufgelöst. Das ist auch besser so, denn die weiterhin gigantischen Pläne hören sich etwas furchterregend an, sowohl für die öffentlichen Kassen als auch für die Uferlandschaft, die heute in vielen Teilen noch eine romantische Wildheit ausstrahlt, eine Wildheit, die aber in Planerhirne nicht so richtig hineinzupassen scheint. Zum Glück gibt es noch keine Investoren. Und nach der Auflösung der Wasserstadt GmbH Ende 2006 wird der Markt hoffentlich dafür sorgen, daß hier erstmal Ruhe ist.

Aber kurz vor Schluß wird noch einmal versucht, wenigstens einen Teil zu Geld zu machen: Bis heute gab es eine Ausstellung in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, in der verschiedene Grundstücke in Spandau und Alt-Stralau angeboten wurden (die Ausstellung zieht jetzt nach Spandau weiter). Die künftigen Eigentümer können zwischen verschiedenen Entwürfen wählen, das sind dann jeweils mehrstöckige Reihenhäuser zum Preis von 280 000 € bis 350 000 €. (Kann mir jemand sagen, ob das teuer oder billig ist? Ich habe keine Ahnung).

Die Grundstücke kann man auf dieser Karte sehen: Zwischen Kracht- und Bootsbauerstraße ist eine unbezeichnete Straße eingezeichnet (die gibt es momentan auch gar nicht). Bebaut wird die Ecke westlich dieser Straße und nördlich der Bahrfeldtstraße, das Grundstück, das sich östlich des Eckgrundstücks Bahrfeldtstr./Alt Stralau befindet sowie Friedrich-Junge-Str./Alt Stralau, Nordwestecke.

Die Grundstücke sind mit ca. 160 m2 vergleichsweise mickrig. Und der auf einigen Fotos in der Ausstellung zu sehende Wasserblick ist auf den zu bebauenden Grundstücken auch nicht vorhanden.

Am ärgerlichsten jedoch ist, daß fast alles, was in Stralau nach der Wende gebaut wurde so eine biedere Protzhaltung ausstrahlt. Alles ziemlich phantasielos. Und auch die jetzt vorgestellten Entwürfe unterscheiden sich kaum von dem, was schon steht. Da ist einfach zuviel sorglos ausgegebenes Geld im Spiel.

[Disclaimer: Der Autor lebt in einem Stralauer Altbau, dessen Garten an eines der Baugrundstücke grenzt und ist auch sonst heute ein wenig arrogant und misanthropisch.]

[Und, meine Damen und Herren Kulturschaffende: Es gibt großartige leerstehende Industriegebäude: z.B. das alte Glaswerk oder die Brauerei. Kann das nicht mal jemand besetzen und Kunst oder Musik drin machen? Schön ist z.B., was Unkul in der alten Teppichweberei veranstaltet.]

10 Responses to “Wohnst du noch oder stirbst du schon — Schöner wohnen in Alt-Stralau mit der Wasserstadt GmbH”

  1. johnny says:

    Man darf schonmal schlechte Laune bekommen, wenn eine vermutlich ewige Baustelle neben dem eigenen Garten ansteht und weitere pseudo-moderne Bauten zu erwarten sind, die auch meiner Meinung nach so gar nicht in die Gegend passen (obwohl: je mehr sie davon bauen, desto mehr wird die Gegend ja passend gemacht).

    Sind rund 300.000 Euro billig? Nein und ja. Zum Vergleich: ein ganz anständiges Fertighaus (meist kleiner als die hier geplanten) kann man bereits für 100.000 bis 150.000 Euro bekommen, am Stadtrand dann mit günstigem Bauland für nochmal 30.000. Mit dem doppelten Preis bezahlt man sicher neben etwas mehr Wohnfläche die zentrale Lage, denn der Grund und Boden kanns ja bei diesen Abmessungen nicht sein.

    Ich frage mich nur, wohin sich das gesamte Gebiet entwickeln soll? Für junge Familien sind mindestens 300 TEUR viel zu viel, aber Leute, denen das Geld lockerer sitzt, werden wohl kaum in solch ein Reihenhaus mit eher furchterweckendem Science-Fiction-Ambiente ziehen, oder? Man kann für das Geld auch in sozial bereits erschlosseneren Bezirken etwas Gutes finden, soviel steht fest.

  2. stralau says:

    Es ist nicht nur das phantasielose Bauen. Man hat den Eindruck, daß in den Hirnen der Planer der Wasserstadt GmbH nur ein ganz bestimmter Lebensentwurf vorhanden ist. Dabei ist im Moment noch Platz für so vieles: es gibt zwei Wagenburgen, Herr Fuchs lebt seit Jahrzehnten mit seinen beiden Hunden auf einem alten Schiff und immerhin hatten ja auch Paul und Paula ihr Schiff hier.

    Ich will, daß das bleibt.

    Die schlimmste Katastrophe ist ja die sog. „Stadtvilla“ an der Inselspitze mit 2-m-Zaun und Videoüberwachung des Spielplatzes.

  3. Don Alphonso says:

    300.000? Lachhaft teuer. Berlins Immobilienmarkt ist im freien Fall, Zwangsversteigerungen werden kaum mehr veröffentlicht. Selbst in Mitte oder besserem Westen bekommt man einen Quadratmeter für 1000 Euro, wenn man sich bei anderen gecrashten Fonds umschaut. Und es sieht nicht so aus, als ob das die nächsten drei Jahre besser werden würde.

    Das mit den Industriebauten ist sehr traurig, ich weiss.

  4. stralau says:

    Dann bin ich ja ein wenig beruhigt. Und ab nächstem Jahr ist sowieso erst mal Ruhe, wenn hier der öffentliche Geldhahn zugedreht wird.

  5. Lenbachplatz says:

    Sorry, Don Alphonso – daß ist preiswert und dazu unabhängig von der sonstigen Entwicklung des Berliner Immobilienmarktes (auch wenn mir die Reihenhäuser auf Stralau auch nicht gefallen). Schau mal rüber aufs Rummelsburger Ufer – da wird gebaut ohne Ende, einige der Dinger sehen richtig gut aus, finde ich.

    Und: Solche „Stadthäuser“ laufen bundesweit gut. Hamburg, München – und in Berlin etwa die Prenzlauer Gärten. In der Immobilienbranche wird von einem Ende der Stadtflucht ausgegangen – kann ich nachvollziehen. Die Alternative ist die LBS-Strafkolonie am Stadtrand – buäh. Und hier wohnt man ruhig in der Nähe zum Wasser, hat für die Kinderlein ein Gärtelein – und ist mit dem Fahrrad trotzdem blizuschnell im Boxhagener Kiez und mit der S-Bahn (Da hat Rummelsburg deutliche Vorteile) in der Stadt. Ist doch prima ab Mitte dreißig.

  6. […] Von den hier erwähnten dreißig mit Reihenhäusern zu bebauenden Grundstücken sind 11 verkauft worden, die Bauarbeiten sollen in diesem Jahr beginnen. Leider trifft es auch das kleine Birkenwäldchen Krachtstraße/Bahrfeldtstraße. […]

  7. […] An der Glasbläserallee werden Parkplätze und an der Ecke Fischzug/Krachtstraße ein Parkhaus gebaut. […]

  8. Transistor says:

    Endlich jemand, der über die blöde Bebauung rund um den Rummelsburger Sees schreibt. Diese Immobilien haben sogar etwas mit Bankenskandal in Berlin zu tun.

    Besonders nervt mich, dass die Eigentümer die Zugänge zur Spree sperren, so dass man jetzt nicht mehr am Fluss spazieren gehen kann. Ganz frech: die Stelle neben dem Karl Marx Denkmal.

    • stralau says:

      „Endlich“ ist gut – der Text ist eineinhalb Jahre alt.

      Die Lücken im Uferwanderweg gehen allerdings nicht auf die neue Bebauung zurück, sondern sind im Gegenteil alte Rechte. Die Wasserstadt GmbH setzt sich hier auch für einen durchgehenden Weg ein und droht im Ernstfalle mit Enteignung. Alle neuen Grundstücke gehen gar nicht erst bis zum Wasser.

  9. […] nur, daß die landeseigene Wasserstadt GmbH in der Rummelsburger Bucht viel zu viele Steuergelder in überteuerte Infrastruktur und häßliche […]

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