Warum ich (erstmal) nicht (mehr) auf Bloglesungen gehe

Dienstag, 28. Februar 2006

Zunächst: ich war nicht in Düsseldorf. Vielleicht wars ja super. Das Folgende bezieht sich auf Bloglesungen im Allgemeinen, unfair extrapoliert aus den beiden, die ich gehört habe, und ist eine Antwort auf diesen Text. Wobei ich mich gar nicht angesprochen fühlen müßte, ich bin ja kein Feind der Literatur, nicht mal von Lesungen, nur gut müssen sie sein.

Ja, ich habe mir die Artikel, auf die Don Alphonso sich bezieht angesehen, und die sind wirklich teilweise dumm, aber ich verstehe nicht, warum das gleich so einen Aufschrei verursacht. Und es stört mich. Weil es eine Haltung von “Wer nicht für uns ist, ist gegen uns” aufbaut.

beim wichsen im elfenbeinturm passiert einem nichts, da wird einem nicht der spiralblock weggenommen, da passiert einem nichts überraschendes, da wird man einfach und sicher alt und klug.

[wirres]

Das ist klug beobachtet und aufgeschrieben. Ansonsten finde ich den Streit, der da momentan stattfindet, äußerst lächerlich. Denn es geht ja wohl nicht darum, ob man Lesungen an sich gut oder schlecht findet. Klar, wer mit Lesungen nichts anfangen kann, bleibt zu hause. Für alle anderen gibt es gute und schlechte Lesungen.

Und die beiden Bloglesungen, die ich in Berlin erlebt habe, waren schlecht. Auch das wäre nicht der Rede wert, würde es nicht jedesmal diese gleichzeitig vereinnahmende und ausschließende “Wir finden uns gegenseitig so gut”-Kuschelatmosphäre geben, die im Nachhinein furchtbar empört auf Kritik reagiert.

Um die Punkte festzumachen:

Viele haben nicht gut gelesen. MC Winkel fand ich ganz gut. Parka Lewis habe ich leider noch nicht gehört.

Die meisten gelesenen Texte waren ungeeignet für Lesungen. Viele deutsche Blogtexte entstammen den Kategorien “subtile Alltagsbeobachtung” und “Gefühlsschau”. Das funktioniert in Blogs selbst recht gut, weil da der Aktualitätsbezug klar ist. Auf Lesungen fehlt dieser Rahmen aber. Und das beschwört Vergleiche mit den Meistern dieses Genres: die Sprachmächtigkeit eines Max Goldt (der i.ü. auch sehr gut lesen kann) aber selbst die scheinbar hingerotzten Lesebühnentexte von Jochen Schmidt und anderen Enthusiasten haben mehr Mitreißendes.

Diese Vergleiche würden vielleicht etwas gnädiger ausfallen, wäre mehr Bescheidenheit im Spiel: sowohl im Auftritt der Lesenden als auch in den Ankündigungen.

Alltagstexte sind leicht zu konsumieren. Das macht sie sehr geeignet für schnelles Bildschirmlesen. Auf einer Lesung ist mir das aber wie zu viele Pralinen und zu wenig Ballaststoffe. Gebt mir was zum Kauen!

Wortspiele: Bitte weniger und bessere.

Das sind meine sehr subjektiven Eindrücke. Aber damit müssen die Lesenden leben: auf die Bühne zu gehen bedeutet nicht automatisch Applaus, sondern erstmal Beurteilung durch das Publikum. Und die kann so oder so ausfallen. Deswegen macht das auch nicht jeder. Deswegen gibt es sowas wie Lampenfieber.

Dummerweise ist es im Zeitalter von Blogs jedem möglich, seine Meinung aufzuschreiben. Aber das haben wir ja immer gewollt, oder?

Um ein paar Diskussionen gleich abzukürzen: Ja, ich habe auch schon auf ein paar Bühnen gestanden. Das ist aber nicht der Punkt. Kritik ist möglich, auch wenn man nicht selbst Schaffender ist. Ich gehe auch sehr gern zu Lesungen. Nur müssen sie mir was geben.

So. Macht mich fertig.

14 Responses to “Warum ich (erstmal) nicht (mehr) auf Bloglesungen gehe”

  1. Charles says:

    So. Macht mich fertig.

    Nö, Nö.

  2. Don Alphonso says:

    Nö, wieso. Du warst dort, es war nicht gut genug für Dich, ok, prima. Es geht nicht um die Frage, ob man das mag, sondern nur darum, dem Ganzen unbesehen die Existenzberechtigung abzusprechen.

    Und es sagt ja keiner, dass Blogger so toll sind wie Goldt oder Rowohlt oder sonstwer. Es ist für die gut, die kommen, es gibt sicher noch bessere Arten, den Abend rumzubringen, aber auch viele schlechtere. Man kann es tun oder bleiben lassen, man kann applaudieren oder in der Pause gehen.

    Urteile sind ok. Vorurteile sind ein Problem, das man m. E. ansprechen sollte.

  3. Don Alphonso says:

    Weil es meines Erachtens tatsächlich für viele – wie man übrigens auch bei Bloxbox gesehen hat – um eine Art Primat der Technik geht. Oder eben die Sache mit dem mangelnden “Mehrwert”. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum so vehement gegen Lesungen und Blogtexte argumentiert wird. Ich kann da nur auf deren Texte und Herkunft verweisen, und versuchen, mir darauf einen Reim zu machen. Meines Erachtens fühlt sich eine gewisse Gruppe bedroht, daher das dauernde “Ich versteh nicht wie man sich das anschauen kann”.

    Und von den Denkverboten der Blogosphäre halte ich gar nichts. Das ist vielleicht auch der Grund, warum die Blogbar wahrgenommen wird, weil sie eben gegen eine gewisse Art von Blogkuschelei steht.

  4. olim devona says:

    Ich habe mir, schon als Don Alphonso dieses Textlein vom Stapel gehen ließ, überlegt, wie es denn wäre, einen „Neo Dada“ in Bloglesungen unterzubringen: mit eigenen Texten, für die Fraktion der Tekkies gewissermaßen (ähh tschuldigung für den Kalauer) Inspiriert wurde ich, weil in meinem Reader die Seite vonpony.exe immer ganz wild aussieht. Deswegen, auch weil sie ungewollte Urheberin dieser Idee ist, mal wild aus ihrem Quelltext kopiert:

    for (var i = 0; i < parts.length; i++) {
    var pair = parts[i].split("=");
    var key = pair[0];
    if (key) {
    key = key.replace(/\+/g, " ");
    var value = pair[1];
    if (value)
    value = value.replace(/\+/g, " ");
    this[key] = value;
    

    Ich stelle mir gerade vor, das ; + = Zeichen sind, die für jeweils eine Geste stehen, ganz besonders lustig dabei dann diese Geste hier /\

    naja, war nur so ne Idee von mir....

  5. ix says:

    fertig wirste erst gemacht, wennde sagst welche bloglesungen du schlecht fandest.

  6. Don Alphonso says:

    Im “Lass uns Freunde bleiben” habe ich damals nur die Technik gemacht. Ich kenne aber die Downloadzahlen der MP3, die danach online gestellt wurden, die liegen im mittleren dreistelligen Bereich, und was man so hört, sind die mitverantwortlich für “den grossen Schub”. Vielleicht sind manche einfach nachsichtiger in der Beurteilung, vielleicht wollen sie es auch genau so, wie es läuft – also nicht in dieser typischen Lesebühnenatmosphäre.

    Ich selbst finde auch nicht alles optimal. Danach trifft man sich ja und redet über das, was nicht funktioniert hat und was man das nächste Mal besser machen könnte. Es ist ein Lernprozess.

    • stralau says:

      Ja, klar. Sicher wirds besser. Deswegen auch das „(erstmal)“ im Titel.

      Mein Text war ja eben nicht gegen Lesungen als solche gerichtet. Daß ich die beiden Lesungen nicht gut fand, heißt ja nicht, daß es anderen nicht anders gehen könnte, und offenbar (!) haben die Lesungen ja auch Erfolg.

      Was mich gestört hatte, war der Tonfall, mit dem (zugegeben: unsachliche) Kritik behandelt wurde.

      Auch beruht mein etwas harsches Urteil sicher auf enttäuschter Erwartung. Diese Erwartung hat aber eben auch mit dem Ton zu tun:

      Das hier

      Vermutlich saß an den Lagerfeuern des Paläolithikums schon einer, der prima Geschichten erzählen konnte. Und abseits davon saß einer, dessen Faustkeile zwar ziemlich gut waren, aber nach einem Tag Feuersteinbearbeitung nichts zu sagen hatte, außer über Feuersteine.

      zeugt eben schon von ziemlichem Selbstbewußtsein.

      Ich habe Dich allerdings noch nicht lesen gehört (und vermute mal, daß Du wirklich ganz gut liest).

      Das mit dem Lernprozeß finde ich gut — es ist nur das erste Mal, daß ich sowas lese. Im allgemeinen neigt die deutsche Blogosphäre doch eher dazu, sich toll zu finden.

      Mehr Lernprozesse!

      (Und ich bin gespannt auf die nächste Lesung)

  7. Don Alphonso says:

    Irgendwann, in einem ganz schwachen Moment, wenn mich gerade eine Geliebte versetzt hat und die Nudeln zu Matsch verkocht sind, setze ich mich mal hin und schreibe was über meine allererste Lesung.

    Ein paar Probleme sind ja bekannt: Zu volle Läden (dafür kann aber der Veranstalter nichts), schlechte Luft, manche Texte bräuchten mitunter etwas Nacharbeit, weil sie zu kurz sind, um wirklich Stimmungen zu vermitteln. Andererseits hat mir persönlich im Vergleich zu den ganzen Kulturertragungspossen (zu denen ich auch Berliner Lesebühnen und ihren Open-Mic-Ausfluss zähle) das Ungeschliffene und Quirlige gut gefallen.

  8. neuro says:

    vorgelesene blogs hören sich meistens an, wie grabreden.. da kann ich mir nicht helfen, vielleicht is das wieder die sprachbarierre, ich lese auchviel lieber die bücher, statt sie zu hören.

    viele, die zu bloglesungen gehen, machen das nicht, weil sie die texte so super interessant finden, sondern um die autoren mal zu sehen, ob sie wirklich so supersexy sind wie ihre niedergeschriebene gedanken und ob da jemand wirklich gut aussehendes dabei ist, und nacher wirds geflirckt und gelästert.

  9. […] Ich habe das Video nicht gesehen (Bandbreite, you know). Aber das Aufschreien nach der Kritik am Kanzlerinnenvideo erinnert ein bißchen an die getroffenen Blogleser. […]

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