Zerstörung architektonischen Erbes in Leipzig

Freitag, 31. März 2006

Die Stadt Leipzig ist reich mit architektonischen Kostbarkeiten gesegnet. Während der Baubestand zu DDR-Zeiten dem Verfall preisgegeben war, wurde nach der Wende viel Geld in Sanierung gesteckt und so ist die Stadt inzwischen kaum wiederzuerkennen. Obwohl die nach der Wende entstandenen Neubauten größtenteils durch Einfallslosigkeit glänzen, hat man sich beim Altbaubestand richtig Mühe gegeben.

Seit einiger Zeit ist allerdings eine unheilbringende Koalition aus städtischen Entscheidungsträgern und der Wohnungsbaugesellschaft LWB dabei, diese Werke durch großflächige Abrisse zu zerstören. Hauptgrund dürfte die Stabilisierung der Mietpreise sein.

Das Stadtforum Leipzig wehrt sich gegen die Vernichtung des Bauerbes. Am Palmonntag, dem 9. April um 14.00 Uhr findet eine Demonstration vor der Wohnanlage Zerbster Straße in Leipzig-Eutritzsch statt.

Aus dem Aufruf:

Nach den zahlreichen sinn- und verantwortungslosen Abbrüchen der letzten Jahre, von denen das Henriette-Goldtschmidt-Haus, das Haus Karl-Heine-Straße 30, die Kleine Funkenburg und die Reudnitzer Wagenhalle nur die prominentesten Beispiele sind, soll der Abriß nun flächenmäßig innerhalb gewachsener Wohnquartiere weitergehen. Neuestes Opfer sollen die architektonisch hochwertigen Wohnanlagen der 1920er Jahre werden. Dazu zählt auch die Wohnanlage Zerbster Straße des Architekten Alfred Liebig von 1923; errichtet als eine der ersten großen Wohnungsanlagen des sozialen Wohnungsbaus in Leipzig. Sie steht damit am Anfang einer Entwicklung, in deren Verlauf auch die bedeutende Kroch-Siedlung und der Rundling in Lößnig entstanden. Leipzig spielte auf diesem Gebiet damals eine wichtige Vorreiterrolle mit Beispielfunktion und Wirkung für ganz Deutschland.

Wir sagen als Einwohner Leipzigs NEIN zu dieser Verantwortungslosigkeit! Wir fordern die Verantwortlichen dazu auf, endlich zu erkennen, daß Sie das bauliche Erbe unserer Stadt nur für uns und für kommende Generationen verwalten, es jedoch nicht zu ihrer Verfügung steht!

Update: Sehr ausführlich dazu Lizzy online.

4 Responses to “Zerstörung architektonischen Erbes in Leipzig”

  1. Fish says:

    Hat mit Stadtentwicklung allgemein zu tun, kam vorgestern in Stilbruch (rbb): Dresden hat seinen gesamten öffentlichen Wohnungsbestand verkauft. Eine haarsträubende Sache.

    http://www.rbb-online.de/_/stilbruch/beitrag_manuskript_jsp/key=stilbruchbeitrag_4030196.html

    • stralau says:

      Nun — ich finde die Privatisierung von Volksvermögen (Bahn, Post, Telekom) normalerweise auch sehr verwerflich.

      Bei der Dresden-Sache bin ich mir nicht so sicher — es ist doch eigentlich ganz gut, schuldenfrei zu sein und das Geld zum Beispiel für Kultur oder den Bau von Kindergärten ausgeben zu können, oder?

      Und wenn man sieht, was in Leipzig passiert: die städtische Wohnungsbaugesellschaft reißt ab und der sächsische Staat vergibt Abrißprämien — dann kann man sich schon fragen, ob es soviel besser ist, wenn der Staat die Häuser verwaltet.

  2. Fish says:

    Schuldenfrei zu sein ist – erstmal – fein. Aber die Kehrseite wird in dem rbb-Artikel u. a. am Beispiel Berlin-Dahlem gezeigt. Es geht um gewachsene Stadtstrukturen und Fondsgesellschaften haben natürlich erstmal ganz andere Interessen. Für die eventuellen Folgekosten (soziale Mischung futsch, Ghettobildung) wird später dann wieder die Stadt aufkommen. Das wird zwar ein paar Jahre dauern, aber der erste Schritt ist mit dem Verkauf getan.

    „Hier wird mit einem Federstrich verhökert, was Generationen von Menschen für ihre Stadt geschaffen haben. Und es werden für künftige Generationen alle Einwirkungsmöglichkeiten preisgegeben.“
    Christian Ude – Oberbürgermeister München und Präsident Deutscher Städtetag

    Was da in Leipzig von der Stadt und vom Land praktiziert wird, ist natürlich auch Humbug.

  3. […] Arnold Bartetzky schreibt heute anläßlich der neulich stattgefundenen Demonstration in einem ausführlichen Artikel in der FAZ (Schluß mit den Märchen, S. 37): […] längst pfeifen es die Spatzen von Leipzigs Dächern, daß die [städtische Wohnungsbaugesellschaft] LWB, um sich potentielle Konkurrenten auf dem heißumkämpften Wohnungsmarkt vom Hals zu halten, einen Großteil ihrer unsanierten Häuser ohne Rücksicht auf ihren Denkmalwert lieber planmäßig dem Verfall und schließlich der Abrißbirne überläßt, als sie zu einem marktüblichen Preis an sanierungswillige Investoren zu verkaufen. […]

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