Elterngeld: Arm zahlt für Reich

Sonnabend, 29. April 2006

Leider wird die Debatte um das Elterngeld größtenteils unter dem Gesichtspunkt des Kulturkampfes gesehen. Die einen sehen die Hausfrauenehe bedroht, wir anderen alte Feindbilder bestätigt.

Die Leidtragenden sind jedoch die ohne Lobby: Sozialhilfeempfänger, darunter viele Alleinerziehende. Denn das ganze soll ja kostenneutral funktionieren. Und so soll im Rahmen der Einführung des Elterngeldes das Erziehungsgeld gestrichen werden. Die SPD streitet nur noch darum, ob das Elterngeld im ersten Jahr mit der Sozialhilfe verrechnet werden soll. Währenddessen wird das Erziehungsgeld im zweiten Jahre ganz gestrichen.

Das Elterngeld, das für Bezieher mittlerer und hoher Einkommen einen beträchtlichen Einkommenszuwachs bedeutet, führt bei Sozialhilfeempfängern im zweiten Jahre zu einem Verlust von insgesamt 3600 €.

[Taz]

6 Responses to “Elterngeld: Arm zahlt für Reich”

  1. So ist das in letzter Zeit immer bei Reformen.
    Mit der großen Posaune von mehr sozialer Gerechtigkeit wird schamlos weiter von unten nach oben verteilt.
    Man muss hier aber auch fragen, wie das zu der Kampagne “kriegt mehr Kinder” passt. Denn die besserverdienenden bekommen eh weniger Kinder – wird spannend was passiert, wenn man sich mit geringem Einkommen keine Kinder mehr leisten kann.
    Am besten immer alles mit sonstigen Hilfen verrechnen, dann haben die Sozialhilfeempfänger nie was davon.

  2. Pete says:

    “Das Elterngeld, das für Bezieher mittlerer und hoher Einkommen einen beträchtlichen Einkommenszuwachs bedeutet” – naja – bisher war X * 0,70 (70%) noch nie ein zuwachs?!

    Ich denke beim Elterngeld geht es auch nur darum eine Kompensation für Einkommensausfälle zu realisieren. Und dafür bekomm ich jetzt eins auf die Kappe, denn wer kein Einkommen hat, bekommt auch keine Kompensation, denn er verliert auch nichts. Klingt blöd ist aber so – einfach mal drüber nachdenken.

    • stralau says:

      Wenn wir schon beim Rechnen sind: bisher bekamen alle Eltern zwei Jahre lang 300 € pro Monat Erziehungsgeld. Sind zusammen 7200 €.

      Jetzt bekommen reiche Eltern maximal 14*1800 € = 25200 €, also 18000 € mehr als vorher.

      Arme Eltern hingegen bekommen 14 * 300 € = 4200 €, das sind 3000 € weniger als vorher.

      Und dafür bekomm ich jetzt eins auf die Kappe, denn wer kein Einkommen hat, bekommt auch keine Kompensation, denn er verliert auch nichts.

      Du bekommst nichts auf die Kappe, denn Du machst ja nicht die Gesetze. Es ist ja auch schön, wenn Du davon profitierst (ich hätte nebenbei auch sehr viel davon). Aber die Lage von Sozialhilfeempfängern mit Kindern ist schon prekär genug, das muß man nicht noch verschlimmern.

      • Pete says:

        “bisher bekamen alle Eltern zwei” – nein – das ist schon mal definitiv falsch – bisher bekommt man nur erziehungsgeld wenn man zu wenig verdient hat:

        BSP: Paar 1 Knd – EK-Grenze 30.000 €/ Jahr – und jetzt kommt es VOR der Geburt – das heisst wenn beide Eltern 15.000 € verdient haben bekommen sie KEIN erziehungsgeld (oder u.U. gemindert) – obwohl ab Zeitpunkt der Geburt das Famielieneinkommen nur noch 15.000 € beträgt.
        Und der Staat treibt es noch bunter – denn bereits nach 6 Monaten (wenn viele Frauen wieder teilzeit arbeiten gehen) wird natürlich dann wieder das AKTUELL EK für das ez-geld angerechnet – natürlich bei verminderten EK-Grenzen. Ab 7. Monat beträgt die EK-Grenze satte 16.500 € – wohlgemerkt für BEIDE ELTERN zusammen – Jahreseinkommen.

        http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,did=3028.html

        Das heisst – das ARBEITENDE Eltern in der Nähe der aktuellen Einkommensgrenzen, zur Zeit SCHLECHTER gestellt sind als ALG II bzw. Sozialhilfeempfänger.

        Und von “reichen” Eltern kann man in diesem Zusammenhang nicht reden.

        “Aber die Lage von Sozialhilfeempfängern mit Kindern ist schon prekär genug, das muß man nicht noch verschlimmern”

        Ohne A gegen B auszuspielen – aber die Lage von Doppelverdiener mit ca. 20.000 € EK Jahr ist bereits prekär – denn diese haben, im Gegensatz zu Sozielhilfeempfängern, wegen Ihres “hohen” Einkommens meist keinen Anspruch auf zusätzliche Sozialleistungen wie Wohngeld etc.

  3. Pete says:

    Was ich noch ergänzen wollte:

    Es wird auch mal wieder Zeit die Republik vom Kopf auf die Füsse zu stellen – und auch mal an die mittleren Einkommensbezieher zu denken – leider läuft aber die Diskussion in diesem Staate (speziell von frankophilen Minidespoten, spitzenverdienenden Gewerkschaftlern und kinderlosen katholischen “Familien” Experten) – immer nach dem Motto ALG II vs. Einkommensmillionäre. Die Realität (speziell im Osten) ist aber eine andere.

  4. Ingo says:

    Mit großem Interesse verfolge ich die Berichterstattung in den Medien über das geplante Elterngeld ab 2007 und begrüßte die Entscheidung
    aufrichtig, als ich hörte, dass das Elterngeld nun tatsächlich kommen soll.

    Um so entsetzter war ich, als Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Stichtagregelung bekanntgab.
    Als Stichtag gilt der Geburtstermin des Kindes ab dem 01. Januar 2007!

    Eine derartige Regelung bedeutet in letzter Konsequenz, dass alle Familien, die sich Anfang nächsten Jahres bereits im Erziehungsurlaub
    befinden, vom Elterngeld komplett ausgeschlossen werden, was meiner Meinung nach eine ungeheure Ungleichbehandlung darstellt,
    die moralisch nicht vertretbar ist.

    Auch mir ist selbstverständlich klar, dass es einen Stichtag geben muss.
    Aber um soziale Gerechtigkeit walten zu lassen, sollte hier eine Übergangsregelung geschaffen werden, so dass auch Familien, die
    bereits im Erziehungsurlaub sind, zumindest anteilig ab dem 01. Januar 2007 berücksichtigt werden.

    Zur Veranschaulichung meiner Vorstellung einer Übergangsregelung hier zwei Beispiele (bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen):
    Beispiel 1: Erziehungsurlaub beginnt zum 01.07.2006: Elterngeld wird angerechnet ab 01.01.2007 = 6 Monate + 2 Partnermonate
    Beispiel 2: Erziehungsurlaub beginnt zum 01.12.2006: Elterngeld wird angerechnet ab 01.01.2007 = 11 Monate + 2 Partnermonate

    Wer mir in meiner Meinung zustimmt kann auf der Webseite des Deutschen Bundestages eine Pedition mitzeichnen (http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=158)- das dauert keine 2 Minuten, könnte aber vielen Familien in Deutschland helfen!

    Und immerhin sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen: “Heute ist ein guter Tag für Familien in Deutschland”
    und nicht: “Heute ist ein guter Tag für Familien in Deutschland, deren Kind nach dem 01. Januar 2007 geboren wurde”.

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