Zwischenland

Sonntag, 3. September 2006

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Ich kannte diesen horror vacui nicht. Ich war großgeworden in einer Stadt mit grauen Altbauten und Bombenlücken, in denen inzwischen Bäume wuchsen, mit „Altneubauten” aus den fünfziger Jahren und geradezu verschwenderischen Freiflächen zwischen Sechziger- und Siebziger-Jahre-Bauten; in einer Baustellenstadt. Der Beton des Plattenbauviertels war nicht romantisch, aber Heimat.

Wenn wir als Jugendliche herumhängen und einen Hauch Welt schnuppern wollten, fuhren wir zum Alex oder zum Lindencorso. Dort saßen wir am Springbrunnen und ließen die Beine baumeln. Wir träumten nicht von Westdeutschland, von Lübeck oder Düsseldorf. Wir träumten von New York und London und Indien. Hin und wieder auch mal von Buch- und Plattenläden in Westberlin, wenn wir die teuer auf dem Schwarzmarkt erworbene Nina-Hagen-Platte hörten. Westdeutschland war bloß das Ausland nebendran, das nicht weit genug weg war und vermutlich auch ziemlich spießig.

Aber Westberlin, das hörte sich bei Nina Hagen schon aufregender an. Und wenn wir an der Mauer entlanggingen, dachten wir, es müsse schon etwas ungeheuer Aufregendes, Verbotenes, Schillerndes dahinter sein, daß man gemeint hatte, eine solche Wand bauen zu müssen. Es war schließlich die Wand, hinter der die Rolling Stones spielten.

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Der Wahnwitz den die Planung der Neunziger Jahre über Berlin ausgeschüttet hat, wird erst jetzt, wo die Stadt mangels Geld zur Ruhe kommt, langsam sichtbar.

Stadtplanerisch ist es vielleicht ein Glück, daß das Geld jetzt weg ist. Dazu und zum verschwundenen Früher Ulrike Steglich im Scheinschlag.

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