Polizeiruf 110: Mit anderen Augen (BR)

Montag, 23. Oktober 2006

Ui. Alle Zeitungen sind vorher voll des Lobes für diese Folge. Insbesondere, daß Buddy Giovinazzo die Regie führte, wird für erwähnenswert gehalten. Einzig die Kritikerin der Süddeutschen bemängelt zu viel Gewalt am Sonntagabend.

Nun: Edgar Selge ist wie gewohnt ein außergewöhnlicher Schauspieler, der mit unglaublicher Präsenz und Präzision seine Rolle ausfüllt. Das ist immer wieder schön zu sehen, beim Münchner Polizeiruf*, bisher auf höchstem Niveau am Sonntagabend, allerdings Standard. Auch der unsichere Polizeichef ist mit Gregor Bloéb grandios besetzt. Der Profiler (Udo Kier) ist ein netter Gruß an CSI Miami und ähnliches und es ist eine hübsche Idee, Kommissar Tauber mit jemandem zu konfrontieren, der noch exzentrischer ist als er selbst.

Auch ist die Geschichte recht spannend erzählt: ein Serienmörder tötet und verstümmelt auf äußerst brutale Art und Weise Frauen, die eine körperlichen Makel haben. Der unter Druck stehende Polizeichef bringt seinen Freund, den Profiler Zermahlen ins Spiel. So versuchen denn Tauber, seine Kollegin Obermaier (Michaela Mai) und Zermahlen jeder auf seine Weise, vor der nächsten Tat den Mörder zu finden. Der Profiler macht viel Hokuspokus, die Opfer kommen aus Taubers Umgebung und am Ende wars dann jemand, der schon mal aufgefallen war.

Aber das Drehbuch (Christian Limmer) läßt uns mit seiner Lückenhaftigkeit doch etwas ratlos zurück: Tauber, der die esoterisch-intransparenten Methoden von Zermahlen stark anzweifelt („Ich glaube nur, was ich sehe“) wird plötzlich zum Freund. Zwei Männer müssen nur mal einen zusammen trinken, oder was ist die Aussage? Auch über die Motive des Mörders erfahren wir nichts, er wird am Ende einfach erschossen.

Mit „Er sollte tot“, „Die Prüfung“ oder „Die Maß ist voll“ gab es schon wesentlich bessere Folgen aus München.

[Erstsendung: 22. Oktober 2006]

*Da das schon manchmal etwas verwirrt: Aus München gibt es sowohl den Polizeiruf mit den Kommissaren Tauber (Edgar Selge) und Michaela Mai (Jo Obermaier) als auch einen Tatort mit Ivo Batic (Miroslav Nemec), Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Carlo Menzinger (Michael Fitz). Die beiden Sendungen haben nichts miteinander zu tun.

6 Responses to “Polizeiruf 110: Mit anderen Augen (BR)”

  1. ozean says:

    Ich habe ja einen Abschnitt in diesem Tatort sehr genossen, während dem ich mich gefragt habe, ob nicht vielleicht doch der Tauber der Mörder sein könnte. Fand ich gruselig. Und ich fand’s auch gut, dass da nicht zu sehr drauf rumgeritten wurde. Nur so ein verunsicherndes Moment. Von dem ich mich frage, ob andere es eigentlich auch so erfahren haben… (Gute Güte, da bin ich aber wahrscheinlich nicht ganz ungeschoren durch die Grammatik geholpert.)

    • stralau says:

      Nee, ist mir nicht aufgefallen. Ich habs aber aufgenommen, an welcher Stelle denn?

      • ozean says:

        Nachdem Taubers Affäre (in ihrem wunderbaren alten Toyota) getötet wurde. Danach wird dann auch mehrfach betont, dass der Mörder sich auf Leute mit körperlichen Gebrechen konzentriert. Taubers nächtliche Affäre tot. Im Parkhaus, in das beide vorher eingefahren sind, ohne das der weitere Verlauf gezeigt worden wäre… Der Mörder hat Probleme mit körperlichen Defekten… Tauber guckt noch grimmiger als sonst… Der alte Schizo!?! ;)
        Nun ja. Wie gesagt, war nur ein flüchtiger Eindruck.

  2. Ihr kennt sie wahrscheinlich sowieso schon, aber wenn doch nicht, dann hier der Hinweis auf eine sehr liebevoll gemachte website mit Forum über die Serie Polizeiruf 110:
    http://www.polizeiruf110-lexikon.de/

  3. Sven K. says:

    Wenn man den Schwerpunkt der Geschichte nicht in der Aufklärung der Mordserie und Enthüllung der Tätermotive, sondern in der Erzählung und Auflösung des Traumas von Zermahlen sucht, dann (und nur dann) macht das Drehbuch Sinn und Udo Kier einen wunderbaren Job. Aber auch so, da pflichte ich Dir bei, wirkt das Ende etwas hingehuddelt. Auch für den Abschied von Zermahlen ins Jenseits hätte man sich ein paar Zeilen und Minuten mehr nehmen können.

  4. […] im Unterschied zur letzten Folge stimmte dieses Mal auch die Geschichte (Buch und Regie: Klaus Krämer): Eine Prostituierte wird tot […]

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