Die Abtei

Freitag, 2. Februar 2007

Leser Thomas (klingt doch hübsch, oder? Hat sowas von Lokalzeitung. Mache ich vielleicht öfter. (Das mit den Einschüben aber lieber nicht)), Leser Thomas also hat mir eine Postkarte geschickt:

Treptow, Abteiinsel, auch Insel der Jugend genannt
Die Abteiinsel, links die Stralauer Inselspitze. Klicken macht groß.

Zu sehen ist das Restaurant „Abtei“ auf der Abteiinsel in Treptow (ältere Namen: Rohrinsel, Neu-Spreeland). Das erste Lokal an dieser Stelle wurde 1897 im Ruinenstil gebaut (es befand sich also vorher keine Abtei auf der Insel) bis es 1914 abbrannte. Allerdings entstand die Brücke (Reiseführersuperlativ: erste freitragende Stahlbetonbrücke Deutschlands) erst 1915/16. Insofern sehen wir hier wohl einen Nachfolgebau. Auf dem Treptower Festland gegenüber steht heute noch das Gasthaus Zenner, nach seinem ersten Pächter benannt, 1889 von Langhans an Stelle des alten Vorwerks Treptow gebaut, 1954 aus Ruinen wiedererrichtet. Am Treptower Ufer fanden sich vor dem Kriege weit über 100 Gaststätten. Zu Treptow und seinen Gaststätten steht mehr bei Fontane, bei Dominik sowie auf den schön gemachten Seiten des Bezirksamtes.

Nach dem zweiten Weltkrieg war auf der Insel ein Waisenhaus. Der Autor Klaus Kordon beschreibt es in Krokodil im Nacken, in dem auch die Kindheit als Sohn einer Gastwirtin im Nachkriegs-Prenzlauer-Berg, seine Ausbildung in den Omnibuswerkstätten am Flutgraben direkt an der Grenze (heute Kunstfabrik), sein Fluchtversuch in den Siebzigern über Bulgarien und ein Jahr im Stasi-Gefängnis eindrucksvoll geschildert werden. Packende Berlin-Geschichte. Einen kürzeren Text gibt es hier (PDF, 2,7 MB).

Später wurde sie Insel der Jugend genannt, mit legendären Konzerten, Partys und Freilichtkino, aber das ist auch den Jüngeren noch erinnerlich.

Zurück zum Bild (liest noch jemand mit?): Links die Inselspitze von Alt-Stralau, daneben der Kratzbruch. Nicht zu sehen ist die links vom Kratzbruch (aus Sicht des Betrachters hinter Stralau) liegende Liebesinsel die einst doppelt so groß war wie heute und auch beliebtes Ausflugsziel. Beide Inseln stehen heute unter Naturschutz und dürfen nicht betreten werden. Beim Vorbeifahren mit dem Boot kann man auf dem Kratzbruch eine große Reiherkolonie beobachten.

Leser Thomas (ja, ich hör gleich auf) hat mir übrigens nicht nur die Postkarte geschickt, sondern auch noch diesen Link, hinter dem man weitere Postkarten aus Treptow findet.

7 Responses to “Die Abtei”

  1. Felix says:

    1809/19 malte Caspar David Friedrich die “Abtei im Eichwald”. Ob sie oder das Gemälde namensgebend für die Insel bzw. das Lokal waren? Die Ähnlichkeit zwischen dem Ruinenlokal und der Eichwald-Ruine ist ja schon frappierend.

  2. Jens says:

    ich habe auf der insel verdammt viele geile konzerte & partys in den neunzigern erlebt. die insel war nach der wende ein juwel in berlin. u.a. haben dort seeed und auch tocotrnic ihr jeweils erstes konzert überhaupt gegeben.

    wenn ich noch an ein paar legendäre partyreihen erinnern dürfte:

    – steppaz convention (drum n bass),
    – dark friday (gothic),
    – 3 götter party (indiepop/rock/alternative),
    – blue bubble club (elektronik),
    – fusionsbeschleuniger (insel e.v., alleins e.v., audio e.v.).

    ich erinnere mich gern an die e-gruppe, die damals wunderbare deko in dem laden gemacht haben.

    ich erinnere mich an unzählige partys, die ich dort als dj erleben durfte – große flopps und große topps!

    ach ja – das war toll – damals …

    im übrigen habe ich dort auch “the marvellers” für mich entdeckt. heute kennt man die band vielleicht nicht mehr – nur noch der sänger “toni mahoni” dürfte den berlinern ein begriff sein. ;-)

    stralau – dein artikel hat mich in alten erinnerungen schwelgen lassen – danke ;-)

    gruß jens von drüben aus dem f-hain

  3. Rummelsburger says:

    Ehemals hundert Gaststätten und jetzt ein BurgerKing.

    Und auf der anderen Seite von Stralau tut sich was. Unter http://www.berlincampus.com sieht man, was aus dem alten Knast werden soll. Bin ja mal gespannt, was und wie das dann tatsächlich wird. “Alte Bilder” der Anlage unter dem Klick “Historisches”. Gruß nach drüben.

    • stralau says:

      Na die Webseite ist ja putzig. Es gibt zwar zwei historische Ansichten, aber daß das mal der Rummelsburger Knast war, wird völlig verschwiegen. Stattdessen heißt es:

      Das letzte “Filetstück” der Wasserstadt: BerlinCampus als einzigartiges Baudenkmal repräsentiert traditionelle preußische Backsteinarchitektur, erbaut in den Jahren 1877-1879 von Baumeister Hermann Blankenstein. In Verbindung mit der Gestaltung des öffentlichen Raums durch die Stadt Berlin wird ein Gesamtkunstwerk aus lachsrosa Backstein, blauem Wasser und Berliner Luft wieder erstehen – natürlich mit höchstem Wohnkomfort. Ihr Haus am Wasser.

  4. sunny says:

    schöner artikel!

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