Die Mauer muß weg!

Mittwoch, 18. April 2007
Mauer

Der normale Weg zur Arbeit führt mich auf dem Fahrrad zunächst am Seeufer entlang und dann durch Boxhagen. Habe ich jedoch zu lange geschlafen (also jeden zweiten Tag) und muß es schnell gehen, brettere ich einfach die Stralauer Allee/Mühlenstraße runter. Letztere ist eine anstrengende breite Ausfallstraße, auf deren nördlicher Seite O2 auf dem ehemaligen Bahngelände ein riesiges … äh … Dings baut. Auf der Südseite würde man die Spree und Kreuzberg sehen – wenn da nicht die Mauer stünde.

Die Mauer? Ja, die Mauer. An der Mühlenstraße steht mit der East Side Gallery der größte erhaltene Mauerrest. Und die Touristen fahren wie blöde in diese gottverlassene Gegend und fotografieren.

Eigentlich gehört dieses Stück allerdings zur Hinterlandmauer und natürlich war diese auf DDR-Seite nicht bemalt, aber solche Details interessieren heute nicht mehr. In der fröhlichen Nachwendezeit haben Künstler dieses Stück mit größtenteils kitschigen Werken verziert, die inzwischen einigermaßen angenagt aussehen.

Dieses Stück Mauer, das (als „längste dauerhafte Open-Air-Galerie der Welt“) in jedem Reiseführer steht, verleiht der Mühlenstraße allerdings ein wahrhaft trostloses Dasein.

Lücke

An einer Stelle gibt es inzwischen eine Lücke, an der man sehen kann, wie schön der Blick nach drüben sein könnte:

Kreuzberg

In dieser Lücke entsteht ein Park als Ausgleichsmaßnahme für die am Ostkreuz gefällten Bäume.

Breschnew-Honecker

Auch wenn die Eastside Gallery unter Denkmalschutz steht: die Stadt wäre schöner ohne sie. Alte Grenzanlagen ankucken kann man z.B. auch im Dokumentationszentrum Bernauer Straße oder im Wachturm im Schlesischen Busch.

[Die Readers Edition unterstellt mir eigenwillige Themenwahl. Recht hamse!]

20 Responses to “Die Mauer muß weg!”

  1. sunny says:

    anstrendend=anstrengend? oder angrenzend? oder anstehend?

  2. mediaspree says:

    Wer sich die Ecke selbst mal anschauen will, hier eine Gelegenheit:
    Am SO, 22.4., ab 15.00 Uhr Oberbaumbrücke: Kiezspaziergang.
    Macht mit beim informativen und demonstrativen Kiezspaziergang gegen die sinnlosen Bauprojekte am Spreeufer in Kreuzberg, Friedrichshain und Mitte, gegen die geplante neue Autobrücke und die sogenannte “O2-Arena”, gegen Nike und die Vertreibung alternativer Projekte, gegen die “Aufwertung” genannte hässliche Stadtumstrukturierung. Treffpunkt ist an der Oberbaumbrücke (Kreuzberger Seite). “Media-Spree versenken!”.
    Bei den geplanten Sachen kann einem ganz schön schlecht werden… Siehe: http://www.mediaspree.de/

  3. airpark says:

    “eigenwillige Themenwahl” kann man doch schon als Auszeichnung betrachten, oder? :-)

  4. Ralf G. says:

    Ich muss zugeben, ich war letzte Woche als Touri dort und habe sie fotografiert, bevor sie verschwindet. Wie blöde halt, wir Touris! ;-)

    Aber, von wegen Schandfleck: Diese Straße ist doch eher ein hoffnungsloser Fall, und die Erfahrung aus anderen Städten zeigt eigentlich, dass Kommerzarenen in den seltensten Fällen für Verschönerung sorgen. So betrachtet könnte man die Mauer genauso gut stehen lassen.

  5. Krille says:

    Auf die andere Spreeseite gucken kann man jetzt. Dafür verdeckt das unsäglich deplatzierte O2-Bildschirm-am-Stil-Monster den Blick in den Himmel. Wer erlaubt solche Dinger?

  6. Alex says:

    Anderer Vorschlag: Nen ordentlichen Radweg zwischen Fluss und Mauer bauen, dann kann man da in aller Ruhe radeln und nach Kreuzberg gaffen.

  7. creezy says:

    Nee, dat Dingens bleibt da. Die ist nicht schön, aber die Zeit, die sie symbolisiert war auch nicht schön.

    • stralau says:

      Naja — die East Side Gallery symbolisiert für mich vor allem die Zeit direkt nach dem Mauerfall. Vorher war sie so grau wie der Rest der Ostberliner Hinterlandmauer. Und von Westberlin aus hat man dieses Stück wohl kaum wahrgenommen. Der Grund, daß sie erhalten werden soll, ist wohl eher die Bemalung. Und die finde ich jetzt, nachdem die Nachwendeeuphorie lange vorbei ist, ziemlich zweifelhaft.

      Davon abgesehen trifft Dein Kommentar ja einen interessanten Punkt: vor 3 Jahren kam von verschiedenen Seiten Kritik auf, daß in Berlin zu wenig Mauer erhalten geblieben sei. Ich finde aber, daß die Stadt erheblich weniger Lebensqualität hätte, wenn noch mehr Mauer stünde. Manchmal geht Geschichte einfach über konservatorische Bemühungen hinweg.

      An dieser Stelle wiederum machen sich die Folgen der Teilung ja durchaus noch bemerkbar: nach Kreuzberg gibt es von Friedrichshain aus fast keine Verbindung — und die Menschen im Doppelbezirk könnten unterschiedlicher nicht sein. Da will ich Kreuzberg wenigstens sehen können.

  8. Andi says:

    Mach dir keine falschen Hoffnungen – wenn Anschütz, O2 & Co. es schaffen, ihre ganzen Hochhäuser (die keiner braucht) ans Spreeufer zu stellen (u.a. die 3 sg. “Columbiabauten” auf dem heutigen “Yaam”-Gelände), ist dir der Blick nach Kreuzberg schon wieder verbaut.
    Berlin ist mal wieder im Größenwahn.

  9. N. Stawrogin says:

    Also, daß man ohne diesen Mauerrest da bis nach Würzburg oder Ingolstadt (oder was soll das da sein auf dem dritten Bild von oben?) gucken könnte, war mir bisher nicht bekannt.
    Aber im Ernst: wenn einem eine so schöne Mauer wie auf Bild 1 und 4 den Blick auf etwas wie 3 erspart, dann immer her damit.
    (“Schönheit” ist offenbar relativ.)

  10. […] Die Mauer muß weg, siehe hier! Dieser Beitrag befindet sich in den Kategorien Aussenpolitik. Mit dem RSS 2.0 feed kannst Du den Beitrag und seine Kommentare weiterverfolgen. Einen Kommentar hinterlassen, oder trackback von deiner eigenen Seite. auf Beitrag antworten […]

  11. […] Kommentaren nach zu urteilen scheint es ja noch viel Interesse an den Resten der Mauer zu geben. Nun denn. […]

  12. […] Konzept. Hier könnte aufgelockerte Bürobebauung sogar wesentlich integrativer sein als diese häßliche Hinterlandmauer mit der unsägliche Nachwende-Kitschbemalung. Die fehlende Struktur ist hier eine […]

  13. Cartoon says:

    Ich habe mir das Stück Mauer vor einem Jahr ebenfalls angesehen und empfand das natürlich als Klasse. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass es nervt, immer die Touris bei sich im Ort stehen zu haben. Aber bringen wir nicht auch Geld mit? bzw. lassen welches dort?

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