Fahrt nach Sacrow

Freitag, 27. Juli 2007

So, Freunde: Rohkunstbau mal wieder. In diesem Jahr der zweite Teil der im vorigen Jahr begonnen Trikolore: „Weiß — Gleichheit“. Auch wenn man bei manchen Arbeiten nicht so richtig weiß, wie sie zu diesem Thema passen sollen, ist doch viel Spannendes dabei: Ayşe Erkmen mit einem organischen weißen Vorhang vor dem Parkblick, der sich bei näherem Hinsehen als aus vorgefertigten Plasteteilen herausstellt, Thomas Rentmeister gibt einem Wäschestapel mit Zuckerstücken und Tic-Tac die Anmutung einer strukturierten Wand und Julian Rosefeldt zeigt eine Videoinstallation, die beeindruckend auf die Umgebung und deren Geschichte bezugnimmt.

Die Begleittexte allerdings sind manchmal banal und zu interpretierend: ob einer Arbeit etwas „verstörend Steriles anhaftet“, würde ich lieber selbst herausfinden.

Die Hauptausstellung ist in diesem Jahr im Schloß Sacrow (Veranstaltungen finden auch in Groß-Leuthen und Warschau statt). Sacrow ist ein kleines Dorf, zur Kommune Potsdam gehörend und an der Grenze zu West-Berlin liegend. Und so fährt man, von Spandau kommend, ein ganzes Stück auf dem ehemaligen Kolonnenweg entlang. Das Schloß, 1773 erbaut, wurde zu DDR-Zeiten von Grenzsoldaten und später vom Zoll genutzt, im von Lenné errichteten Schloßgarten wurden Hunde trainiert. Inzwischen ist der Garten wiederhergerichtet, der Mauerweg verläuft durch den Park, allerdings verbietet die Parkordnung hier das Radfahren.

An dieser Stätte errichteten 1897 Prof. Adolf Slaby und Graf von Arco die erste deutsche Antennenanlage für drahtlosen Verkehr
Jesus da funk. Heilandskirche Sacrow, Campanile. Klicken macht groß.

Ein wundervolles Kleinod ist die Heilandskirche am Seeufer des Schloßparkes, 1844 von Persius im Wasser in italienischem Stil mit Campanile errichtet. Von letzterem wurden 1897 die ersten Funkversuche in Deutschland unternommen. Die Kirche stand im Niemandsland (d.h., sie stand zwischen Mauer und Wasser), dennoch fanden bis Weihnachten 1961 hier Gottesdienste statt. Danach wurde die Inneneinrichtung von Grenzsoldaten zerstört. Da sie von West-Berlin aus sichtbar war, fiel der schlechte Zustand auf und West-Berliner um den damaligen Bürgermeister R. v. Weizsäcker und den Tagesspiegel sammelten Geld für die Restaurierung. Dieses konnte unter komplizierten Umständen auch zweckgebunden an die DDR-Kirche gespendet werden und die Kirche wurde 1984 restauriert. Bei der Sacrower Gemeinde jedoch, die die Kirche nicht nutzen konnte, stieß diese Sammlung nicht unbedingt auf Verständnis.

Seit 1990 gehört die gesamte Anlage als Teil der Potsdamer Havellandschaft zum UNESCO-Weltkulturerbe, was jedoch nicht dazu führt, daß Geld für die Restaurierung des Schlosses vorhanden wäre. Für Rohkunstbau jedoch, das ja immer in charmant-verfallenen Schlössern stattfindet, ist das gerade richtig. Wer auf dem Rückweg noch Zeit hat und über Potsdam fahren will, kann der Maison du Chocolat einen Besuch abstatten.

Service

Nicht so sinnvoll: daß diese Angaben tlw. nur im Begleitheft, das auf der Ausstellung erhältlich ist, stehen, nicht auf der Webseite.

Die Ausstellung im Schloß Sacrow läuft noch bis 26. August und ist geöffnet Sonnabend und Sonntag 10–20 Uhr. Veranstaltungen in Groß-Leuthen 19. August bis 1. September.

Anfahrt:mit dem Auto über Potsdam oder Spandau oder mit dem Bus 697 oder mit dem Wassertaxi ab Potsdamer Hafen oder Glienicker Brücke

Zu den Festivalveranstaltungen in Sacrow und Groß-Leuthen fahren Shuttle-Busse vom Schloßplatz in Berlin. Reservierung erforderlich

Maison du Chocolat: Benkertstraße 20 im Holländischen Viertel in Potsdam

One Response to “Fahrt nach Sacrow”

  1. sunny says:

    soll ja schön gewesen sein, letztes jahr, hab ich mir sagen lassen.

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