Große und kleine Katastrophen

Sonnabend, 25. August 2007

Lange nicht mehr in Stralau gewesen?

Hier kommt das Update. Ein kleiner illustrierter Rundgang nach dem Klick.

Die große Katastrophe zuerst: Das Nordufer bricht. Müssen wir alle sterben?

Das Ufer bricht
Wir müssen alle sterben: Das Ufer am Rummelsburger See bricht. Klicken macht groß.

Der Flaschenturm der Engelhardt-Brauerei steht noch so verwildert da wie eh und je, ist allerdings seit kurzem verkauft an den Betreiber des Estrel-Hotels. Dieser plant hier wie auch im Goldenen Haus (d.i. der große Plattenbau an der Straße Alt-Stralau) Eigentumswohnungen. Auch das momentan wunderschön verwilderte Gelände rund um den Flaschenturm will er bebauen lassen. Es würde mich wundern, wenn das nicht genauso langweilig wird wie die anderen Neubauten hier.

Der Flaschenturm
Der Flaschenturm. Klicken macht groß.

An der Ecke Alt-Stralau/Fischzug, dort, wo einst ein öffentliches Parkhaus entstehen sollte, ist jetzt ein fünfstöckiges Wohn- und Parkhaus geplant, die Parkplätze in den unteren Geschossen werden dann vermutlich dem benachbarten Hausbesitzer angeboten.

Hier sieht man mal, wie typische Stralauer Neubauten aussehen: Neubauten am Fischzug, gebaut vom Petruswerk:

Neubauten des Petruswerks
Hier lebt die Parallelgesellschaft. Klicken macht groß.

Entlang des Fischzuges und der Bahrfeldtstraße sind viele weitere Neubauten geplant, die in diesem und im nächsten Jahr gebaut werden. Auch die spreeseitigen Grundstücke an der Straße Alt-Stralau, auf denen im vorigen Jahr noch die Wagenburg und die Strandbar waren, werden zugebaut: ab April 2008 entstehen hier 103 Wohnungen.

Kontrast
Krasser Kontrast: Einfallslose Neubauten neben schönem Altbau in der Bahrfeldtstraße. Klicken macht groß.

Auch für die schwimmenden Häuser am Seeufer gibt es jetzt leider einen bewilligten Entwurf. Die Architekten Beyer + Schubert bauen bis September 2009.

Die neuen Nachbarn zeichnen sich durch eine gesunde Paranoia aus:

suspicious
Suspicious.

Im Park an der Inselspitze stehen sogar Häuser mit Wohnungen für Menschen mit erhöhtem Sicherheitsbedarf. Daher der hohe Zaun und die Kameras. Diese Kamera jedoch filmt den Spielplatz, der nur den Hausbewohnern zugänglich ist:

Paranoia
Paranoia. Klicken macht groß.
Plänterwald
Das Riesenrad im Plänterwald. Klicken macht groß.

Der Plänterwald war ein DDR-Vergnügungspark, der nach der Wende vom Rummelplatzbetreiber Norbert Witte übernommen wurde, der sich vor seinen Gläubigern mit drei Karussells nach Südamerika absetzte. Inzwischen sitzt er in Moabit ein, weil bei seiner Rückkehr die Rohre der Fahrgeschäfte mit Kokain gefüllt waren. Seit den Neunziger Jahren wird die Achterbahn von einem wilden Gestrüpp umrankt, in dem auch noch riesige Saurierfiguren und Schwangondeln stehen. Das Riesenrad ist eine auch von Stralau aus sichtbare Landmarke.

Auf der andern Seite produziert das Kraftwerk Klingenberg weiter Wolken:

Kraftwerk Klingenberg
Kraftwerk Klingenberg. Klicken macht groß.

Allerdings schlagen die Wogen hoch: Vattenfall will hier ein riesiges neues Kohlekraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung bauen. Wer Zeit hat, sollte jetzt nochmal hinfahren — die expressionistische dunkle hohe Klinkerfassade in der Köpenicker Chaussee ist wirklich atemberaubend schön.

Apfelpark
Apfelpark. Klicken macht groß.

Nicht alle Parks in Stralau sind so abstoßend wie die vom Büro Hutter + Reimann gestalteten. Ein schöner Traum ist die Apfelbaumwiese mit dem weißen Haus im Hintergrunde, auf der man noch (bis die schwimmenden Häuser kommen) nach dem Baden liegen kann.

Apfelbäume auch in den riesigen alten Gärten an der Tunnelstraße:

Apfelgarten
Apfelgarten. Klicken macht groß.

Man kann diese Gärten jetzt gut von hinten sehen, weil die letzte noch vorhandene von ehemals vielen Stralauer Werften einem Kompromiß zugestimmt hat: der Uferweg ist jetzt auf dem Gelände der Hansa-Werft geöffnet, dafür bekamen sie die Baugenehmigung für ein Haus, das vor allem gelb ist:

Reederei
Gelbes Haus.

Aber auch auf der Spreeseite steht einem durchgehenden Uferweg nicht mehr viel entgegen: Walter Kracht ist inzwischen enteignet, beim Grundstück von Michael Stalherm läuft die Widerspruchsfrist gegen die Enteignung noch.

Auf der Vorderseite des Gartens wird gerade die Villa restauriert, die eigentlich so voller Schwamm war, daß ich eher Abriß erwartet hätte.

Tunnelstraße
Tunnelstraße

Davor das Haus, in dem lange Zeit der letzte Stralauer Handwerksbetrieb vor sich hinkümmerte: Teppichketteln. Wird jetzt auch restauriert. Die Grünfläche auf dem Bild ist der verschlossene Eingang zum alten Stralauer Straßenbahntunnel.

Und mehr ist hier in den letzten Wochen nicht passiert. Der schiefe Kirchturm steht noch.

Stralauer Kirche
Die Stralauer Kirche. Klicken macht groß.

Auch auf dem Friedhof herrscht Ruhe.

Schöner sterben am Wasser
Stralauer Friedhof. Klicken macht groß.

Allerdings hat das Grünflächenamt Friedrichshain-Kreuzberg bei all den historisierenden neuen Flurnamen durchgehend Probleme mit der Zusammenschreibung:

Deppenleerzeichen
Deppenleerzeichen

13 Responses to “Große und kleine Katastrophen”

  1. N. Stawrogin says:

    Jetzt sag bloß, Du kennst Bartholomäus Ufer nicht, wo sich Herr Ufer doch so um Stralau verdient gemacht hat, wie man auf Deinen Fotos sieht.
    Die Neubauten der Parallelgesellschaft sind wirklich Spitze. Da kommt nicht mal Schwäbisch Sibirien mit. Allenfalls vielleicht noch Guantánamo.

  2. Thomas says:

    Was heißt Parallelgesellschaft? Beziehst Du Dich auf geschmackliche Unterschiede oder geht es ums Geld? Falls es das Letztere ist: Dort wohnen m.W. Leute, die immer hart gearbeitet haben, z.T. in verantwortungsvollen Positionen. Wohl alle aus Westdeutschland, was vermuten lässt, dass auch Eltern im Spiel waren, die die Früchte ihrer in der damaligen BRD geleisteten Arbeit ihren Kindern zugute kommen ließen. Ist es das, was Du kritisierst? Dass man nach der Wiedervereinigung den Westdeutschen nicht mehr Geld abgenommen hat (Umverteilung)? Oder das man sie nun überhaupt im Osten Immobilien erwerben lässt? Oder das menschliche Arbeit ungleich bezahlt wird?

    • stralau says:

      Was Herr Stawrogin meint, kann ich nicht sagen. Bei mir ist das ja die Bildunterschrift und ich bezog mich zunächst auf die parallelen Zäune (Wortspiel!).

      Aber davon ausgehend natürlich auf mehr: keine Kritik an den Leuten, die dort wohnen, nicht an ihrem verdienten Geld, auch nicht an Westdeutschen im allgemeinen, wohl aber am Begriff Parallelgesellschaft, der ja gern pejorativ gegenüber ärmeren Bevölkerungsgruppen verwendet wird. Ich werte ihn hier um (scheiße, ist das anstrengend, sowas zu erklären), um mein Mißfallen über diese Verwendung auszudrücken.

      Und natürlich ist Stralau (ähnlich wie inzwischen einige Gegenden in Prenzlauer Berg) allerdings eine Insel der Seligen, auf der die sozialen Probleme, die anderswo im Bezirk völlig normal sind, schlicht und einfach überhaupt nicht vorkommen. Insofern würde das Wort (wenn es wertneutral wäre — was es, wie wir sehen, nicht ist) durchaus passen.

      Davon abgesehen ist schwerverdientes Geld keine Entschuldigung für gesichtsloses Bauen ;)

  3. Lenbachplatz says:

    Die Reihenhäuser – ich verzichte hier mal auf den neudeutschen Quasieuphemismus „Townhouse“ – auf der Halbinsel Stralau sind in der Tat eine Enttäuschung. Sowohl das abgebildete Petruswerk-Projekt mit seinem Kaninchengehegen als auch die im Raum Bahrfeldstraße gebauten – gesichtslos, eng, nichtssagende Putzbauten.

    Die Rummelsburger Bucht auf der anderen Seite gefällt mir deutlich besser: Daß das Gefängnis genutzt wird und nicht weiter verfällt, finde ich gut. Und die Reihenhäuser hier finde ich auch nicht schlecht, zumindest die, die um den großen Platz (alte Bäume statt neuer Gestaltung – puh) stehen sind ganz schön. Weltarchitektur darf man da halt nicht erwarten.

    Soll das Kraftwerk nach dem Umbau (…) eigentlich ganz verschwinden? Die alten Gebäude sind toll – es ist aber wahrscheinlich schwierig, hierfür eine Folgenutzung aufzutun.

    Aber gut – ich will verstummen. Weder die angesprochenen Reihenhäuser noch Klingenbergs Schlote stehen auf Friedrichshainer Terrain, sondern im schnöden Lichtenberg. Und das ist nicht des Bloggers Thema, oder?

  4. Christian says:

    Wollte mal meinen Senf zu den Petruswerk-Bauten abgeben:

    “Die neuen Nachbarn zeichnen sich durch eine gesunde Paranoia aus” Sooo neu sind die ja nun auch nicht – der erste Block ist inzwischen auch schon 3 Jahre auf der Insel. Und von einem Schild auf die Bewohner der Straße zu schließen finde ich auch recht eigenartig.

    Und die so genannten Kaninchengehege sehen halt so aus, weil noch niemand in den Häusern wohnt, die Häuser werden durch Neubezug zwar nicht schöner (so schlimm wie immer dargestellt finde ich das persönlich gar nicht – bin allerdings auch ein Bewohner und dementsprechend voreingenommen) , aber die Gärten werden sicherlich noch bepflanzt.

    Ich finde es aber trotzdem immer interessant die Gespräche der Passanten zu hören. Da kommen Kommentare von “hier würde ich nicht mal umsonst wohnen” bis wunderschön. Schönheit liegt eben immer im Auge des Betrachters. Ich würde das Ganze nicht als architektonische Meisterleistung betrachten, bin aber dennoch sehr zufrieden damit.

    • stralau says:

      Ja klar ist das alles nur meine bescheidene Meinung, so subjektiv wie alles in diesem Blog. Ist eben keine Zeitung. Und daß andere es anders sehen, ist klar.

      Zu den Gärten: Ich frage mich, warum da jeder seine Karnickelbucht bekommt, anstatt daß man sie zusammenlegt, so wie bei den Altbauten an der östlichen Seite der Krachtstraße. Dann könnte man gemeinsam viel mehr draus machen — zum Beispiel an ein paar Stellen auch Bäume pflanzen (wofür die jetzigen Gärten zu klein sind).

      • Christian says:

        Naja, das stimmt nicht ganz – es werden noch Bäume gepflanzt. Mir fehlt jetzt der korrekte Begriff, aber als Ausgleich für die Bebauung darf (und hat schon) irgendein Beamter entscheiden, welcher Baum an welche Stelle in welchem Garten gepflanzt wird. Diese Bepflanzung wird auf jeden Fall noch durchgeführt. Und dass Zäune zwischen den Häusern wieder entfernt werden ist ja nicht ausgeschlossen. Nur solange niemand weiß, wer sein Nachbar ist finde ich die Lösung alles einzukerkern nicht schlecht. Zaun abbauen ist ein einfacherer Schritt, als Zäune im nachhinein aufzubauen (falls es mit dem nachbarschaftlichen Beisammensein doch nicht so funktioniert).

        Naja, ich will jetzt nicht Ewigkeiten diskutieren – macht ja auch kein Sinn. Wollte ich nur zur Info hinzufügen.

        • Lenbachplatz says:

          Auf der anderen Seite der Bucht haben viele ihre Gärten offen. Das wirkt schon netter und die Kinder haben mehr Platz. Man ist dann aber halt nicht mehr ganz so für sich, denke ich.

          Btw: Irgendein Beamter entscheidet, wo Ihr in den Gärten was für einen Baum pflanzen dürft/müßt? Ja, was ist das denn? Ich denke, das sind Eigentumshäuser???

          • Christian says:

            Ich finde das mit den “offenen” Gärten auch schöner, finde es aber auch o.k., dass es einem nicht aufgezwungen wird. Wer will, der kann den Zaun ja wegnehmen.

            Und das mit der Bepflanzung war wohl eine Bedingung beim Kauf des Grundstückes durch das petruswerk vom Land Berlin. Wo was gepflanzt wird ergibt sich “aus der Vorgabe des zuständigen Bezirksamts”.

  5. olimdevona says:

    @Parallelgesellschaft

    Als ehemaliger Stralauer möchte ich mich nur mal kurz empathisch zum dem Thema äussern. Denn meines Erachtens ist dieser Terminus wirklich passend für das, was sich jetzt durch die Gentrifizierung der Halbinsel entwickelt. Ich kenne ein ähnliches Phänomen aus dem Prenzlauer Berg. Da hatten sich also vor Jahren die Neuberliner angesiedelt, weil der Bezirk so hip sei. Man lebte so seine Paralellgesellschaft aus, abends in für die Gentri bereitgestellten Kneipen und Clubs. Irgendwann fand man dann den Partner fürs Leben und bekam ein Kind. Das Leben blieb bunt, nur mit Kind und Kegel beim Grillen in den Parks als des Nächtens in den Bars. Der passende Kinderladen für die kleinen war auch bald gefunden. Und hach, die kleinen werden jetzt groß und kommen in die Schule. Und auf einmal wird den Eltern gewahr,
    dass ihre Parallelkultur sich nur auf ein paar Strassen und Kneipen im Stadtbezirk beschränkte,
    dass ihre Nachbarn gegenüber nicht alle so ticken wie ihre Freunde, dass sie in ‘nem Arbeiterviertel leben. Oh Gott, mit all diesen Prolkindern sollen meine Kinder in die Schule gehen.
    Sollen die jetzt auch mit Fahrradketten bewaffnet den Kiez unsicher machen? Die Parallelgesellschaft sah nun auf einmal, dass sie in ihrer Insel der Seeligen nur eine Minderheit war. Nun werden Rufe laut, die Wohngebietsbindung von staatlichen Schulen abzuschaffen. Die Parallelgesellschaft will in kleinen Eliteschulen ihre Kinder abschotten vor dem rauhen Alltag ihrer Mitschüler aus dem Proletenbezirk.
    Wie sagte da passend Kurt Tucholski: “Wer kein Prolet ist, sollte nicht so tun, als ob er einer wäre!”

    • stralau says:

      Ach naja — so richtig vergleichbar ist das aber nicht. Die Stralauer Bevölkerung ist in den letzten 10 Jahren von 600 auf 2500 angewachsen. Die „Neuen“ stellen also mit Abstand die Mehrheit. Zwar war Stralau bis 1990 ganz stark industriegeprägt, aber der Bevölkerungsaustausch ging hier viel schneller und umfassender und war größtenteils von Zuzügen geprägt.

      Ein anderer Unterschied ist der, daß die meisten schon als Familien hierherziehen. Die „böse Überraschung“ bleibt also erstmal aus, bzw. entsteht dann, wenn die Kinder weggezogen sind und alle alt sind. Dann sieht es hier so aus, wie jetzt in den Einfamilienhaussiedlungen der sechziger Jahre.

      • olimdevona says:

        Zahlen bilden nicht immer die Wirklichkeit ab. Denn neben der Halbinsel Stralau gehört zum Einzugsgebiet der Grundschule auf Stralau auch das Viertel nördlich der Stralauer Allee. Dieses Gebiet hat eine ganz andere Bevölkerungs- und Sozialstruktur. Von hier her kommen die kettenschwingenden Kids. Da flutet der Arbeiterbezirk die Insel der Seeligen also jedes Jahr ordentlich.

        Aber immerhin schickte eine Bekannte aus dem Norden Kreuzbergs (Köpenicker) ihre Tochter auf die Halbinsel (günstige Busverbindung, da hier die Chance bestand, dass ihre Tochter schon im ersten Schuljahr alphabetisiert wird, anstatt wie in Kreuzberg im dritten Schuljahr. Wollen wir das Umfeld der Parallelgesellschaft also mal nicht im schwärzesten Licht malen.

  6. alt-treptow says:

    @olimdevona
    Mein Sohn war bis zum Juli auch auf Stralau in der Grundschule. Er hat es geliebt und genossen. Die Mischung aus Elite und “Proll”-kindern war für ihn eine große Bereicherung, er hat gelernt mit verschiedenen Mentalitäten umzugehen.
    Die Schule und ihren Direktor muss man wirklich empfehlen, ich habe noch nie einen Direx öffentlich heulen sehen(Ausschulung im Juli). Nur mal so. Stralau hat sich zwar verändert , aber die Vergangenheit war auch nicht so Klasse ,oder?

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