Bürger, kümmere Dich um Deine Sache! (was: Re: im Tegernsee ertränken)

Sonnabend, 12. Juli 2008
Totaldemokratie

Mühlenstraße, East-Side-Gallery

Spreeblick hat mir die Überschrift weggenommen. Seit einer Woche ging mir diese da im Kopf rum, ich schwör!

Noch länger schon schlage ich mich mit dem morgigen Bürgerentscheid herum. Wenn ich mein Umfeld sehe, scheint es nicht nur mir so zu gehen, daß „Mediaspree versenken“ hin und wieder zumindest einen schwierigen Ton anschlägt. Die Bebauung des Osthafens hat zum Beispiel zu keiner sog. „Yuppisierung“ des Rudolfkiezes geführt. Auch die antikapitalistische Rhetorik verstellt leider den Blick darauf, daß es hier vor allem um Städtebau geht. Schwierig scheint auch zu sein, daß sich in der Endphase des Wahlkampfes vor allem auf die Fehler der Gegner und nicht auf die eigenen Argumente konzentriert wird.

Man darf aber nicht vergessen, daß die Arbeit in solchen Bürgerinitiativen immer ein Lernen und Ausprobieren ist. Im Unterschied zu Bauherren und Politik sind das eben keine Kommunikationsprofis und ich weiß selbst, wie schwer in solchen Gruppen schon die Suche eines Konsenses sein kann. Wenn man einmal hinter die Krawallkommunikation schaut, sieht man, daß „Mediaspree versenken“ in den letzten Monaten unglaublich aktiv war. Es ist gelungen, dieses Thema ins Bewußtsein der Stadt zu rücken. Darüber hinaus wurden für den Osthafen, das Anschutzareal und die Lohmühleninsel in Ideenwerkstätten Alternativplanungen erarbeitet.

Aber als Bürger ist man pragmatisch: So viel eine Initiative auch getan haben mag, wichtig ist, was hinten rauskommt. Wenn „MS versenken“ durch ihren Druck erreicht haben sollte, daß die Planungen des Bezirkes und der Stadt jetzt schon vernünftig sind, dann würde es ja ausreichen, wenn diese umgesetzt würden. Und die Ideen von Mediaspree versenken sind zumindest teilweise noch etwas unausgegoren:

  • Für den Bereich East-Side-Gallery (Mühlenstraße) fehlt ein städtebauliches Konzept. Hier könnte aufgelockerte Bürobebauung sogar wesentlich integrativer sein als diese häßliche Hinterlandmauer mit der unsäglichen Nachwende-Kitschbemalung. Die fehlende Struktur ist hier eine Hinterlassenschaft der Teilung. Hier wird es nicht damit weitergehen, daß man einfach alles so läßt, wie es ist.
  • Die Hochhausfeindlichkeit der Initiative scheint mir doch sehr ideologisch (und populistisch) zu sein. Und auch die Brückenkopfbebauung ggü. der Allianz wäre keine so schlechte Idee. Das Problem scheint mir doch eher die dichte Bebauung in der Fläche zu sein.
  • Neben der (sinnvollen) Verhinderung der Brommybrücke fehlt ein Verkehrskonzept, vor allem für die Friedrichshainer Gebiete.

Was die Initiative erreicht hat, kann man aber nicht hoch genug einschätzen: Es ist gezeigt worden, daß bürgerferne Planung zum Schaden der Stadt ist. Man muß leider immer wieder erleben, daß die Belange der Stadtbewohner der Verwaltung eher lästig sind. Das zeigt sich u.a. an den städtebaulichen Katastrophen, die rund um das Mediaspree-Gelände in Friedrichshain schon gebaut worden sind: die Anschutz-(O2-)Arena, das Gelände des ehemaligen Wriezener Bahnhofs (Nähe Ostbahnhof, jetzt Metro und Hellweg) und die Neubauten auf Stralau.

Alle drei Flächen sind als Großflächen in den letzten beiden Jahrzehnten frei für Neuplanungen geworden: Stralau und die Rummelsburger Bucht durch das Verschwinden der Industrie nach der Wende, Anschutz-Arena und Wriezener Bahnhof durch den Rückzug der Bahn von ihren öffentlichen Aufgaben.

Was ist in diesen Gebieten alles falschgemacht worden! Was hätte mit langsamerer Planung, vor allem aber Bürgerbeteiligung alles erreicht werden können!

Bürgerbeteiligung kann hier natürlich nur ein langfristiger Prozeß sein, der von Fachleuten unterstützt werden muß, die Ideen auch in Pläne umsetzen und den Chor der Meinungen bündeln können. Hier jedoch sehe ich die eigentliche Aufgabe einer demokratischen Verwaltung: die Sammlung und Umsetzung des Bürgerwillens. Stattdessen ist Verwaltung im Städtebau meist damit beschäftigt, den Bürger von der Planung fernzuhalten. Wer schon einmal Antworten auf Einsprüche in Planungsverfahren erhalten hat, weiß, was ich meine. Auch der Rohrkrepierer der Beteiligung an der Tempelhofplanung schien ja dann doch eher dem Wahlkampf geschuldet als tatsächlicher Bürgerbeteiligung.

Man sollte sich nicht dem Irrtum hingeben, daß die längere Planungszeit wertvolle Investoren abschrecken könnte: Stralau konnte jahrelang nicht vermarktet werden. In dieser Zeit gab es aber durch die Einschränkungen im Entwicklungsgebiet auch keinerlei Partizipationsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit.

Deswegen (und ich mag taktische Abstimmungen eigentlich gar nicht) werde ich morgen für den Vorschlag von „Mediaspree versenken“ stimmen: Die Belange der Bürger müssen im Planungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Auch wenn schon viele Fehler gemacht worden sind, sollte die fehlerhafte Planung nicht noch fortgesetzt werden.

Aber die Abstimmung allein ist nicht ausreichend, die inhaltliche Planung muß noch geschehen. Auf dem Mediaspreegelände und in Stralau: Das ehemalige Glaswerksgelände am Inseleingang ist als Gewerbegebiet ausgeschrieben und seit Jahren unvermarktet. Es gibt zwar furchtbare Ideen, hier ein riesiges Thermalbad zu errichten, aber auch hier ist es an der Zeit, Bürgerideen zu formulieren. Laßt uns das tun!

Die Planung hinter verschlossenen Türen geht allerdings leider auch weiter. Kommenden Montag 14.00 Uhr trifft sich der in Stralau lebende Wirtschaftssenator Wolf mit Vertretern der IG Rummelsburger Bucht (das sind Grundtückseigner in Stralau), von Vattenfall und der Deutschen Bahn zu einer Kungelrunde im Allianz-Turm, in der es um die städtebauliche Zukunft Stralaus gehen soll. Um 17.00 Uhr treffen sich Mediaspree versenken, die BISS und andere Initiativen gegenüber im Osthafen zu Pressekonferenz und Umtrunk.

12 Responses to “Bürger, kümmere Dich um Deine Sache! (was: Re: im Tegernsee ertränken)”

  1. johnny says:

    Tut mir leid wegen des Titels … und ich war so stolz drauf! ;)

  2. DJ Tüddel says:

    Ich glaube, du machst es dir ein wenig leicht, wenn du eine durch die Umnutzung un d Neubebauung des Osthafens bewirkte Gentrifizierung ausgerechnet im Rudolfkiez suchst. Die Beschäftigten der dort angesiedelten Unternehmen, die dem Kernbereich der “Kreativindustrie” zugerechnet werden, werden sich eben viel mehr in den nahen “Szene-Vierteln” Friedrichshains und Kreuzbergs niedergelassen haben, und das ist eben nicht unbedingt der etwas verschnarchte Rudolfkiez. Aber ich glaube mensch kann durchaus behaupten, dass Ansiedlungen wie diese den Mietdruck auf die Kieze erhöhen.
    Ob nun “Yuppifizierung” dafür das angemessene Wort ist, sei mal dahingestellt. Der zum Schimpfwort verkommene soziologische Fachbegriff der Young Urban Professionals bezog sich ursprünglich v.a. auf noch etwas besser bezahlte Banker und Werber, also auf solche die sich einkommensmäßig schon eher zur Oberschicht zählen lassen. Doch auch schon eine (gehobene?) Mittelschicht kann in einem noch immer stark von Sozialhilfeempfängern und Billiglohnarbeiterinnen bewohnten Kiez auch ganz schön reinhauen. Vor allem wenn ihre VertreterInnen (laut Media-Spree Marketing) gleich in fünfstelligen Mengen herangezogen werden sollen.

  3. Lenbachplatz says:

    Der derzeitige Zustand des Spreeufers gefällt mir ganz überwiegend überhaupt nicht. „Spreeufer für alle“ ist das nicht, sondern hässliche, mitunter unzugängliche Brache. Durch Investitionen und Schaffung eines Uferstreifens von mindestens 10, mitunter beispielsweise 20 oder mehr Metern gewinnt die Gegend ungemein. Ein Uferstreifen von 50 Metern ist lächerlich breit. Zudem: Von den Gegnern des bösen Kapitalismus ist mit Sicherheit kein Geld (ja, das braucht man auch) für eine Gestaltung zu erwarten. Die „bringen aber bestimmt sich und ihre Ideen ein“ (Wagenburg. Strandbar. „Einfach Freiräume, weißt Du.“ „Raum für Alternatives, Kunst.“ Hat Berlin ziemlich viel, auch in der Gegend, oder).

    Dazu nervt mich dieses Getue von der Gentrifizierung. Als ob da nur geldgeile Yuppies herziehen! Eine Änderung in der Bevölkerungsstruktur Friedrichhains hat dem Bezirk gut getan und eine weitere (nicht völlige) Änderung wird ihm weiter gut tun.

    Läden wie die der Ladenhüterinnen (allen voran mein lieber „Proviant“) gäbe es ebenso wenig wie gute Restaurants wie das Schneeweiß oder das Miseria e Nobilta, wenn nur die „Altbevölkerung“ (Alte, Linke, Punker, Arbeitslose, Studenten) erlaubt wären. Mehr Geld tut diesem Stadtteil gut.

  4. Andi says:

    Vielen Dank für diesen interessanten, differenzierten Kommentar von stralau! Auch wenn ich mich als Mitunterstützer des Initiativkreises uneingeschränkt über den Ausgang des Bürgerentscheides gefreut habe.

    Aus Kreuzberger Sicht sind durch die Ansiedlung u.a. von Universal schon manche Gentrifizierungsprozesse (an Lenbachplatz gerichtet: dies ist ein anerkannter Begriff in der Stadtgeographie) in Gang gekommen, u.a. im Bereich Schlesische Straße. Es gab bereits erste Mieterhöhungswellen. Es geht nicht darum , dass dadurch “nur geldgeile Yuppies herziehen”, aber dass sich in Folge einer solchen Entwicklung nur noch gewisse besserverdienende Kreise die erhöhten Mieten leisten können. Was geschieht mit den angestammten Anwohnern, die dann weichen müssen, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen kann?
    Die “50 Meter” Uferstreifen habe ich immer – wie auch der Kommentator der Berliner Zeitung am vergangenen Samstag – als taktische Angabe verstanden.

    Neue Autobrücken würden den Verkehr im westlichen Wrangelkiez erhöhen und dadurch unsere Lebensqualität hier mindern. Also auch in dieser Hinsicht klare Zustimmung für den Initiativkreis.

    Ich hoffe, dass durch den erfolgreichen Bürgerentscheid die phantasielose und völlig beliebige Zupflasterung der Spreeufer begrenzt werden kann.

    Interessant ist nun die Erklärungsnot der Politiker v.a. der Grünen zu sehen, die bisher einhellig nur die Positionen von Mediaspree e.V. vertraten. Weiterhin interessant zu beobachten, dass sich Vertreter der Investoren nun erstmals dazu herablassen, sich öffentlich zu ihren Plänen zu äußern.
    Insofern war das Begehren ungemein erfolgreich.
    Es ist gelungen zu verhindern, was in anderen Städten usus ist: die Fernhaltung der Bürger bei der Gestaltung ihrer Städte. (als Ex-Stuttgarter denke ich dabei ganz stark an die Gestaltung des dortigen Neckartales durch Daimler-Benz)
    Es wird spannend weitergehen.

    • stralau says:

      Der Straßenverkehr sollte übrigens auch in Friedrichshain noch einmal Thema werden: Vor der Teilung ging der Hauptverkehr von Treptow in die Stadt durch Kreuzberg (Puschkinallee – Schlesische Straße – Köpenicker Str./Skalitzer Str.).

      Erst zu DDR-Zeiten ist der furchtbare Straßenzug Stralauer Allee/Mühlenstraße/Holzmarktstraße zur Protokollstrecke ausgebaut worden. Nun ist das Anliegen der Kreuzberger, keine Straßenbrücke haben zu wollen, ja sehr verständlich. Ich finde aber, bei einer Neuplanung des Friedrichshainer Gebietes sollte auch diese absurd überdimensionierte Verkehrsachse überdacht werden.

      • Andi says:

        Mir ist nicht ganz klar, was du bzgl. der Strecke Stralauer Allee/Mühlenstraße/Holzmarktstraße forderst. Einen Rückbau der Straße?
        Der Vorteil an jener Strecke ist doch, dass sie Wohngebiete nur am Rande streift, und eben, dass hier schon eine ausgebaute zumindest 4-spurige Strecke vorhanden ist.
        Außerdem führt sie direkt ins Zentrum, wenn man damit Alexanderplatz oder Leipziger Straße meint.

        Die Strecke durch Kreuzberg hingegen führt direkt durchs Wohngebiet (Schlesische Straße, Köpenicker Straße), zumindest im Kreuzberger Teil der Köpenicker Straße wurden zuletzt – aus dem Fördertopf Stadtumbau West – Fahrbahnverengungen durch Anlegen zweier breiter Radwege durchgeführt.

        Aktuell wird die Kreuzberger Strecke infolge der Arbeiten auf der Elsenbrücke verstärkt genutzt. Ich denke aber nicht, dass daraufhin auf Dauer hingearbeitet wird.

        • stralau says:

          Nein, nicht durch Kreuzberg. Ich bezweifle aber, daß sie in dieser Größe wirklich nötig ist – sie ist selten ausgelastet (so wie viele andere Berliner Straßen auch). Insofern wäre ein Rückbau auf die ursprüngliche Breite vielleicht möglich.

          Ich finde die Strecke städtebaulich verbesserbar. Sie sorgt im Moment dafür, daß dort auch kaum neues Stadtleben entstehen kann.

          Mein Blick ist allerdings zusätzlich dadurch getrübt, daß ich hier täglich mit dem Fahrrad entlangfahre, und die Situation für Fahrradfahrer besonders, aber nicht nur auf der Stralauer Allee katastrophal: Fußwegbenutzungspflicht bei katastrophalem Zustand, eine kreuzgefährliche Ampel an der Ecke Warschauer Straße stadteinwärts, Touristen und parkende Autos auf dem Fahrradstreifen an der East-Side-Gallery.

          • Andi says:

            Bezüglich des Fahrradfahrens hast du natürlich Recht. Insbesondere zwischen Oberbaumbrücke und Elsenbrücke sind die “Fahrradwege” wirklich eine totale Zumutung, besonders in Richtung Elsenbrücke: die Strecke wird mehrmals sehr eng, und ist auch eine Buckelpiste. Da besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf.
            Ich weiche meist auf die (längere) Strecke über Puschkinallee-Elsenbrücke (oder am SPREEUFER entlang…) aus, wenn ich nach Stralau fahre, aber für jemanden, der das täglich fährt, ist das natürlich nicht praktikabel.

  5. Thomas says:

    Hallo,
    das
    “Leitbild Spreeraum” der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht das “Überwinden von Barrieren” in beiden Stadtteilen vor:

    Wesentliche Maßnahmen zum Abbau von
    Verkehrsbelastungen in den ufernahen
    Achsen sind radiale Ergänzungen und neue
    Querungen über die Spree. Voraussetzung für
    die Entwicklung der Uferbereiche sind vor
    allem reduzierte Verkehrsaufkommen und
    -belastungen in der Köpenicker Straße und
    der Mühlenstraße/Stralauer Allee. Langfristige
    Planungen gehen von einer neuen Verbindungsstraße
    zwischen dem Ostkreuz und dem
    Gelände des ehemaligen Ostgüterbahnhofs in
    der Verlängerung der Hauptstraße (parallel
    und südlich der Bahntrasse) aus.

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