Der alte Bahnhof Friedrichstraße …

Montag, 8. März 2010

Bahnhof Friedrichstraße 1950, Photo: Illus Rudolph/Bundesarchiv. Klicken macht groß.

… war für uns Kinder ein schöner Ort. Unübersichtlich, voller Gewimmel und nicht so aufgeräumt wie Alexanderplatz. Auf der Friedrichstraße viele Westautos und im Bahnhof Westmenschen. Hinter dem Bahnhof der Intershop, in dem es nach Intershop roch und am Ende des Bahnhofes, wo schon fast Westen war, die alte Fußgängerbrücke hinab zum Schiffbauerdamm. Kein anderer Ort der Stadt, so schien es, hatte außerdem noch so viel von den alten Geschichten, von Kai aus der Kiste und Emil und den Detektiven.

Außerdem gab es viele interessante Automaten: Münztelefone, in denen man das Geld noch hinter Glas sehen konnte, schwarze Fahrkartenautomaten, auf denen der Preis noch in MDN ausgezeichnet war und die kleine Pappfahrkarten ausspuckten und später sogar einen echten DDR-Geldautomaten, an dem mein Onkel mit einer Plastekarte Geld bekam und den Münzwechselautomaten in der Post. All das zu einer Zeit, wo man Reichsbahnfahrkarten auch schon menügesteuert am elektronischen Fahrkartenautomaten bekam.

Der Münzwechselautomat hatte eines Tages den schönen Fehler, daß er nach dem Kurbeln für ein Zweimarkstück die erwarteten 4 Fünfziger ausspuckte und das eingeworfene Zweimarkstück dazu. Bis der Automat leer war, hatten wir jeder 20 Mark eingenommen. Damit fuhren wir wohl zum Alex, um Eis und Griletta zu kaufen.

Einträglicher war es noch, am Bahnhof auf Westmenschen zu warten, die ihr restliches Ostgeld vor der Rückreise loswerden mußten — es durfte nicht mitgenommen werden. Wir haben sie nicht direkt angebettelt, warten reichte schon, daß wir es angeboten bekamen.

5 Responses to “Der alte Bahnhof Friedrichstraße …”

  1. Maggi says:

    Klasse Artikel. Ich bekomme Lust, als alter Westberliner über den Bahnhof zu schreiben, ein Perspektivwechsel sozusagen. Fiele aber düsterer aus.

  2. Jens-Olaf says:

    Ich glaube an dieser Stelle, wo das Foto gemacht wurde, gab es einen Kiosk. In den 80ern. Dort habe ich gefragt, ob es eine Ausgabe der Prawda auf Deutsch gäbe. Allgemeines Gelächter rundherum folgte. Eine ungewohnter Emotionsausbruch damals, im Ostteil. Ich hatte mich gnadenlos als Westler geoutet.

    • stralau says:

      Hehe. Ich erinnere mich an einen Kiosk etwas weiter unten (Ecke Unter den Linden), an dem Du zumindest eine russische Prawda bekommen hättest, weil er recht international bestückt war.

      Noch ein Stück die Linden herunter war das Palasthotel, in dem sich mein Vater am Kiosk immer mal wieder (für Westgeld) die Zeit kaufte. Als ihm diese eines Tages mit Blick auf seine Herkunft verweigert wurde, sorgte das bei einer hinter ihm stehenden Hamburger Dame für große Empörung. Sie kaufte sie dann demonstrativ für ihn.

  3. Fish says:

    Unten auf der U-Bahn-Station Friedrichstraße der U6 gab es auch einen Intershop. Dort konnte man als Westberliner aussteigen und ohne Grenzwechsel, also ohne Mindestumtausch und Tagesvisum, einkaufen und dann weiterfahren. Meines Wissens die einzige Station in ganz Berlin wo so etwas möglich war. Eine Stange Amizigaretten für 24 DM, das muss man sich mal vorstellen. Vor Weihnachten oder Silvester kam auch schon mal eine Flasche Whisky dazu.

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