Herr Fuchs

Montag, 5. Juli 2010


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Herrn Fuchs kennen wohl die meisten, die hier leben. Am Ufer des Rummelsburger Sees, dort wo die Bootsszene in „Die Legende von Paul und Paula“ gedreht wurde, lagen bis vor einigen Jahren noch viele vergammelnde alte Wracks, die von früheren Zeiten träumten. Nachdem die Wasserstadt GmbH die Gegend aufgeräumt hatte, waren nurmehr die zwei Lastkähne übriggeblieben, auf denen Herr Fuchs mit seinen zwei Hunden lebte.

Auf der Uferseite war am Schiff ein kleines Gartentor mit Briefkasten und Klingel angebracht und manchmal saß ein Freund auf einem Stuhl vor dem Tor und unterhielt sich mit Herrn Fuchs. Die Schiffe selbst waren voller rostiger Stahrohre, Dachpappe und anderen Dingen, die zu Gelegenheiten nützlich sein konnten. Manchmal grüßten wir uns, wenn er in seinem karierten Hemd in der Abendsonne auf dem Schiff stand und die Blumenkästen goß oder rauchte und schaute. Im Winter hackte er das Eis um die Schiffe, damit niemand von der Wasserseite entern konnte.

Herrn Fuchsens Boote waren ein Gruß der alten Berliner Zeit, die hier vor allem Industrie bedeutete. Der Untergang dieser Zeit, der schon in „Paul und Paula“ besungen wird, passiert in Wirklichkeit erst jetzt: Ostkreuz, Flaschenturm, Osthafen. Die alte Zeit dauerte von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die neunziger Jahre des zwanzigsten.

Noch im Frühjahr dieses Jahres wurden Herrn Fuchsens Boote wegen Uferarbeiten zeitweilig an die alte Stralauer Hafenmauer umgesetzt, wo sie noch fremder wirkten, als an ihrem eigentlichen Ankerpunkte, zumal das Gartentor dort zum Wasser und nicht an das Ufer zeigte. Inzwischen sind sie wieder am alten Ort.

Heute wurde Herr Fuchs auf seinem Schiff tot aufgefunden.

9 Responses to “Herr Fuchs”

  1. Sven says:

    Ich wohne 5 Jahre hier und habe Herrn Fuchs nie gesehen. Nur mal etwas Licht auf dem Boot. Bei jedem Spaziergang habe ich mir Gedanken über diesen unsichtbaren Herrn Fuchs gemacht.

    Das wird mir fehlen …

  2. lenbachplatz says:

    Das tut mir leid.

    Gerade in der letzten Zeit, vor allem während der zeitweiligen Versetzung ans Halbinselufer, habe ich mich öfter gefragt, was denn aus Herrn Fuchs und seinen Schiffen werden soll, wenn das Paul und Paula Ufer in einigen Jahren tatsächlich “neu in Szene” gesetzt sein wird.

    Ich hoffe, ihm ist’s gut gegangen.

  3. Kormoranflug says:

    Herr Fuchs und seine Lastkähne gehören zum Rummelsburger See. Selbst die Entwicklung der Wasserstadt konnten ihn nicht vertreiben.
    Wir werden ihn vermissen.

  4. Blumenstrauß says:

    Ich bin traurig.
    Seit vielen Jahren freue ich mich beim Anblick dieses Stücks liebenswerter Nostalgie. Ich habe Herrn Fuchs vielmals ein langes Leben gewünscht, um erfolgreich der allzu schnellen Modernisierung des letzten Stücks von Naturbelassenheit entgegenzuwirken.
    Auch wenn das Boot mal nicht mehr stehen wird, ein Gruß an Herrn Fuchs ist immer drin.

  5. u says:

    Stets überrascht wirkte er, wenn er von mir abends gegrüßt wurde. Das daraufhin in mich Hineinlächeln werde ich vermissen. Doch vor allem seine Anwesenheit in Form seiner Boote und Hunde – tagsüber habe ich ihn eigentlich nie gesehen – war für die Bucht und für mich als Bewohnerin eine Wohltat. Der alte Speicher, Herr Fuchs, die Wasserrosen, der Ausblick auf das Spreepark-Riesenrad und das wenig wilde Ufer auf der Rummelsburger Seite sind für mich die einzigen angenehm und beruhigend wirkenden Erscheinungen in der Bucht. Selbst in einem der dahingesetzten Häuser lebend, ohne vorherigen Bezug zur Bucht, sehnt man sich doch immer nach etwas Festem, etwas Markantem, etwas Echtem außerhalb der eigenen vier Wände. Etwas, was “Heimat” bedeutet. Und wenn auch Herr Fuchs offensichtlich eigenbrödlerich mir nie persönlich nahe stand, so werde ich ihn nun vermissen. Denn mit ihm geht wieder etwas Heimat. Und was kommt, wissen wir uns seit langem auszumalen. Doch bleiben wird der stille Gruß, das Hineinlächeln und das Wissen, dass auch andere Buchtbewohner dies teilen.

  6. Jetzt kenn ich seinen Namen…

    Auf einem Spaziergang war mir Herr Fuchs aufgefallen.
    Aus dem Fenster seines Bootes gelehnt, sah er fast aus, wie eine Installation. Ein scheinbarer Anachronismus in unserer Zeit, in der blitzender Chrom und Glasflächen zum guten Ton gehören.
    So verschwindet nun wieder ein wenig Patina…

  7. Christian says:

    Es gab mal einen kleinen Artikel über Herrn Fuchs in der Berliner Zeitung, im Textarchiv leider ohne das BIld…
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0719/berlin/0017/index.html

  8. ZoZ says:

    ..wir wohnen noch nicht so lange auf Stralau und so haben Herr Fuchs und seine beiden Boote für uns eine Brücke in eine andere Zeit geschlagen. Sinnbild für die Möglichkeit des Aussteigens in der Großstadt. Gestern haben wir uns im Vorbeigehen über die Blumen an seinem Tor gewundert..

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