Das große Haus mit den Augen der Tochter sehen

Donnerstag, 4. November 2010

Es gibt zwei Wege ins Büro. Der eine ist der automatische: ohne zu denken die Schließkarte an die Tür halten, beim Warten auf den Fahrstuhl die auf dem Telefon eintrudelnden Dienst-E-Mails lesen, im Fahrstuhl daran denken, was als nächstes zu tun ist, oben angekommen den entgegenkommenden Kollegen ein zerstreutes “hallo” sagen, an den Schreibtisch setzen und versuchen herauszufinden, wo man am Abend vorher stehengeblieben war.

Der andere funktioniert gut mit Musik auf den Ohren und geht so: ich stelle mir vor, die 16 Monate alte Tochter zu sein, die neugierig die Welt erkundet. Durch Glasscheiben sieht man seltsame Menschen an Tischen sitzen und diskutieren, hinter anderen sitzen sie vereinzelt an Tischen und starren auf Bildschirme. Manche haben Kopfhörer auf, viele mehr als einen Bildschirm. Kaffeetassen, häßliche Maskotchen, Bilder. Niemand beachtet mich. Was wohl passiert, wenn ich einfach mal laut rufe? Tafeln mit komplizierten Grafiken aus vielen Rechtecken, Kreisen und Linien dazwischen. An anderen Tafeln kleben vielevieleviele bunte Zettel, manchmal unordentliche Klebezettel, anderswo wunderschön sortierte Karteikarten. Auf großen Bildschirmen bunte Bilder und überall überall Treppen, Türen und Hindernisse, die man umgehen muß. Da, diese Tür führt auf die Terasse, auf der ein wunderbarer warmer Wind ins Gesicht weht. Wenn ich auf der Terasse weitergehe, sehe ich die Kollegen von außen und kann Grimassen schneiden. Sie lachen tatsächlich. Die Feuertreppe hinunter und durch die Eingangstür wieder herein und den ersten Stock einmal ganz durch. Durch die Fenster der anderen Seite sieht man große Bagger ein tiefes Loch graben und hier im ersten hängen überall große Papierfahnen mit lustigen Zeichnungen. In der großen Aula am Rand sitzen und die Leute sehen, die vorbeilaufen: ordentliche Hemden und Kostüme und sehr lässige Kleidung wechseln sich ab. Menschen mit Rollkoffern, an denen Flugzeugschlaufen hängen, andere mit Fahrradtaschen. Viele schauen in ihr Telefon, manche gehen schnell, straff und zielgerichtet, andere langsam und zerstreut und denken daran, was als nächstes zu tun ist …

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