Archiv für die Kategorie „Immer wieder sonntags“

Tatort: Auf der Sonnenseite (NDR)

Montag, 27. Oktober 2008

Verdeckte Ermittler als Hauptperson gab es noch nicht im Tatort. Die Atmosphäre sehr stimmig.

Hamburg rockt. Endlich. Danke.

[Erstsendung: 26. Oktober 2008]

Tatort: Brandmal (WDR)

Sonnabend, 25. Oktober 2008

Bei einem Brand kommt eine 35-jährige Frau ums Leben. Ihr zunächst sehr verdächtiger Freund (Aljoscha Stadelmann) hat ein Alibi in Paris, ist aber dennoch irgendwie verdächtig. Verdächtig ist auch die Zigeunerin Lutvija Demiri (Muriel Wimmer), die in einem Flüchtlingsheim in der Nähe wohnt. Gegen das Flüchtlingsheim gibt es, und das erwartet man im Tatort ja schon fast, eine erboste Anwohnerinitiative mit albernen T-Shirts, die sich in einem Kneipenhinterzimmer trifft.

„Brandmal“ ist von den einen vorgeworfen worden, zu politisch korrekt zu sein. Die anderen haben kritisiert, Klischees über Zigeuner zu verbreiten. An beidem ist etwas dran. Die Vorurteile werden manchmal zu deutlich als Vorurteile „entlarvt“ und die Familie im Flüchtlingsheim sieht zu sehr nach Flüchtlingen aus. Auch ist der Fall selbst etwas langweilig und verschnarcht, wie leider öfter in den letzten Jahren aus Köln. Die Geschichte des Mädchens und ihrer Beziehung zu den Kommissaren und das Verhältnis von Franziska, die einem der Verdächtigen ein Alibi gibt, sind gut erzählt.

Am besten fand ich aber, daß Bernd-Michael Lade nach dem Ende von Kain und Ehrlicher weiter im Tatort auftreten darf. Er spielt den gramvollen, etwas schmierigen Ladenbesitzer hervorragend, hat Haare bekommen und ist nicht mehr der Jugendliche.

[Erstsendung: 19. Oktober 2008]

Tatort: Borowski und die einsamen Herzen (NDR)

Sonnabend, 18. Oktober 2008

Nun — in meinem Leben ist im Moment mal wieder deutlich zu viel los, als daß ich die Muße hätte, mich ausführlich dem letzten Tatort zu widmen. Aber: es hat alles gestimmt, wie bei den meisten der Kieler Tatorte. Ein unglaublich gewitztes und witziges Drehbuch (Thomas Schwank) — Borowski hat nicht nur seine altbekannte Haßliebe zur Psychologin Frieda Jung, sondern muß als Lockvogel Frauen über Kontaktanzeigen kennenlernen), sehr sorgfältige Bilder (Kamera: Marcus Kanter) und hervorragendes Schauspiel, insbesondere natürlich Gabriela Maria Schmeide.

Der Kriminalfall selbst gerät etwas in den Hintergrund, was aber bei diesem perfekt inszenierten Kammerspiel (Regie: Lars Jessen) rein gar nichts ausmacht.

[Erstsendung: 12. Oktober 2008]

Tatort: Der glückliche Tod (SWR)

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Ich war an diesem Wochenende weg, aber Heiko Werning vom Reptilienfonds hat den letzten Tatort gesehen, was ihm nicht leichtgefallen ist. Umso mehr bin ich ihm dankbar.

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Große Güte, da ahnt man nichts Böses und sagt freundlich zu, einen Sonntagskrimi als Gastbeitrag hier zu besprechen, und dann das. „Der glückliche Tod“, ein Odenthal-Tatort, was soll da schon groß passieren? Frau Odenthal ermittelt seit 19 Jahren lustig vor sich hin, mal besser, mal schlechter, sie hatte mal eine große Zeit, in den letzten Jahren sind die Filme eher ein bißchen von der Stange, wenn auch immer mal was ganz Nettes dabei ist. So sitzt man also entspannt vorm Fernseher und starrt dann mit zunehmender Fassungslosigkeit auf das Geschehen. Jetzt, wo die Tränen getrocknet sind, also die versprochenen Anmerkungen.

„Der glückliche Tod“ geht ans Eingemachte, und zwar richtig. Für junge Eltern ist das nichts. Da braucht man schon ganz schön Nerven, um bis zum – absehbaren – Ende durchzuhalten. Eindringlichere Szenen hatte zumindest ein Odenthal-Tatort wohl noch nie zu bieten, trister war Ludwigshafen noch nie, und ein perfektes Schauspieler-Ensemble einschließlich des Ermittlerteams, dem man eigentlich neue Facetten längst nicht mehr zugetraut hätte, spielt den Zuschauer geradezu schwindlig.

Die Mitarbeiterin eines Sterbehilfevereins wird tot aufgefunden, die Ermittlungen laufen anfangs noch ganz normal, ein paar Verdächtige tauchen auf: Jemand hatte eine Affäre mit der Dame, viele Feinde haben die Sterbehelfer ohnehin, einer macht sie für den Tod seiner minderjährigen Tochter verantwortlich. Eine Telefonnummer führt schließlich zu einer Familie, deren neunjährige Tochter an Mukoviszidose erkrankt ist, eine echte Dreckskrankheit, wie wir schnell lernen, und spätestens hier wird klar, warum man bislang vergeblich versucht hat, an der Fernbedienung etwas mehr Farbe ins Bild zu drehen. Das Mädchen wird das Ende des Films nicht erleben, so oder so. Es sitzt im Rollstuhl, hat eine chronische Lungenentzündung, täglich leidet es unter Erstickungsanfällen, und wenn es nicht ersticken wird, dann wird es verhungern. Der kleine Bruder feilscht um die Stofftiere, die es, so die plausible Feststellung, ja bald eh nicht mehr brauche. Das ist filmisch derart perfide umgesetzt, daß man keine Chance hat, sich dem zu entziehen. Die Verzweiflung der Eltern ist greifbar, greift fast über, die daraus resultierende ungeheure Diskussion ebenfalls: zum Sterben helfen oder nicht? Das Mädchen fleht darum, es kann nicht mehr. Die Eltern können auch nicht mehr. Die Zuschauer bald ebenfalls. Das ist, neben den schauspielerischen Leistungen, auch deshalb so wirksam, weil der Film betont auf Distanz bleibt, es sind nur wenige kurze Szenen, nicht mehr, als im Tatort sonst gern mal für das familiäre Geplänkel der Kommissare oder irgendwelche Scherz-Nebenhandlungen investiert wird. Aber sie überlagern das Geschehen vollständig, machen den gesamten weiteren Krimi-Verlauf zu einer vielschichtigen Annäherung an das Thema Sterbehilfe. Jeder Protagonist steht plötzlich für einen Teilaspekt des Themas, eine Meinung, eine Facette, und dennoch wirkt nichts überzogen oder überambitioniert. Und sorgfältig wird eine Parteinahme vermieden, unterm Strich kann man sie irgendwie alle verstehen, bis auf die bösen Roger-Kusch-Verschnitte natürlich.

Man könnte an Details herumkritteln, etwa den etwas eigenartigen, leicht rumpeligen Showdown, man könnte darüber diskutieren, ob das „Halleluja“ am Ende nicht doch ein Tacken zu viel ist und die Motivlage beim Täter nicht ein bißchen dünn, aber wozu? Ein herausragender Tatort, auch wenn man ihn nur schwer aushalten kann.

[Erstsendung: 5. Oktober 2008, Autor: Heiko Werning]

Tatort: Liebeswirren (BR)

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Ein schwuler Photograph wird tot aufgefunden, in eine abgestellte Fensterscheibe gestürzt. Allerdings hat da jemand nachgeholfen. Die beiden Kommissare spielen gegensätzliche Haltungen zur Homosexualität: Batic hat ein Problem mit seiner Männlichkeit, weil er in einer Nacht mit der Nachfolgerin vom Menzinger Carlo keinen hochgekriegt hat. Er läßt sich sehr unbefangen auf die Ermittlungen in der Schwulenszene ein, während sein Kollege Leitmayer ziemlich verkrampft an die Sache herangeht. Dabei geht es immer um das, was uns umtreibt: Liebe, Haß, Eifersucht, Sehnsucht.

All das geschieht, wie immer in München, mit Witz, der sitzt, guten Dialogen und insgesamt recht gekonnt. Die Geschichte ist solide erzählt, aber nicht herausragend: daß es die Frau oder eines der Kinder des Familienvaters war, der ein Verhältnis mit dem Toten hatte, ist ziemlich bald klar — die Spannung bleibt also ein wenig auf der Strecke. Insgesamt aber ok.

[Erstsendung: 28. September 2008]

Polizeiruf 110: Eine Maria aus Stettin (NDR)

Sonntag, 28. September 2008

Beim Lesen der Vorabkritiken konnte man den Eindruck bekommen, daß es ein sehr düsterer, gewalthaltiger Film werden würde: Die Kinder von polnischen Prostituierten in Schwerin werden gegen deren Willen an kinderlose Paare verscherbelt, die Huren werden mit brutalen Verletzungen und Massenvergewaltigungen gefügig gemacht.

Daß der Film ganz anders wird, ist das große Verdienst von Eckhard Theophil (Buch) und Stephan Wagner (Regie). Sie schaffen es, grausame Machtverhältnisse darzustellen, ohne die tatsächliche Gewalt explizit zeigen zu müssen und mit billigen Effekten zu arbeiten. Das Drehbuch, aber auch der Schnitt sind sehr aufmerksam, stimmig und genau. Unterstützt werden sie von durchweg großartigen Schauspiel-Leistungen, beispielsweise von Agata Buzek als etwas naiver aber starker und betrogener Nutte, die lieben will; Frank Giering als dem Zuhälterscheusal und vor allem Dirk Borchardt, als seinem strohdummen, wunderschön berlinernden Knecht.

Parallel wird eine schöne Geschichte der deutsch-polnischen Zusammenarbeit der Polizei erzählt, die zwischen Mißtrauen, Bewunderung und Kameradschaft pendelt. Aufgrund einer Verletzung Kommissar Hinrichs’ (Uwe Steimle) muß sein sonst etwas im Hintergrunde stehender Kollege Tellheim (Felix Eitner) die Ermittlungen führen. Seinen polnischen Partner spielt wunderbar Tomek Nowicki.

Und auch die Musik (Ali N. Askin), die sehr an Tom Waits erinnert, ist immer sehr gut auf dem Punkt und ganz eigene Akzente.

[Erstsendung: 21. September 2008]

Tatort: Das schwarze Grab (SR)

Sonntag, 28. September 2008

Grubensenkungen lassen Häuser einbrechen. Der Film beginnt mit Bildern des Abschieds und der Zerstörung in der hellen Wintersonne. In der nächsten Szene wird dann die erste Leiche gefunden: Eine Frau, die mit einem Bergmannseisen erschlagen wurde. Ihr Mann und dessen Bruder, mit denen sie zusammenlebt, haben heute ihren letzten Arbeitstag: der Schacht wird geschlossen. Kommissar Kappl (Maximilian Brückner) fährt mit dem Bruder in die Grube ein, um den Ehemann der Verstorbenen zu befragen. Durch einen Bombenanschlag wird der Ausgang der Grube verschüttet und die Trauerredner vom Ministerium, ein Streichertrio, die Bergleute und Kappl sind eingesperrt. Oben beginnen die Rettungsarbeiten, unten geschieht ein weiterer Mord; Kappl beginnt unter den Eingeschlossenen zu ermitteln.

Und jetzt haben wir ein hübsches Szenario: Anfangs gibt es noch eine Telefonverbindung nach oben und die beiden Kommissare können sich über die Ermittlungen in beiden Mordfällen austauschen, allerdings nur kurz und unter Beobachtung. Als dann der Strom für das Telefon knapp wird, müssen Kappl unten und Deininger (Gregor Weber) oben allein weitermachen. Es hätte nahegelegen, die Szene im Schacht mit starken Effekten sehr furchterregend und eng zu inszenieren. Stattdessen wird gekonnt auf Agatha Christie referenziert, wenn Kappl in der Grube ein Vernehmungszimmer einrichtet und allen bewußt wird, daß ein Mörder unter ihnen ist. Die gesamte Szene wirkt dabei sehr unwirklich, fast theaterhaft, wie die Akteure einzeln vortreten und ihren Text aufsagen, aber sehr überzeugend.

Am Ende kommt natürlich alles ans Licht, die Lösung des Falles und die eingeschlossenen Überlebenden. Mir war die Auflösung zwar etwas zu einfach, aber das macht nichts beim sehr genauen, gut inszenierten Saarbrücker Tatort in Folge 3 nach Palü.

[Erstsendung: 14. September 2008]

Polizeiruf 110: Taximord (MDR)

Donnerstag, 25. September 2008

Ohoho. Ein ziemliches Geschmücke und Geschneider mal wieder, nichts besonderes also aus Halle. Man schleppt sich etwas durch einen Film, in dem es um den Mord an einer Taxifahrerin geht. Diese hat zusammen mit den anderen Firmenmitarbeitern als Drogenkurier gearbeitet. Dabei haben sie versucht, ihren Auftraggeber aufs Kreuz zu legen. Leider ist die Handlung ein meinem Kopfe aber auch nur noch bruchstückhaft vorhanden — ich bin nicht rechtzeitig zum Aufschreiben gekommen. Wenn mir jemand helfen könnte? Irgendwie war Schmückes Teehändler, der permanent in die Handlung drängt, beteiligt. Wer aber hat nun warum die Taxifahrerin ermordet?

[Erstsendung: 7. September 2008]

Tatort: Blinder Glaube (RBB)

Dienstag, 2. September 2008

Berlin bleibt beim Thema: Wirtschaftskrimi. Das ist auch ok, denn hier können sie noch viel bessermachen.

Gut: Jörg Gudzuhn, Ernst-Georg Schwill und die Handlungsorte — Forschungsministerium, Wissenschaftsstadt Adlershof, Friedrichstraße, Humboldthafen.

Solide: die Kommissare, gespielt von Dominic Raacke und Boris Aljinovic sowie die Kamera (Wolf Siegelmann). Raacke, dessen Machohaftigkeit ich anfangs immer ein bißchen übertrieben fand, hat inzwischen das richtige Maß gefunden.

Die Geschichte: mäßig. Nicht ganz, die Überkreuzverstrickungen (der fiese Geschäftsführer ist einerseits mit der Tochter des Professors verlobt und hat andererseits ein Verhältnis mit seiner Frau) sind ja ganz hübsch. Auch gibt es Vetternwirtschaft bei der Vergabe von Forschungsgeldern. Daß langjährige Bekannt- und Freundschaften hier eine Rolle spielen und Ministeriumsangestellte in einer Zwickmühle sein können, stimmt sicher. Die Suggestion der blinden Versuchsperson, die wieder sehen möchte, ist eine hübsche Idee. Aber einen Mord unter Wissenschaftlern wegen gefälschter Ergebnisse in einem Acht-Millionen-Projektes finde ich dann doch etwas unglaubwürdig. Auch das Angeben mit Doktortiteln ist etwas übertrieben, wie überhaupt das ganze Thema (Geldvergabe in der Forschung) etwas zu geheimnisvoll daherkommt.

Unterirdisch: Witze und Slapstickeinlagen (Sektkorken ins Auge von Ritter, Stark mit dem Fuß im Wassereimer, der Abschlußwitz mit dem Chef, der mit Insiderwissen spekuliert hat).

Inzwischen Running Gag in der ARD: Ärzte mit überklebten Äpfeln auf Macs.

[Erstsendung: 31. August 2008]

Polizeiruf 110: Verdammte Sehnsucht (RBB)

Montag, 25. August 2008

Der Film lohnt sich wegen des wunderbaren Auftrittes von Gabriela Maria Schmeide im letzten Drittel. Sie wird von der Kommissarin in einer Pension aufgespürt, in die sie sich verwundet zurückgezogen hat, nachdem sie von den Klassenkameraden ihres Geliebten vergewaltigt wurde und seinem Tode zusehen mußte.

Der Rest allerdings zieht sich ganz schön — sehr schleppende Handlung und teilweise abgelesen klingende Dialoge. Der Film spielt größtenteils auf einem Eliteinternat (ein reines Jungsinternat — gibts sowas?) und dieses Setting hat die Macher (Stefan Rogall/Bodo Fürneisen) ganz schön zu Klischees verführt (reiche Snobs gegen bodenständige Angestellte).

Der RBB schreibt:

An der Seite herausragender populärer Darsteller spielen Vertreter der jungen deutschen Schauspielelite.

Leider merkt man den Unterschied zwischen den herausragenden populären Darstellern (Nina Petri, Michael Brandner, Hans Werner Meyer und eben Gabriela Maria Schmeide) und der jungen deutschen Schauspielelite gar zu deutlich. Letztere neigt ziemlich zum Overacting, was vermutlich gar nicht ihre Schuld ist, sondern auch von der Regie abhängt.

[Erstsendung: 24. August 2008]

Tatort: In eigener Sache (SWR)

Montag, 18. August 2008

Nach dem etwas faden ersten Fall kommt Schwung in den neuen Stuttgarter Tatort. Der Film beginnt mit einer Schießerei im Hotelzimmer, ausgelöst von der Drogenfahndung. Bei dem nicht abgesprochenen Einsatz sterben Polizist und ein Dealer; ein verdeckter LKA-Ermittler wird schwer verletzt. An seinem Körper wird ein Aufnahmegerät mit durchtrenntem Draht gefunden. Und so wird dieser Film zu einem hübschen Puzzle, in dem das Geschehen im Zimmer aus den unvollständigen Aufnahmen rekonstruiert wird.

Das ist nötig, weil auch die beteiligten Polizisten ihre eigenen Pläne verfolgen und nicht die Wahrheit sagen. Aber nicht nur sie, auch eine abhängige Kleindealerin hat versucht, LKA und Drogenfahndung bei ihren Eitelkeiten zu packen und zu steuern. Und so muß sie und die Drogenfahnder, die ihre Aussagen offensichtlich abgesprochen haben, dazu gebracht werden, die Wahrheit herauszurücken. Das geschieht einmal direkt und einmal hinterlistig.

„In eigener Sache“ hat eine sehr überzeugende Geschichte (Buch: Holger Karsten Schmidt) zu erzählen, die auch sehr auch gut umgesetzt ist (Regie: Elmar Fischer). Die Schauspieler sind bis in die Nebenrollen richtig gut (hübsch: Miranda Leonhardt und Jürgen Hartmann als Dialektsprecher mit Schlafzimmerblick). Anstrengend sind allerdings die Musik, die vieles zukleistert und der Ton, der die Sprache hin und wieder unverständlich werden läßt. Irgendjemand scheint bei manchen Tatorten am Ende der Produktion noch mal so richtig die Bässe aufzudrehen.

Die Auflösung fand ich persönlich etwas fade, das schadet dem Film aber kaum. Bißchen doof allerdings, daß hier (und an anderen Stellen) sichtbar Zeit geschunden wurde, um auf 90 Minuten zu kommen. Kann man doch auch einfach den Tatort kürzer machen, wenn’s nicht reicht.

Ein Stuttgarter Drogenfahnder, verheiratet, zwei Kinder, bekommt 1800 € netto. Puh.

Interessant ist die Pressediskussion um fehlende Ortsverbundenheit des neuen Stuttgarter Tatorts, benennt sie doch weniger eine Schwäche des jetzigen Teams, sondern zeigt mit Abschiedsschmerz, wie außergewöhnlich gut und sicher die Bienzle-Tatorte waren.

[Erstsendung: 17. August 2008]

Polizeiruf 110: Rosis Baby (BR)

Montag, 4. August 2008

[Spoiler-Warnung: Ein Teil der Lösung wird am Ende verraten.]

Vorher steht in der Zeitung, es ginge um Behinderte und Sexualität. Gedacht: Ganz toll. Das wird doch wieder so ein Mitleidsding ohne viel Handlung.

Der Film beginnt mit einem Streit zwischen zwei Frauen in einer Autobahnraststätte. Eine verläßt den Raum und wird später niedergeschlagen. Die andere wartet, bis die Polizei am nächsten Morgen kommt. Worum es im Film geht: Die wartende Rosi Drechsler (Juliana Götze) hat das Down-Syndrom und ist schwanger. Ihre Mutter war mit ihr auf dem Weg zur Abtreibung gegen ihren Willen.

Es stimmt: Der Krimi selbst tritt an einigen Stellen etwas in den Hintergrund. Ansonsten ist „Rosis Baby“ ein ganz phantastisches Fernsehspiel geworden (Buch: Matthias Pacht, Alex Buresch, Regie: Andreas Kleinert). Sexualität und Schwangerschaft bei geistig Behinderten sind Sujets, die bei vielen Menschen von Ängsten besetzt ist. Nun können sich Filmemacher (und das passiert in der ARD leider hin und wieder) mit dem erhobenen Zeigefinger hinstellen und auf die Probleme der Gesellschaft hinweisen und das war’s dann.

Zum Glück geschieht dies hier nicht. Mit dem zynischen Jürgen Tauber (Edgar Selge) und der bemutternden Jo Obermaier (Michaela May) gibt es in München zwei eingeführte gegensätzliche Figuren, die sich dann auch ganz wunderbar am ganzen Klischeeprogramm abarbeiten. Das geht von Verachtung („Na sauber, ein Mongo.“) über Mitleid, das Leugnen der Behinderung Taubers (ihm fehlt ein Arm), Idealisierung, Unterschätzung bis zur Verharmlosung der Behinderung.

Am wunderbarsten ist die schauspielerische Leistung. Am meisten beeindruckt die Darstellerin von Rosi, Juliana Götze, die überzeugend die Schwangere spielt, die ihre Mutter sucht und einen Vater für das Kind. Am ergreifendsten spielt sie im Paar, einmal mit ihrem Liebhaber Claus Born (Sven Hönig), ein anderes Mal mit Kommissar Tauber, der sich mit ihrer Hilfe aus seinem Eispanzer befreit. Und so sind die beiden Liebesszenen — im Kinderzimmer der Halbschwester mit Claus und mit Tauber in seinem Eigenheim — unglaublich anrührend. Sie werden dies auch durch Selge und Hönig als ihre phantastisch spielenden Partner.

Dem Film ist anzumerken, daß sehr viel Aufmerksamkeit auf die Interaktion zwischen den Akteuren in Zweierszenen gelegt wurde. Man hat den Eindruck, daß der Dreh mit der selbst behinderten Juliana Götze etwas Besonderes war. Einige Szenen wirken improvisiert, theaterhaft. Das schadet dem Film jedoch nicht, es macht ihn im Gegenteil sehr lebendig. Hübsch irritierend, wie das körperliche Näherkommen zwischen Kommissar und Verdächtiger nicht in einem Take gedreht wurde, sondern immer wieder durch Schnitte unterbrochen ist.

Völlig erschreckend dann das Ende: Rosis Vater fährt mit ihr in eine tschechische Abtreibungsklinik, die Polizei folgt ihr. Sie kommt auf den OP-Tisch und der geübte Polizeiruf-Zuschauer erwartet eine Rettung in letzter Sekunde mit Strafpredigt und Abschlußwitz. Aber die Abtreibung und anschließende Lüge gegenüber Rosi bleiben uns nicht erspart — und hinterlassen einen sehr bitteren Nachgeschmack. Richtig gemacht.

Wer mehr von Juliana Götze sehen möchte, kann sie und andere sehr gute Schauspieler und Musiker regelmäßig im großartigen Theater Rambazamba in der Berliner Kulturbrauerei erleben. Theater von geistig behinderten Künstlern, das klingt nach Kuchenbasar bei der Volkssolidarität. Es hat aber nichts davon. Es ist so gut wie dieser Film.

[Erstsendung: 3. August 2008]

Schimanski: Schicht im Schacht

Dienstag, 22. Juli 2008

Eine Braut wird mit Genickbruch und Schlüpfer im Mund auf einer Hochofentreppe gefunden. Drei zerrüttete Männer und eine Frau teilen ein altes Geheimnis, das mit einem ungelösten Fall Schimanskis zusammenhängt: Vor Jahren war schon einmal eine Frau ähnlich drapiert tot aufgefunden worden.

Das sollte wohl ein Geburtstagsgeschenk für Götz George werden: Ruhrpottromantik, Erinnerungen an die alten Zeiten, als man im Arbeitskampf noch zusammenstand, rote Nelken, Schimis Jacke und eine eingetretene Tür.

Leider litt der Film dann doch erheblich darunter: hinter vielen Szenen konnte man die Absicht der Macher (Thomas Jauch, Jürgen Werner) sehen. Die Zitate hatten keine weitere Funktion als Zitat zu sein. Die Handlung war etwas wirr und bemüht.

Aber die Schauspieler waren durchweg gut, besonders Max von Pufendorf als Junkie hat mir sehr gefallen.

[Erstsendung: 20. Juli 2008]

Tatort: Ausweglos (MDR)

Montag, 7. Juli 2008

Herrjeh. Das hatte so schön angefangen in Leipzig mit dem ersten Fall mit Keppler (Martin Wuttke) und Saalfeld (Simone Thomalla): viel von Leipzig und eine ganz vernünftige Geschichte.

In „Ausweglos“ ist immer noch viel von der Stadt zu sehen. Sonst jedoch: unplausible Geschichte um Leihmutterschaft, wenig Interesse am Fall, viel Gefühlsduselei, Musiksauce und verhaltenes Spiel. Logische Fehler – z.B. wird eine Blutspur der toten Mutter und nicht ihrem verschwundenen Säugling zugeordnet, weil sich in dem Blut ein Medikament findet, das nur für Erwachsene zugelassen ist. Währenddessen ist man vor allem damit beschäftigt, der Polizei beim Denken zuzuschauen. Und das dauert … Vielleicht haben sich ja nach der ersten Folge die Sodann-Liebhaber beschwert, daß es zu schnell geht.

Was Heike Huppertz in der FAZ zu ihrer euphorischen Kritik bewogen haben mag, kann man nur spekulieren. Ich hoffe nicht, daß es daran lag, daß Kommissar Keppler in der Straßenbahn die FAZ-Medienseite in die Kamera hält.

[Erstsendung: 6. Juli 2008]

Polizeiruf 110: Keiner schreit (MDR)

Sonntag, 1. Juni 2008

Halle in konstanter Qualität: Behäbigkeit in Großschrift.

Gut einzig Leonard Carow.

[Erstsendung: 1. Juni 2008]

Tatort: Todesstrafe (MDR)

Mittwoch, 28. Mai 2008

Neue Kommissare (gespielt von Martin Wuttke und Simone Thomalla). Gedreht an Originalschauplätzen.

Also, ich muß schon sagen. Es mäkeln zwar alle, zum Beispiel darüber, daß niemand sächsisch sprach. Aber erstens stimmt das nicht — ein Streifenpolizist durfte — und zweitens hebt sich der neue Leipziger Tatort sehr erfrischend von Sodanns und Lades bisherigem Altmänner-Gequackel ab. Das West-Feuilleton vermißt zwar das spezifisch Ostdeutsche, aber es mußte einem als Ossi schon ziemlich peinlich sein, immer mit diesen Langweilern assoziiert zu werden.

Vor allem aber zeigt der Tatort jetzt ein Leipzig, wie man es aus dem echten Leben kennt. Die alten Kommissare Ehrlicher und Kain ermittelten ja ausschließlich in der (kaum vorhandenen) Leipziger Oberschicht und zeigten von der Stadt nur Standortreklame, abstruse Villenvororte und Annekathrin Bürger im Magapon. „Todesstrafe“ hingegen setzt fast ausschließlich auf sehr typische Orte* (und die Straßenbahn) und inszeniert diese sorgfältig und gekonnt, so daß man hoffen kann, daß — ähnlich wie beim Münchner oder Stuttgarter Tatort in ihren besten Zeiten — auch hier die Stadt und ihr Leben eine größere (und realistischere) Rolle spielen werden. Insgesamt ist alles viel dichter am Leben als in den letzten Jahren des MDR-Tatortes.

Hinzu kommen gute Dialoge, Rhythmus (immer ganz wichtig) und tolle Schauspieler (u.a. Oliver Breite und Roman Knižka — jetzt mit Bart). Die Handlung ist nun nicht besonders atemberaubend — jemand wird umgebracht, weil er im Verdacht steht, Kinder zu mißbrauchen, er wars aber nicht. Jedoch ist das alles glücklicherweise ohne Pathos und sehr solide inszeniert, mit Leidenschaft gespielt und in der ersten Folge (und solche haben wir ja oft in diesen Tagen) muß es ja auch darum gehen, die neuen Ermittler einzuführen. Das gelingt auch gut — die Idee, ein geschiedenes Paar zusammenarbeiten zu lassen gibt Wuttke und Thomalla die Möglichkeit, viel mit scheinbar unscheinbaren Bewegungen und Gesten zu arbeiten und sie nutzen diese dann auch sehr gut und präzise.

Bleibt nur die Frage, was der MDR mit seinem Stammpublikum ohne Sodann, Lade und das ganze Geoste macht. Immerhin gibt es für die ja noch manchmal den Polizeiruf aus Halle.

*Am besten finde ich ja, daß das Kommissariat in der riesigen wunderschönen Konsumzentrale ist. Vielleicht finden sich ja jetzt auch ein paar Mieter — die sieht immer so traurig aus, fast leer, wie sie ist. Die Konsumzentrale wurde 1929–1932 von Fritz Höger gebaut, von dem auch das Chile-Haus in Hamburg ist.

[Erstsendung: 25. Mai 2008]

Tatort: Krumme Hunde (WDR)

Dienstag, 20. Mai 2008

Viel zu sagen ist nicht: ein paar ganz hübsche Dialoge und Axel Prahl, ansonsten aber bleibt Münster klamottenhaft, übertrieben gespielt und mit nicht ernstzunehmender Handlung. Die ganze Rappelkiste mit ihren Macken — der eitle Professor Boerne, seine kleinwüchsige Assistentin Alberich, die Staatsanwältin mit der Reibeisenstimme, Thiels Kiffer-Vater — wird in dieser Folge ergänzt durch Boernes reichen Schwerenöter-Onkel, seine habgierige Kusine sowie eine sächselnde Hippie-Tante als Thiels neue Stiefmutter.

Nicht lustig.

[Erstsendung: 18. Mai 2008]

Tatort: Der frühe Abschied (HR)

Montag, 12. Mai 2008

Morgen früh, wenn Gott will …

Herzzerreißende Geschichte um tote Kinder mit wirklich gutem, ernstem Schauspiel (vor allem Lisa Hagemeister und Tom Schilling), ein paar unlogischen Stellen und — im Tatort eher ungewöhnlich — am Ende ohne nachgewiesenen Mord.

Gut.

[Erstsendung 12. Mai 2008]

Tatort: Exitus (ORF)

Montag, 5. Mai 2008

Ein paar hübsche Dialoge, gute Schauspieler (sehr schön neben Krassnitzer: Heribert Sasse, Huber Kramar, Peter Lerchbaumer (bekannt aus dem Frankfurter Tatort — spricht aber auch Wienerisch!), Johann Adam Oest), schöne Musik und Wiener Schmäh und Morbidität.

Die Story hingegen etwas dahergeholt: Leichen verschwinden aus der Pathologie, weil Versicherungen sie für Crash Tests benutzen. Und wiewohl die Vermutung recht früh geäußert wird, dauert es sehr lange, bis die Taten aufgeklärt werden.

[Erstsendung: 3. Mai 2008]

Tatort: Der oide Depp (BR)

Mittwoch, 30. April 2008

Das ist schon hübsch inszeniert: Ein Mord an einer Prostituierten (und wie sich später herausstellt, war sie nicht die einzige) aus den sechziger Jahren wird neu aufgerollt. Der Fortschritt der Ermittlungen wird begleitet von Rückblenden nach damals. Diese wiederum sind mit sehr großem Aufwand, den man eigentlich nur bei Kinofilmen erwarten würde, inszeniert: Schwarz-weiß wurde das München der Sechziger im Studio nachgebaut, alte Autos wurden besorgt und das ganze ist sehr klassisch, noir gefilmt.

Es wird sehr klassisch ermittelt in diesem Fall. Als Nachfolger vom Menzinger bekommen Batic und Leitmayr den „oiden Depp“ Sirsch an die Seite. Sirsch (Fred Stillkrauth), der keinen Computer bedienen kann und auf der Arbeit Bier trinkt, schafft es in seiner Unbeholfenheit, die Ermittlungen zu steuern und schnell wird klar, daß er etwas mit dem Falle zu tun hat. Als Gegenspieler tritt der Zuhälter Roy Esslinger (Jörg Hube) auf. Dieser ist (wie alle Figuren in diesem Film) ganz wunderbar gespielt. Und wie so oft in München sind die kleinen Spitzen und Übertreibungen hübsch gesetzte Punkte am Rande, die den Fall nicht dominieren.

Insgesamt also eine sehr runde Sache (Regie: Michael Gutmann, der unter anderem mit Hans-Christian Schmid „23 — Nichts ist wie es scheint“ geschrieben hat), wenn auch die Auflösung nicht besonders originell daherkommt.

[Erstsendung: 27. April 2008]

Tatort: Müll (WDR)

Sonnabend, 26. April 2008

Eine Gruppe alter Zausel frühmorgens auf einer Müllkippe. Sie sammeln ein, was noch verwertbar ist und fliehen, als eine meterhohe Stichflamme ausbricht. Die Flamme kam von einer Frauenleiche ohne Kopf und Arme, die also schlecht zu identifizieren ist.

Zwei Frauen werden vermißt: die Sekretärin des Müllunternehmers und die Mutter eines Jungen (wie immer toll: Frederick Lau), der in einer Gärtnerei lebt. Sein Vater (Wotan Wilke Möhring) hat eine neue Geliebte, die ein Problem mit der Familie hat. Außerdem gibt es noch heftige Verstrickungen des Müllunternehmers (klar, wir sind in Köln): er ist vor Jahren erpreßt worden und hat illegal radioaktiven Müll gelagert. Sein Anwalt steckt auch auch ganz tief drin in der Müllmafia.

„Müll“ besteht durchweg aus guten Bildern und tollen Schauspielern, auch die Nebenhandlung mit dem Messie und der NSU Quickly kommt gut daher. Allerdings hat man als Zuschauer die Lösung (die neue Geliebte und Täterin gibt als DNS-Probe der verschollenen Mutter ihre eigenen Haare, die natürlich nicht zur Leiche passen) schon ziemlich früh raus und muß noch eine halbe Stunde warten, bis die Polizei dahinterkommt.

[Erstsendung: 20. April 2008]

Polizeiruf 110: Wie ist die Welt so stille (BR)

Dienstag, 15. April 2008

Ja.

Eine Familie (Eltern und erwachsener Sohn) liegt brutal erschlagen in ihren Betten. Und während die Presse das ganze Programm fährt, wird Tauber schlecht. Er kriegt die Bilder nicht mehr aus seinem Kopf, weigert sich, die Fotos anzusehen und kann nicht schlafen. Er stürzt sich in die Arbeit und trinkt Koffein-Drinks (in einem amerikanischen Krimi hätte er wohl Speed genommen).

Es ist mal wieder der Streit zwischen der Vernunft, der Ermittlung, wie sie im Buche steht und Taubers genialen Ein-Mann-Methoden. Natürlich macht er dabei einen Fehler nach dem anderen, verstrickt sich und bricht irgendwann weinend in einer Kaffeelache zusammen.

Bis dahin haben wir einen bunten Reigen von Verdächtigen vorgeführt bekommen (wunderbar gespielt: der trinkende Bruder der Toten). Einen von ihnen treiben Taubers Fehler in den Tod: er soll so richtig unter Druck gesetzt werden und so macht die Polizei seine versteckte homosexuelle Beziehung zum Mordopfer öffentlich.

Nach dem Zusammenbruch sitzt Tauber am See, genießt die Behandlung in der Kurklinik („Wir müssen nur aufpassen, daß das Drogendezernat nichts davon mitbekommt.“) und ärgert seine Kollegin mit beißenden Bemerkungen („Mist, zuviel gewollt.“).

Insgesamt: großartige Bilder (Kamera: Matthias Fleischer), Tempo und Rhythmus stimmen (Regie: Alain Gsponer), vor allem aber die Musik (feine Variationen auf das Lied aus dem Titel — Marius Felix Lange) ist ganz wunderbar. Nettes Detail: Das Stoiber-Foto im Arbeitszimmer des unsympathischen Staatsanwaltes.

Man könnte kritisieren, daß die Münchner Polizeirufe sich zu sehr um die Person Taubers drehen und sich dabei Wiederholungen einschleichen. Aber das ist ja auch der Grund, warum Edgar Selge im nächsten Jahr leider aufhört und ich mags dennoch.

Was allerdings wirklich etwas bemüht zufällig daherkam war die Rettung des Falles durch einen Bauern, der die Tatwaffe beim Pflügen ausgräbt. Aber der Film rettet sich dann doch noch in ein fulminantes Doppelverhör: der leugnende Täter und seine Freundin, die ihm das falsche Alibi gab, bekommen live vorgespielt, was der jeweils andere für Schlechtigkeiten auspackt.

[Erstsendung: 13. April 2008]

Tatort: Schatten der Angst (SWR)

Montag, 7. April 2008

Ein türkischer Unternehmer wird vorsätzlich überfahren. Die Ermittlungen decken ein Familiengeflecht auf, in dem die Ehefrau ein Kind von einem anderen Mann bekommt und der Schwager des Toten nicht gut auf diesen zu sprechen war und außerdem nebenher Anabolika an Fitneß-Studios vertickt.

Aber ach. Ich war am Sonntagvormittag in „No country for old men“ und der ist schon langsam inszeniert. Dieser Tatort jedoch ist so langsam, daß man sich den größten Teil der Zeit langweilt.

[Erstsendung: 6. April 2008]

Tatort: Erntedank e.V. (NDR)

Mittwoch, 2. April 2008

Nach „Wem Ehre gebührt“ der zweite Hannover-Tatort von Angelina Maccarone (Buch und Regie):

Eine gräßliche Anbiederung an Frank Schirrmacher in den Farben von Doris Dörrie. Charlotte Lindholms Baby ist da, in ihrer Freizeit befaßt sie sich mit Hirnforschung (oder dem, was das Buch darunter versteht), wird von ihrem überheblichen Chef des Kindes wegen am Arbeiten gehindert und ermittelt wild in einer Kleingartensiedlung herum (hier sind alle Gärtner und so wurde der Mord auch quasi gemeinsam begangen).

Diese Sauce wird begleitet von heftigen Bonbonfarben und einer Musik, die direkt aus der deutschen Komödie der Neunziger zu stammen scheinen.

Kraß.

[Erstsendung: 30. März 2008]

Tatort: Seenot (SWR)

Mittwoch, 2. April 2008

Drogenschmuggel über den Bodensee, viel Wasser, viel Ermittlung, ganz solide für Konstanzer Verhältnisse, wenn auch immer noch recht viel gemenschelt wird.

Ganz schön viel Mercedes-Benz.

[Erstsendung: 23. März 2008]

Tatort: Tod einer Heuschrecke (RBB)

Donnerstag, 20. März 2008

Wirtschaftsthemen kommen öfter vor beim Berliner Tatort. Dagegen ist im Prinzip auch nichts einzuwenden — allerdings begehen die Autoren hier immer eine Gratwanderung: sie müssen Komplexität reduzieren, um im Neunzig-Minuten-Format auch noch Handlung unterbringen zu können. Das kann langweilig sein; in „Tod einer Heuschrecke“ wiederum ist diese Reduktion so konsequent durchgezogen, daß man von Anfang an nicht auf die Idee kommt, der Film könnte etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben.

In einem Nobel-Club stürzte ein amerikanischer Hedge-Fonds-Manager („Die Heuschrecke“, spricht breites Deutsch-Amerikanisch wie Kinder es gern tun) vom Balkon. Es gibt: eine verschmähte Liebe, einen Betriebsratsvorsitzenden auf Abwegen, sinistre Chinesen, eine zwielichtige Dolmetscherin und einen Hacker mit Eifersuchtsmotiv. Der blickt finster drein, telefoniert mit Headset und haut ab als die Bullen kommen. Sie finden ihn natürlich in der C-Base, er gibt alles mögliche zu (Pornos auf einen Bundeswehr-Server geladen zu haben), wars aber nicht.

Am Ende warens die Kollegen, die noch gieriger waren als der tote Wilson. Auch wenn der Schluß völlig unglaubwürdig ist, macht das Artifizielle und Gespielte dieses Filmes Spaß. Die Amerikaner sind alle so Amerikanisch, daß man an eine Hommage an die wunderbare Berlingeschichte „Kai aus der Kiste“ denken mag. Die Chinesen werden hofiert und sind höflich aber gnadenlos. Der Betriebsratsvorsitzende erinnert an die VW-Affäre und hat eine kaputte Ehe. Und Dominic Raacke schwärmt mit Katrin Saß von damals, als sie zusammen Winnetou gesehen haben.

[Erstsendung: 16. März 2008]

Tatort: Hart an der Grenze (SWR)

Dienstag, 11. März 2008

Nönö. So kommt das nicht an Bienzle heran, auch wenn die Presse Vorschußloorbeeren gab („Großstadtkrimi“). Richy Müller und Felix Klare sind schon ok als Ermittlerpaar. Und daß in der ersten Folge zunächst die Figuren eingeführt werden müssen, ist auch klar. Aber der Fall selbst gerät dann zu einer langatmigen Geschichte, in der die handelnden Personen dem Zuschauer vor allem erklären, was gerade passiert, was schon passiert ist und was noch passieren wird.

Auch die Hubschrauber- und Autoverfolgungsjagden (Mercedes wird als unverwüstlich in Szene gesetzt, bis hin zum Auslösen des Airbag) waren sicher teuer, wirken aber viel zu explizit und erklärend. Eigentlich passiert nämlich nicht viel.

[Erstsendung: 9. März 2008]

Brahms’ „Die Meere“ und „Der Teufel vom Berg“

Montag, 3. März 2008

Eine sinnvolle Wiederholung: Gestern lief noch einmal der Mitterer-Ausnahmetatort „Der Teufel vom Berg“ mit Harald Krassnitzer, Ulrich Tukur, Susanne Lothar und Robert Stadlober.

Zur Musik, nach der immer noch viel gesucht wird: Das Brahms-Duett „Die Meere“ in der Aufnahme mit Edita Gruberova und Vesselina Kasarova und Friedrich Haider am Klavier gibt es auf „Edita Gruberova Edition Vol. 2 (Adagio – Zwischen Himmel und Erde)“, und die kann man zum Beispiel hier bestellen.

Tatort: Und Tschüß (NDR)

Montag, 25. Februar 2008

Dieser letzte der Hamburger Tatorte mit Robert Atzorn fällt nicht aus der Reihe: Ein an den Haaren herbeigezogenes Drehbuch wird mit dräuender Dramatik und dem Rehblick der Staatsanwältin (Ursula Karven) aufgepeppt. Dazu ein ordentlicher Schuß Pädagogik und der Kommissar, der jedesmal mißmutiger dreinblickt.

Der Lichtblick wie jedesmal: Tilo Prückner als Holicek, der Helfer des Kommissars. Robert Atzorn, der offenbar nur Robert Atzorn spielen kann, gereicht es immerhin zur Ehre, daß er die furchtbaren Drehbücher zum Anlaß nimmt, mit dem Tatort aufzuhören.

Bleibt zu hoffen, daß mit dem neuen Hamburger Kommissar, der von Mehmet Kurtulus gespielt werden wird, auch bessere Geschichten erzählt werden.

[Erstsendung: 24. Februar 2008]

Tatort: Borowski und das Mädchen im Moor (NDR)

Freitag, 22. Februar 2008

Ich war krank und habe vor allem geschlafen in den letzten beiden Wochen. Deswegen erinnere ich mich nur noch wenig an das, was zwischenhin passiert ist, z.B. den exzellenten Tatort „Borowski und das Mädchen im Moor“.

Andreas Schmidt spielt ganz hervorragend den Kaufhausdetektiv Klaus Raven in Geldnöten, der von der sechzehnjährigen Belinda reingelegt wird und sie in Angst tötet. Es beginnt eine Geschichte um die Suche nach der Leiche im Nebel, in der sich Raven und Borowski als Gejagter und Jäger mehrfach begegnen und durch Bluffs der Wahrheit immer näher kommen. Außerdem begegnet Borowski im Nebel einem Wolf.

Sehr gut, aber ziemlich brutal ist die Familienhölle von Raven inszeniert, in der die Tochter auf dem Internat all das haben soll, was ihre reichen Mitschülerinnen haben. Ravens Ehefrau wird von Maria Schrader gespielt und beide zusammen schaffen es, die kaputte Familie hervorragend darzustellen. Am Ende von Ravens Amoklauf bleibt nur die Tochter übrig, die sich wie das siebente Geißlein im Uhrkasten versteckt hielt.

Neben großartigen Schauspielern besticht in diesem Film die fulminante Kamera (Carsten Thiele), die vor allem das Ehedrama in rasanten Fahrten ausleuchtet. Das Drehbuch hat zwar kleine Schwächen (zu viele Zufallstreffer), die räumlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Orten (Kaufhaus, Internat, Wohnhaus der Eltern) und das große Moor dazwischen machen aber Spaß.

[Erstsendung: 17. Februar 2008]