Archiv für die Kategorie „Blätterrascheln“

Zeitunglesen

Dienstag, 17. Juli 2007

Ich bin tatsächlich ein zwanghafter Zeitungsleser. Ich lese den „Guardian“, die „Herald Tribune“ und ich durchforste das Internet. Da meine produktivste Arbeitszeit der Vormittag ist, sind die Zeitungen aber natürlich auch der Feind des Schreibens; das ist immer ein Kampf.

[Ian McEwan, FAZ von Sonnabend, 14. Juli, S. Z6]

Links von Freitag, 13.Juli 2007

Sonnabend, 14. Juli 2007

Gesammelte Links von Freitag, 13.Juli 2007:

Da wird Frau Merkel ein Stein vom Herzen gefallen sein

Mittwoch, 6. Juni 2007

Bob Geldof habe ihr versichert, “daß bei einem solchen Schritt [Erhöhung der Entwicklungshilfeausgaben] er persönlich auf Kritiker wie Herbert Grönemeyer Einfluß nehmen werde, um deren Kritik zu mäßigen”.

Mehdorns Gruft

Donnerstag, 24. Mai 2007

Zuviel Meckern ist nicht gesund und macht vor allem auch keinen guten Eindruck. Wenn man aber die Berliner Planungen miterlebt hat und weiß, daß es Alternativen gegeben hätte, dann kann man manchmal nicht anders als wehmütig-wütend sein. Eine sehr gute Architekturkritik des neuen Lehrter Bahnhofes schreibt Rainer Fischbach in der morgigen Ausgabe des Freitag.

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Ohnehin schon Mitglieder einer Minderheit, erfahren Bahnfahrer in diesem Bahnhof erst recht ihre Bedeutungslosigkeit. Er gibt sich als in Beton, Stahl und Glas verdichtete Verachtung ihrer wesentlichen Bedürfnisse zu erkennen.

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Um die drei Ladenetagen zu ermöglichen und, ein durch die Planung selbst generierter Zwang, die Spree zu unterqueren, mußte das Nord-Süd-Gleis 15 Meter unter die Erde verlegt werden – mit den bekannten kostentreibenden und bauzeitverlängernden Folgen. Dabei wies das Gelände an Gleisdreieck, Potsdamer Platz, Tiergarten, Spreebogen und Spandauer Schiffahrtskanal, durch das die Nord-Süd-Verbindung führt, zum Konzeptionszeitpunkt keine Bebauung auf, die einer oberirdischen Anlage im Wege gestanden hätte.

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Hierzu ist vielleicht noch anzumerken, daß der Tiergartentunnel die Verwirklichung eines Teils der umstrittenen Planung für die Auto-Westtangente ist und die Bahnlinie durch den Tunnel in den Neunzigern auch als Argument gegen die Kritiker dieser Planung herhalten mußte.

Die heutigen Reisenden baden also auf ihren Umwegen gleichsam ein Stück Berliner Streitgeschichte aus.

Allerdings ging es in den damals besprochenen Alternativen weniger um eine oberirdische Streckenführung durch den Tiergarten als eher um ganz andere Verläufe.

Keine Autobahn in Treptow, kein Flughafen in Tempelhof

Montag, 14. Mai 2007

Die Taz lügt nicht immer. In der morgigen Ausgabe gibt es einen hübschen Text über Harald Moritz, der den Widerstand gegen die Autobahn durch Treptow organisiert.

Außerdem gibt es eine Bürgerinitiative, die sich für eine sinnvolle Nachnutzung des Tempelhofer Feldes einsetzt und gegen einen Weiterbetrieb als Flughafen. Am 23. Mai gibt es eine Führung, für die man sich noch bis übermorgen anmelden kann.

Taz fährt Bus

Sonntag, 6. Mai 2007

Eigentlich lese ich die Taz ganz gerne, weil man ihr anmerkt, daß dort mit Leidenschaft geschrieben wird. Daß sie nicht die ganze Themenbreite der FAZ, der Süddeutschen oder der NZZ abdeckt, kann man daher leicht hinnehmen. Bei den Zeitungen mit Berliner Regionalteil spielt sie (seit der Einstellung der Berliner Seiten der FAZ) locker an vorderster Stelle mit. Eines der Highlights morgen wieder: Freibank — der lange Text von Gabriele Goettle.

Was mich dann aber doch ärgert sind betont zeitgeistige Texte, die seit etwa 8 Jahren immer mehr werden, in denen auf eine distanzlos-kumpelhafte Art versucht wird, augenzwinkernde Nähe zum Leser herzustellen. Texte, denen man anmerkt, daß es schnellgehen soll; Texte, die sich nicht durch auf Recherche gründende Sorgfalt auszeichnen, sondern solche, die dem alternden Leser auch nach Jahren klarmachen sollen, daß man doch gemeinsam auf der richtigen Seite steht.

Andreas Becker habe ich hier neulich schon erwähnt mit seiner lockeren Bemerkung zur Politikabsenz in der heutigen Zeit. Jetzt ist er (er nennt sich im Text allerdings „man“) Bus gefahren — dort, wo der gewöhnliche Kreuzberger das Grauen vermutet: in Marzahn. Und hat — wer hätte das gedacht — ein Klischee neben dem anderen entdeckt: vom Rentner bis zum ungebildeten Mädchen, das den Flughafen Tempelhof für klassizistisch hält.

Ich weiß nicht, ob ich da zu streng bin, aber neben den anderen Belanglosigkeiten finde ich es wirklich eine unglaubliche Entgleisung, wenn da die Rede ist von der

Hochschule mit dem Faschoprovonamen “Alice Salomon”.

Immerhin wurde die Schule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik von Alice Salomon gegründet. Und ja, wie der Name vermuten läßt, war sie Jüdin und mußte nachdem sie aus ihren Ämtern gedrängt wurde, emigrieren. Lustig geht irgendwie anders.

Immerhin scheint die Taz nicht einmal das Fahrgeld nach Marzahn für Andreas Becker zu haben — vielleicht wäre es schöner, wenn andere Menschen nach Marzahn führen.

Aber dennoch hat sich Bolle?

Montag, 30. April 2007
Vor dem Schlesischen Tor, vorm Heinz Minki
Heute Mittag vorm Heinz Minki

Nach dem Artikel in der FAZ über das Bollegrundstück heute in der Taz ein Interview mit dem damaligen Brandstifter, der später 750 Brandstiftungen gestanden hat und jetzt im Maßregelvollzug sitzt:

[…]

Dann haben einige Leute Molotow-Cocktails in den Laden geschmissen. Ich habe mir gedacht: So funktioniert das nicht. Das verursacht doch keinen großen Schaden. Ich werde denen mal zeigen, wie man es richtig macht.

[…]

Das Leben in der Klapsmühle hat mich politisiert. Egal, ob es sich um Brandstifter, Sexualstraftäter, Mörder oder Kleptomanen handelt – man steckt sie hinter Mauern und vergißt sie. Es ist viel schlimmer, als im Knast zu sein. Man weiß nie, wann man rauskommt. Wenn ich 15 Jahre Knast bekommen hätte, wäre ich längst draußen.

[…]

Von Bolle zur Moschee

Sonnabend, 28. April 2007

Lesen Sie heute, FAZ S. 3, einen ganz großartigen Text von Iris Hanika über die Geschichte des Bolle-Grundstückes Wiener Straße 1–6, auf dem zunächst eine Apotheke, dann ein Wohn- und Fabrikhaus stand, nach der Kriegszerstörung ein Kino errichtet wurde, aus dem später der Bolle wurde, der am 1. Mai 1987 verbrannt und geplündert wurde und auf dem nun eine Moschee errichtet worden ist.

An diesem Grundstück wird herrlich viel Stadtgeschichte der äußeren Luisenstadt ausgebreitet, ein Text, der unglaublich viel Recherche erfordert haben muß und dennoch ganz wunderbar leicht erzählt ist.

Taz lügt: Keine Autobahn durch Treptow

Mittwoch, 25. April 2007

Dieser Taz-Artikel ist ein Ärgernis: ignorant, nostalgisch, selbstzufrieden heißt es in Erinnerung an stürmischere Zeiten:

Heute wird eine Autobahn zum Ostkreuz quer durch ein Laubenpiepergebiet und den Treptower Park lautlos beschlossen und gebaut. Damals aber stand “BI” noch für “Bürgerinitiative” und nicht für irgendwas mit Sex.

Andreas Becker, der Autor, will sich also nicht engagieren. Daß die Autobahn schon beschlossen ist, stimmt allerdings nicht. Das Planfeststellungsverfaheren wird Ende des Jahres beginnen. Und die Bürgerinitiativen machen jetzt mobil: für eine Klage werden Spenden gesammelt, außerdem soll Druck auf die Politik ausgeübt werden.

Die Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) informiert am kommenden Sonnabend, dem 28. April um 15 Uhr auf dem Insel-Markt Alt-Treptow, Karl-Kunger-Straße 56.

Der Autobahnbau ist das letzte große Straßenbauprojekt in Berlin. Die Berliner Landespolitik ist schon deswegen dafür, weil er in großem Maße Bundesgelder nach Berlin bringt. Die Planung geht allerdings am Bedarf vorbei, zerstört das Stadtbild und sorgt für massive Verkehrsprobleme in den betroffenen Gebieten.

Wer die Autobahn verhindern will, kann etwas dagegen tun — auch ohne die Taz.

[„Taz lügt“ war einst ein populärer Slogan.]

Rathgeb bei Genscher

Freitag, 23. März 2007

Das gefällt mir, wenn Texte von Eberhard Rathgeb in der Zeitung stehen. Seltsam schöne Solitäre. Heute schreibt er in der FAZ über die Feier zu Genschers Achtzigstem (gedruckte Ausgabe, S. 37, in einem Café Ihrer Wahl).

Überschriften

Sonnabend, 10. März 2007

Heute auf Seite 1 der FAZ in dieser Reihenfolge:

  • Merkel setzt sich durch „Zwanzig Prozent erneuerbare Energie“
  • Niederschlesien wäre deutsch geblieben
  • Rente mit 67 – Tornados nach Afghanistan

Paraphrase über den Fund eines Handschuhs reloaded

Sonnabend, 17. Februar 2007
Max Klinger: Ein Handschuh (3): Wünsche
Max Klinger: Ein Handschuh (3): Wünsche

Max Klinger würde morgen 150 Jahre alt. Aus diesem Anlaß gibt es in diesem Jahr mehrere wahrscheinlich sehr beeindruckende Ausstellungen in Braunschweig, Chemnitz, Leipzig, Berlin, Aachen, Köln, Zwickau und Großjena.

Ich weise noch einmal auf die kleine Reihe hin, die es hier vor einem Jahr gab sowie besonders auf die FAZ von heute, in der auf Seite 44 drei Grafiken in guter Reproduktion und schön groß abgedruckt sind.

Bus 104

Freitag, 9. Februar 2007

Das wollte ich schon immer mal machen: mit dem Bus 104 von Alt-Stralau nach Westend fahren. In 70 Minuten einmal quer durch die Stadt. Wolfgang Schneider ist die Strecke in der anderen Richtung gefahren und hat seine Erlebnisse aufgeschrieben. Herausgekommen ist ein hübscher Berlin-Text, zu lesen in der FAZ von heute, S. 37. Er ist dann aber auch noch ein bißchen weitergefahren, mit den Bussen 347 und 240.

Nur die von Döblin beschriebenen Schlachthöfe befanden sich wohl nicht wie im Text beschrieben in der Josef-Orlopp-Straße (damals Rittergutstraße), beschrieben wird bei Döblin eher der Zentralviehhof zwischen Storkower und Eldenaer Straße.

Kochstraße: Geschichtsvergessenheit

Sonnabend, 20. Januar 2007

Springer wie taz reicht es nicht, ihre Häuser nach ihren Heroen zu benennen. Es muß die ganze Straße sein, zumindest ein Straßenstück. Das Reststück, das von der alten Kochstraße bleibt, ist nur noch der rote Teppich, auf dem ein paar hundert Meter weiter die Kreuzung Axel-Springer-/Rudi-Dutschke-Straße ihre zeithistorische Pointe als stummes Straßentheater aufführt. Berlin schließt sich immer enger in seine jüngste Vergangenheit ein.

[Süddeutsche Zeitung]

Was für die Kochstraße spricht, steht hier.

Und ganz vergessen hatte ich, daß ich schon vor eineinhalb Jahren mal was dazu geschrieben habe.

Zeitung für alte Säcke will jungen Leuten gefallen

Sonnabend, 2. Dezember 2006

Vor drei Wochen hat die FAZ den Namen der vor einiger Zeit eingeſtellten ehrwürdigen Tiefdruckbeilage wiederbelebt: „Bilder und Zeiten“ heißt jetzt ein Zeitungsteil für die wenigleſenden Mitbürger, der hauptſächlich aus bunten Bildern, viel Durchſchuß und menſchelnder Perſonality beſteht. Die Beilage ſoll die „Lücke zwiſchen Sonntagszeitung und FAZ-Feuilleton ſchließen“. Naja, ſolange das ein Zuſatzangebot bleibt, kann es einem ziemlich egal ſein, obwohl es ſchon ziemlich nach der ZEIT riecht.

Auch damit, daß der Reſt immer bunter wird, kann ich leben. Zumal die Bildredaktion in der Auswahl und vor allem der Anordnung oft grandioſe Arbeit leiſtet.

Aber jetzt paß auf, das hier: FAZ paßt Rechtſchreibung an, faktiſch Donnerſchlag.

Uiuiui, werden da einige ſagen. Obwohl ja, wenn man den ganzen Artikel lieſt, vom Reformwerk nicht mehr viel übrig bleibt, außer daß ſie „daß“ jetzt mit -ſs schreiben.

Und inſofern ist dieser Schritt ebenſo ſcheinheilig und eitel wie der, in den Überſchriften weiterhin Fraktur zu benutzen, aber „zur beſseren Lesbarkeit“ auf das lange ſ zu verzichten. Denn Einheitlichkeit wird ja gerade mit einer weiteren Hausorthographie nicht erreicht.

Zeitungsarchiv

Mittwoch, 6. September 2006

Oha. Der Online-Dienst Google News, der Zugriff auf verschiedene Nachrichtenquellen bietet, erlaubt neuerdings eine Archivsuche. Feine Sache.

Ein erster Blick zeigt, daß man bei den deutschsprachigen Zeitungen ungefähr die erreicht, deren Archiv auch so erreichbar ist, dafür aber auf einen Blick. Eine Ausnahme ist die Taz, deren Archivartikel zwar erreichbar sind, bei der die Archivsuche normalerweise kostenpflichtig ist. FAZ und Süddeutsche fehlen aber zum Beispiel, die New York Times gibt es sogar ab 1851.

[von da]

Zwischenland

Sonntag, 3. September 2006

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Ich kannte diesen horror vacui nicht. Ich war großgeworden in einer Stadt mit grauen Altbauten und Bombenlücken, in denen inzwischen Bäume wuchsen, mit „Altneubauten” aus den fünfziger Jahren und geradezu verschwenderischen Freiflächen zwischen Sechziger- und Siebziger-Jahre-Bauten; in einer Baustellenstadt. Der Beton des Plattenbauviertels war nicht romantisch, aber Heimat.

Wenn wir als Jugendliche herumhängen und einen Hauch Welt schnuppern wollten, fuhren wir zum Alex oder zum Lindencorso. Dort saßen wir am Springbrunnen und ließen die Beine baumeln. Wir träumten nicht von Westdeutschland, von Lübeck oder Düsseldorf. Wir träumten von New York und London und Indien. Hin und wieder auch mal von Buch- und Plattenläden in Westberlin, wenn wir die teuer auf dem Schwarzmarkt erworbene Nina-Hagen-Platte hörten. Westdeutschland war bloß das Ausland nebendran, das nicht weit genug weg war und vermutlich auch ziemlich spießig.

Aber Westberlin, das hörte sich bei Nina Hagen schon aufregender an. Und wenn wir an der Mauer entlanggingen, dachten wir, es müsse schon etwas ungeheuer Aufregendes, Verbotenes, Schillerndes dahinter sein, daß man gemeint hatte, eine solche Wand bauen zu müssen. Es war schließlich die Wand, hinter der die Rolling Stones spielten.

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Der Wahnwitz den die Planung der Neunziger Jahre über Berlin ausgeschüttet hat, wird erst jetzt, wo die Stadt mangels Geld zur Ruhe kommt, langsam sichtbar.

Stadtplanerisch ist es vielleicht ein Glück, daß das Geld jetzt weg ist. Dazu und zum verschwundenen Früher Ulrike Steglich im Scheinschlag.

Mensch Duden,

Donnerstag, 17. August 2006

Du kannst einem schon leid tun. Mit der Reform hamse Dich ganz wuschig gemacht. Erst bekommst Du Deinen Monopolanspruch zur Beschreibung des Sprachgebrauchs weggenommen. Dann mußt Du eine schon gedruckte Auflage komplett einstampfen und bist daran fast eingegangen.

Da verwundert es nicht, wenn Du inzwischen über die Vorschläge der Reformkommission hinausschießt. Daß Du Dir jetzt aber auch von anderen Unternehmen die Sprache diktieren läßt, läßt auf tiefer gehende Verunsicherung schließen.

Mensch Duden! Laß Dich nicht fertigmachen! Wir googeln solange weiter.

Und wer ein gutes Wörterbuch in bewährter Rechtschreibung sucht, dem sei der Ickler empfohlen.

Kriegspropaganda

Donnerstag, 17. August 2006

Klaus-Jürgen Bremm (Historiker in Osnabrück) in einem langen Text über Propaganda im ersten Weltkrieg (FAZ S. 8).

Im Web-Café

Freitag, 11. August 2006

Im Erdgeschoß eines Gründerzeithauses befand sich das Web-Café, Erkelenzdamm 9, 10999 Berlin. Der Ruf seines Konditors sowie des ausgezeichneten Kaffees reichte bis Pankow. Der steirische Koch war berühmt für sein Kalbsfilet.

Im Web-Café lagen die aktuellen Ausgaben der wichtigen deutschen und internationalen Tageszeitungen aus. Hinterließ man beim Kellner eine Liste von URLs, bekam man zusätzlich bei jedem Besuch einen Ausdruck der abonnierten Weblogs im Broadsheet-Format. Auf Wunsch wurden Papier und Füllfederhalter gereicht und man konnte Kommentare zu den entsprechenden Artikeln verfassen, die dann vom Kellner entgegengenommen und weitergeleitet wurden.

Wireless LAN gab es nicht. Am Platze telefonieren galt als unfein, man konnte sich jedoch am Hausapparat anrufen lassen und wurde dann vom Kellner in die Telefonkabine geleitet.

[Daß in einem Nebengelaß an der Steuer vorbei Webstühle betrieben wurden, war jedoch ein unhaltbares Gerücht, in die Welt gesetzt vom mißgünstigen Schwager des Wirtes, der sich mit Mitteln des Arbeitsamtes gegenüber am Segitzdamm als Newsreader selbständig gemacht hatte.]

Konzessionsschulze (veraltend)

Mittwoch, 9. August 2006

Rainer Blasius über die Reaktionen in der CDU auf Brandts Ostpolitik 1970 (FAZ S. 8):

Der F.A.Z.-Mitherausgeber [Jürgen Tern], der Brandts Ostpolitik seit dessen Regierungsantritt mal mehr, mal weniger wohlwollend kommentierte, hielt den Begriff der “Vorleistungen”, den die Opposition verstärkt einsetzte, für gefährlich; da dränge sich nicht bloß wegen der Alliteration die Parallele zur “Verzichtpolitik” auf: “Der derzeitige Bundeskanzler wird dabei als geborener Konzessionsschulze hingestellt — obschon seine politische Laufbahn so ziemlich das Gegenteil erkennen läßt.”

Die Wikipedia im Artikel über Tokenismus:

So war im Deutschen Reich der erzwungenermaßen zugelassene einzige Bürgerliche in sonst adeligen studentischen Corps der “Konzessions-Schulze”.

Ein idiomatischer Begriff für Quotenfrau also, sehr schön das.

Was sonst noch so geschah: Ärgernisse

Sonnabend, 5. August 2006

Am Sonnabend im Büro sitzen, weil andere Mist gebaut haben, macht keine gute Laune. Wenn dabei aber Hubschraubereinsatz durch die leere Büroetage hallt, stimmt das ein wenig milder.

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Der Zwiebelfisch ist ein anmaßendes Ärgernis. Ein Deutschlehrer, der aus dem nur knappen Niveauunterschied zu seinem Publikum furchtbar viel Selbstbewußtsein zieht. Zumal vieles von dem, was Sick schreibt, Unsinn ist. Seine hochnäsige Schleimerei (lies: dem Leser suggerieren, er sei besser als der Rest) ist der von Wischmeyer oder Droste nicht unähnlich.

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Auch ärgerlich: Heinrich Wefing im FAZ-Feuilleton von gestern. Die Neuköllner Baustadträtin Vogelsang hat einen Moschee-Bauantrag nicht genehmigt. Die Verhältnisse in Neukölln sind vielleicht nicht so klar wie in Heinersdorf oder auch nur wie die Taz sie sieht. Aber bei einem so distanzlosen Interview, in dem der Fragende zum Stichwortgeber einer ideologisch einseitigen Politikerin verkommt —

Frage: Ist denn die Islamisierung von Neukölln überhaupt aufzuhalten? Es gibt bereits fünfzehn legale Moscheen im Stadtteil, zudem mehrere illegale Gebetsräume; eine Reihe großer neuer Moscheen ist geplant. Und im Norden des Bezirks sitzen in den Eingangsklassen der Schulen doch längst fast hundert Prozent Kinder nichtdeutscher Herkunft, überwiegend mit muslimischem Hintergrund?

— hilft nur noch Hubschraubereinsatz.

Und nachts machen sie oft Krach

Mittwoch, 19. Juli 2006

Sehr lesenswerter Artikel (kostenpflichtig) von Michael Hagemeister auf S. 7 der heutigen FAZ.

Blogs in China: Subversiv?

Donnerstag, 13. Juli 2006

Die Relevanz deutscher Blogs relativiert sich schnell gegenüber geschätzen 37 Millionen Blogs und 16 Millionen Bloggern in China. Eric Schmidt von Google sagt, daß China den Internetmarkt “noch viele viele Jahre anführen” wird.

Es gibt in China augenblicklich 115 Millionen Internetnutzer. […] Allein 1,5 Millionen spielen das Internetspiel “World of Warcraft”. Im letzten Jahr wurden in China fünfzig Milliarden E-Mails von rund 72 Millionen Häufignutzern hin und her geschickt. Der Chat-Room des chinesischen Internet-Anbieters Baidu erhält täglich fünf Millionen Nachrichten. Und die chinesischen Sicherheitskräfte haben eine elektronische Datenbank, in der sie die persönlichen Daten von 1,25 Milliarden Chinesen verwalten. Sie unterhalten auch eine Cyber-Polizei zur Überwachung des Internets mit 30000 Vollzeitmitarbeitern. [FAZ]

In der FAZ beginnt heute eine Serie über das Internet in China, der erste Teil über Blogs. Und abseits dessen, was in Europa oder Amerika an der chinesischen Entwicklung interessant scheint, nämlich Zensur, geht es vor allem um die Interessen der chinesischen Internetnutzer. Nachdem eine Journalistin mit einem Sex-Blog startete, ist es für viele eine wichtige Motivation, z.B. durch Skandale möglichst schnell bekannt zu werden.

Und auch Angela Merkel ist nicht die erste Staatschefin, die sich regelmäßig im Internet äußert:

Sechzehn Millionen Blogger sind nicht subversiv. So viele Menschen können gar nicht irgendwen oder irgendwas unterminieren. Insofern konnte es nicht verwundern, daß der Nationale Volkskongreß, also das chinesische Parlament, auf seiner diesjährigen Frühjahrstagung im April öffentlich darüber diskutierte, ob es nicht sinnvoll sei, wenn nicht nur Staatspräsident Hu Jintao, sondern auch alle Abgeordneten als Blogger aktiv würden. Bloggen ist in China schon lange keine journalistische Wühlarbeit mehr von unten – falls es das jemals war. Vielmehr ist es zu einer politischen Institutionalisierung von oben umgedreht worden.

“Simplify your soul”

Donnerstag, 6. Juli 2006

Kaube über Kerner.

Fußballdeutschland und die Informationskorruption

Mittwoch, 5. Juli 2006

Ich gebe zu, daß ein großer Teil meiner Sympathie für die deutsche Mannschaft von 2006 von dem Kulturwandel herrührt. Die Nationalmannschaft ist ein ganzes Stück abgerückt von den alten Seilschaften zwischen Beckenbauervöllerribbeck und Bild.

Der Mann, der Klinsmann wegschreiben wollte, heißt Alfred Draxler und arbeitet bei Bild. Klinsmann hatte sich von Beginn an gegen die „Informationskorruption“ ausgesprochen. Auf der anderen Seite gab es von Seiten des Fußball-Establishments und von Bild massive Zweifel an seiner Arbeit. Geschürt werden sollte die kochende Volksseele, als Klinsmann nicht bereit war, seinen Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen.

Am Ende hat Draxler die Leser falsch eingeschätzt. Sein Werdegang und Treiben sowie das Verhältnis zu Jürgen Klinsmann wird in einem sehr interessanten, gar nicht mal so negativen Text von Georg Löwisch in der Taz ausgerollt.

Zeitunglesen (iii)

Montag, 26. Juni 2006

Man soll nicht nur loben, oder: Christian Kortmann, heul doch. Kortmann bejammert soziale Ungerechtigkeit zwischen den einen Akademikern, die in die Toskana fahren und den anderen, die zu hause bleiben müssen.

Das Unangenehme am Hype um das sog. Prekariat ist, daß man das Gefühl hat, hier versuchten Schreiber, ausschließlich aus ihrer (sicher mißlichen) Lebenslage zu extrapolieren. Und während persönliche Texte, wie Horst Freunds Hartz-IV-Dokumentation gerade durch ihren subjektiven Blick auf gesellschaftliche Themen bestechen, ist der durchsichtige Versuch, nur aus dem eigenen kleinen Leben ein soziales Phänomen zu extrahieren, ein bißchen dünne.

Vor allem aber wird dabei meist ausgeblendet, daß (und hier will ich nicht die eine benachteiligte Gruppe gegen die andere ausspielen) von (finanziell schwierigen) Lebenslagen die Rede ist, wie sie Nichtakademiker, vor allem wenn alleinerziehend oder langzeitarbeitslos, wesentlich länger, häufiger und härter treffen.

[Bin immer noch erstaunt, wie tief in der BRD der Graben zwischen Leuten mit und ohne Abitur ist.]

Auch das von Kortmann beschriebene, durch Einkommensunterschiede hervorgerufene Zerbrechen von Freundeskreisen kann man wohl kaum in der Zwangsläufigkeit feststellen, die der Artikel suggeriert. Man fragt sich vielmehr, nach welchen Lebenszielen der Autor strebt.

Vollkommen lächerlich macht er sich, wenn er über Milieus schreibt, zu denen er anscheinend tatsächlich keinen Zugang hat:

So ist einem jungen Informatiker die Lage eines jungen Geisteswissenschaftlers kaum zu vermitteln, da er sich auf einem völlig anderen Lohnniveau bewegt, und die besagten 1.000 Euro, um die viele Berufsanfänger heute kämpfen, um in einer Großstadt zu überleben, für ihn ungefähr der Betrag ist, den er monatlich für Extravaganzen übrig hat.

[Die Zahlen sollte man übrinx mal auf konkrete Städte beziehen: 1000 € in Stuttgart sind etwas ganz anderes als 1000 € in Berlin]

[Und wem’s schlecht geht, der soll laut rufen, klar. Wenn der Ruf aber als Zeitungsartikel daherkommt, will ich als Leser nicht für dumm verkauft werden.]

Zeitunglesen (ii)

Montag, 26. Juni 2006

Der Taz Kulturteil* ist leider etwas unausgegoren. Überwogen früher schwer verdaubare Wüsten im Diederichsen-Stil, sind es heute leider häufig wohlfeile Texte zu Trendthemen.

Ick sach nur Prekariat, ick hör dir trapsen.

Auf der anderen Seite glänzt die Taz durch großartige Leistungen einzelner Autoren. Neben Kathrin Passig, die im Moment völlig zu recht bejubelt wird, Kirsten Fuchs, die man ruhig noch mehr bejubeln sollte und Jochen Schmidt, den man donnerstags bejubeln kann, auch und besonders Gabriele Goettle mit ihren sehr persönlichen und treffenden Reportagen.

Heute über Uta Ludwig, die sich in der DDR den Mund nicht verbieten ließ, nach der Wende ein Frauenhaus in Frankfurt/O. gründete und sich nun um Zwangsprostituierte kümmert.

Zu lang zum Bildschirmlesen. Kaufen oder ausdrucken und ab ins Café, die Sonne scheint!

*Nein, hier fehlt kein Bindestrich.

Zeitunglesen …

Sonntag, 25. Juni 2006

… gehört zu meinen liebsten Entspannungsübungen.

Das Spektrum des FAZ-Feuilletons reicht vom Rechtsaußen (Habermas) Lorenz Jäger bis zum Linksintellektuellen (mit Betonung auf intellektuell) Dietmar Dath. Dazwischen viele ebenso nüchterne wie leidenschaftliche Fachleute wie Dieter Bartetzko oder Christian Geyer. Unvergessen leider auch Spiralblock-Diva Gerhard Stadelmaier, dessen Kritiken zwar inhaltlich immer etwas vorhersehbar, aber von einer kraftvollen, lebendigen Sprache sind.

Und das ist es, was man den Frankfurtern hoch anrechnen muß: die Liebe zur Sprache, zum stimmigen Bild. Der Widerstand gegen die Versuchung, den Leser für dümmer zu halten, als er ist. Der Mut zu langen Texten.

Leider neigt es manchmal zur bemühten Themensetzung, die mal mehr (Hirnforschung, Rechtschreibung), mal weniger (Familienpolitik/Demographie) inhaltlich fundiert ist.

Gern gelesen dennoch, wegen der oft unerwarteten Experimente, wie Rathgebs Text zur Fußballbegeisterung der letzten Woche, wegen Dietmar Dath (immer wieder) und wegen des unglaublichen Wissens, mit dem alltägliche Aufgeregtheiten in viele Jahrhunderte Kulturgeschichte eingeordnet werden.

Und so ist der Hauptvorwurf, den man dem Frankfurter Feuilleton machen kann, daß es nicht mehr davon gibt: die Berliner Seiten werden immer noch schmerzlich vermißt.

Der Chef von’t Janze, Patrick Bahners, fällt allerdings in seinen eigenen Texten oft durch sehr bemühten, manchmal etwas wirren Politikbezug im Stile der unsäglichen Strizz-Cartoons auf. Unlesbar: seine Tatortkritiken. Überraschend spritzig dann aber gestern sein Abgesang auf Sabine Christiansen und ihren Sozius Helmut Falter.

[Aber diese komische Sonntagszeitung — also die ist ja fast so schlimm wie die Zeit]

Och nöh, FAZ!

Freitag, 2. Juni 2006

… PeterLicht, der sich schickerweise zusammenschreibt …

Geht zum TicketCounter, kauft Euch eine BahnCard und ein OstseeTicket und laßt mich inRuhe.