Was hats gebracht?

Dienstag, 20. September 2005

Letzten Endes habe ich mich dann doch von der starken Polarisierung beeinflussen lassen und bin wählen gegangen. Aber war es das wirklich wert? Schröder und Köhler haben in dramatischer Weise den Untergang Deutschlands beschworen und Neuwahlen erzwungen mit dem Ziel, Deutschland wieder regierbar zu machen. Doch was ist passiert? Die Lage ist schwieriger als zuvor.

Ich finde, das war einen gefühlten Verfassungsbruch nicht wert.

Köhler hat in seiner Begründung auf die Notwendigkeit von Reformen hingewiesen. Ich halte das für ziemliches Geschwafel. Spätestens seit Herzogs Ruck-Rede sind plötzlich alle für Reformen. Reformen sind super. Wer nicht reformiert ist ein Ewiggestriger.

Doch was haben wir bekommen? Die Rechtschreibreform und Hartz IV. Das Gerede von Reformen ist, solange diese nicht mit Inhalt gefüllt werden, nur Verschleierung.

Klar finde ich, daß zum Beispiel die Finanzierung von Gesundheitswesen und Rente dringend reformiert werden müssen. Ich verstehe sogar den Sinn einer Mehrwertsteuererhöhung, wenn man sie sozial abfedert, z.B. durch Erhöhung der Sozialhilfesätze. Aber ich glaube nicht, daß eine Flat Tax irnkwas bringt. Und dieses „Vorfahrt für Arbeit“ erst. Wer den Leuten Vollbeschäftigung zu den heutigen Bedingungen (40 Stunden Wochenarbeitszeit, durchschnittlich 2700 € Bruttolohn) verspricht, hat einen an der Waffel.

Die Abkehr vom Mythos der Vollbeschäftigung und die Verringerung des Drucks, der auf Arbeitslose ausgeübt wird, würde vermutlich einige Energien freisetzen, die momentan in der Bürokratie der Arbeitslosenverwaltung gebunden sind.

Ungeachtet dieser notwendigen Schritte (Und was ist erst mit Fragen des Resourcenverbrauchs? Nur weils keiner mehr hören will, wirds ja nicht gleich falsch) will ich mir aber dieses Land weder durch neokonservative noch durch neomarxistische Schwarzmaler kaputtreden lassen. Mein Gefühl ist, daß das Klima durch diesen Wahlkampf leider für längere Zeit vergiftet ist.

Das bedeutet, daß das von Schröder mit den Neuwahlen verfolgte Ziel, Deutschland voranzubringen, welches schon von Anfang an auf ziemlich vielen Füßen hinkte, gescheitert ist. War das nötig? Und wenn jetzt jemand sagt, daß „die Guten“ 2006 noch schlechter abgeschnitten hätten: Na und? Das ist Demokratie, langweilig wird sie nie.

Mit diesem Dorau-Zitat schließen wir und wenden uns erfreulicheren Dingen zu: Mittagessen. Mamma Leone ist aus Italien zurück und freut sich über Besuch.

4 Responses to “Was hats gebracht?”

  1. Tja, da kann ich nur sagen: ich habe schon kurz nach 11 Uhr geahnt, dass es verzwickt ausgehen würde.
    Jedenfalls wird es nun auch so nicht langweilig.

  2. Jens-Olaf says:

    Das „Kaputtreden“ gilt auch für die Provinz. Ich bleibe dabei, selbst meine 160 000 Einwohnerstadt Osnabrück hat schlummerndes Potential. Aber alles wird irgendwie ausgebremst. Alles wird mit Bedenklichkeiten im Ansatz vernichtet. Warum kann so eine Stadt nicht genauso Künstler, Wissenschaftler, Sportler und was weiss ich rausbringen, wie zum Beispiel Island? Die haben alles, vom Kino, Fernsehen, Literatur bis zur Musik. Mit 250 000. Das ist unser Landkreis. Warum sind alle so vorsichtig. Studenten (in Osnabrück) entschuldigen sich in Ihren Blogs, dass sie nicht viel beizutragen hätten. Forschungsbereiche leben ohne schnellen Internetzugang und bedenken noch nicht einmal die Möglichkeit ihre Arbeit öffentlichkeitswirksam zu Bloggen. Stattdessen ducken sie sich vor der nächsten Etatkürzung. Das ist Deutschland. Aber wie leicht wäre das zu ändern, heutzutage.

  3. Jens-Olaf says:

    Verstecken muss sich so eine mittlere Stadt nicht, ich könnte noch ein ganze Menge aufzählen, zusätzlich zu dem schönen Beispiel. Aber häufig überkommt mich das Gefühl, dass wir in Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern an schierer Größe ersticken. Zuviel Respekt vor dem vermeintlich wirklich Großen.

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