Asoziale Elemente

Dienstag, 27. September 2005

Nanu. Gestern fehlte „Freibank. Kultur minderer Güte“, das monatliche Taz-Highlight von Gabriele Goettle. Für Leute wie mich, die die Taz nur zu besonderen Anlässen kaufen, dafür der Hinweis auf ein bemerkenswertes Interview in der Ausgabe von gestern:

Anfang der achtziger Jahre schnitt ich mir einen Punk-Haarschnitt, färbte mir die Haare grün, rot oder schwarz und trank mit anderen Jugendlichen Bier auf dem Alexanderplatz. Zur selben Zeit trat ich aus der FDJ aus. Und ich bekam Kontakt zu einer evangelischen Jungen Gemeinde in Friedrichshain.

[…]

Stundenlang stand ich vollkommen ahnungslos auf einem schmalen Flur. Niemand sprach mit mir. Als ich schließlich fragte, wo ich hier sei, schlug mir ein Wärter seinen Schlüsselbund ins Gesicht. Danach wurde ich für drei Tage in die mit Sichtblenden verdunkelte Arrestzelle gesteckt. Solch ein Schock weckt bei jedem die Bereitschaft zur “Umerziehung”. Ein Jugendlicher rollte in der Zelle seinen Pullover zu einem Strick zusammen und erhängte sich. Tage später erst kamen seine Einweisungsunterlagen, in denen sein behandelnder Arzt attestiert hatte: Der Junge hat Platzangst.

[…]

Viele schämen sich bis heute. Der Ruf der Werkhöfler ist noch immer schlecht. Auch, weil es über ihre Geschichte nur wenige Medienberichte gibt. Selbst die kleine Erinnerungsstätte auf dem ehemaligen Anstaltsgelände in Torgau ist von Schließung bedroht. Meinen Lebenslauf können Interessierte dort einsehen, als Beispiel. Ehemaligen Häftlingen sage ich immer wieder: Schämt euch nicht! Ihr könnt nichts dafür, daß ihr dorthin verfrachtet wurdet!

[Stefan Lauter über seine Zeit im Jugendwerkhof]

One Response to “Asoziale Elemente”

  1. TriIIian says:

    einfach nur krass.

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