Montagswünsche und Wannen

Montag, 19. Dezember 2005

Manchmal wünsche ich mir, einen richtig aufregenden Job zu haben. Oft träume ich allerdings davon, Redakteur bei der Feuilleton-Rundschau des Perlentauchers zu sein: bezahlt Zeitunglesen und das dann zusammenfassen. Kuhl.

[Wir tasten uns langsam zum Thema].

Wegen des Perlentauchers sind meine Hinweise auf Zeitungsartikel hier etwas sinnlos — steht ja alles schon dort. Die Taz hat beim Hinweisen (im Unterschied zur FAZ) normalerweise den Vorteil, daß man auf die Artikel verlinken kann. Heute ist das anders — lustiche Sachen nur in der gedruckten Berliner Lokalausgabe (die es im gesamten Beitrittsgebiet gibt).

[Jetzt komm aber mal zum Punkt].

Nach über 30 Jahren werden bei der Berliner Polizei die Wannen (Mercedes 508D) ausgemustert. Mercedes schaut in einer ganzseitigen Anzeige in der Taz-Berlin unter der Überschrift “Seit 33 Jahren auf jeder Demo dabei. Und seine Ideale bis heute nicht verraten” auf die Geschichte der Wanne zurück.

Auf die Wanne ging alles nieder, was nur irgendwie fliegen konnte: Pflastersteine, Farbbeutel, Flaschen, Molotowcocktails, Eisenstangen und Katapultgeschosse — besonders kräftige Steinewerfer schmissen sogar mit ganzen Gehwegplatten. Doch beim Thema Fahrgastsicherheit machte die Wanne keine Kompromisse. Ausgestattet mit doppelter Blechhaut, verstärktem Dach, Boden, Tank und Motor sowie mit Sicherheitsglas, Schutzgittern und Rodgard-Notlaufbereifung bot sie allem, was da flog, die von fielen Einsätzen gezeichnete Stirn.

Man könnte bemängeln, daß das ganze etwas anbiedernd ist, daß in der aufgezählten Demonstrationsgeschichte die Mainzer Straße nicht vorkommt, daß Gewalt durch Polizisten nicht thematisiert wird und daß Mercedes Teil des Systems ist. Machick aber jetzt nicht. Es ist trotz aller Kalkulation der Werbenden schon ein netter Zug, den Abschied einer Berliner Institution nicht unerwähnt zu lassen. Und: Im Unterschied zu anderen Unternehmen, die die Grundrechte am liebsten abschaffen würden, ruft Mercedes dazu auf, sie wahrzunehmen:

Und im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen, die sich längst ins Privatleben zurückgezogen haben, erscheint die Wanne noch immer hochmotiviert auf jeder Kundgebung. Hand aufs Herz: Wann waren Sie das letzte Mal auf einer Demo? Nutzen Sie doch die nächste Gelegenheit und verabschieden Sie sich von der Wanne — einem der letzten Berliner Originale.

Nur der letzte Satz

Aber bitte friedlich.

ist irnkwie peinlich.

Nachtrag: Werden die eigentlich verschrottet? Man könnte ja ein paar irgendwo zum Bewerfen aufstellen.

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