Propagandawörter

Dienstag, 10. Januar 2006

Dort können Verbraucher auch gegen eine Gebühr von 30 Euro prüfen lassen, ob sie einen Anspruch haben.

[FAZ von heute, S. 19]

Wer ist eigentlich auf die blöde Idee gekommen, Menschen als Verbraucher zu bezeichnen? Klingt nicht so gut. Ich weiß, was Rollen sind, ich würde mich aber dennoch lieber nicht beim Radiohören als Datensenke bezeichnen. Und Verbraucher wird oft nicht mehr ausschließlich als Rollenbezeichnung verwendet — neulich hörte ich das Wort sogar in politischem Kontext (sowas wie “Die Politiker und die Verbraucher”).

Aufgewachsen mit allgegenwärtiger Propaganda, fallen auch heute Wörter auf, die unnatürlich klingen und dennoch von vielen benutzt werden: entsorgen, preiswert, Samstag (außerhalb Süddeutschlands), Beamtin.

Wer denkt sich sowas aus und wie wird es verbreitet?

4 Responses to “Propagandawörter”

  1. Boris says:

    Wer Menschen bloß als Wirtschaftsfaktor sieht, verwendet solche Begriffe ganz bedenkenlos…

    • stralau says:

      Das trifft auf die Verbraucher zu, ja. Aber auch dieses Wort wird von vielen, denen ich ein humanes Menschenbild unterstelle, benutzt. Und bei den anderen genannten Wörtern geht es um anderes.

      Ich habe oft den Eindruck, daß da ein unbewußter Druck herrscht, bestimmte Wörter zu verwenden. Wo kommt der her?

      • Boris says:

        Ich würde da weniger einen Druck sehen, vielmehr eine bestimmte, meist ökonomisch motivierte Methode, Zielsetzung, Begriffe zu »besetzen«.
        »Preiswert« wird seit langem gerne genutzt, um nicht das negativ besetzte Wort billig nutzen zu müssen, obwohl man dasselbe meint. Preiswert bedeutet aber eben genau nicht »billig«.
        »Entsorgen« klingt eben nicht nach dem, was es heißt: »Wegwerfen«.
        Dahinter steckt m.E. klar eine ökonomische/politische Motivation, die bis hin zu einigen bekannten Euphemismen reicht.

        Anders scheint es bei sich einbürgernden Begriffen wie »Benutzer« zu sein — oder seinem englischen Original »User«. Solche Begriffe schleichen sich womöglich durch allgemeinen Gebrauch ein, wenn man Sprache nicht aufmerksam verwendet. So heißt auch der »Leser« eines Weblogs dann schnell einmal »Benutzer«, was eigentlich völliger Unsinn ist.

        Da sehe ich aber eigentlich keinen Druck, sondern eher Nachlässigkeit beim Sprachgebrauch. Und dagegen kann man etwas tun, jeder für sich und seine Sprache.

  2. […] Ujeh. Lustiges Wort. Aber Leute, die ihre Identität über „Ostprodukte“ definierten habe ich sowieso nie verstanden. Verbraucher eben. Dabei sind es doch nicht zuletzt seine Produkte, die den Westen so anziehend machen. […]

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