Polizeiruf 110: Kleine Frau (RBB)

Sonntag, 15. Januar 2006

Solide und bescheiden. Dieser Film widmet sich ganz seinem Sujet — scheiternde Mütter in der Provinz, die doch mal vom großen Leben geträumt hatten und nun in der Alltagshölle angekommen sind. Ihre Kinder, früh erwachsen und doch unreif. Und die Kommissarin, die aus einer anderen Welt kommt.

Während in Köln oder München die Ermittler finanziell nicht mit den Verbrechern mithalten können, sind im tristen grauen Brandenburg die Staatsangestellten diejenigen, die aus der Masse herausragen. Johanna Herz1 wird neidisch betrachtet, als Einzige, die es zu etwas gebracht hat. Das klingt jetzt alles sehr klischeehaft-ostdeutsch-betroffen, ist es aber nicht. Der Film setzt nur ein anderes Umfeld voraus und sucht auch nicht großartig, es zu erklären. Es ist eben hier so.

Dazu gehören auch die Frauen, die trotzdem sie so gelitten haben, immer noch die Gier nach Glück spüren, auch wenn die Träume der Möbelladenangestellten darin bestehen, sich mit Partyservice selbständig zu machen.

Und dennoch: diese Frauen, so sehr sie trotz aller Widrigkeiten es mehr oder weniger gut schaffen, den Stürmen standzuhalten, am Ende waren sie doch ziemlich feige — ein Verbrechen aus Feigheit.

Leider stellt sich das bis dahin wunderbare Buch (Stefan Rogall, Regie: Andreas Kleinert) am Ende einseitig auf die Seite der Verlierer: mit Rücksicht auf die Kinder läßt Herz die mordenden Mütter laufen. Das wirkt umso unglaubwürdiger, als es Imogen Kogge bis dahin ganz wunderbar schafft, die Rolle der harten Ermittlerin auf der Suche nach der Wahrheit mit der der mitleidenden Frau zu vereinen. Und leider ist Johanna Herz damit auch für die künftigen Folgen gewissermaßen verbrannt. Denn im Unterschied zum Frankfurter Kommissar Brinkmann, der in seiner letzten Folge vor ein paar Jahren die Verdächtigen mit einem Augenzwinkern laufen ließ, weil eine Verhaftung moralisch nicht zu rechtfertigen gewesen wäre, war diese Handlung dieses Mal ziemlich unbegründet. Diese Schwäche hätte zu Beginn des Filmes Möglichkeiten zur Bearbeitung geboten, so war sie ziemlich überflüssig.

Außerdem: Gelassene, gute Dramatik, bewußtes Einbeziehen von Architektur in die Handlung und Horst Krause als Horst Krause verliebt, sowie als schüchterner verdeckter Ermittler mit Svenja, der Gelegenheitsprostituierten in der Fotoausstellung.

[Erstsendung: 8. Januar 2006]

[Tatort: Sonnenfinsternis (MDR) vom 1. Januar 2006 fehlt leider]

1Daß die Ostdeutschen Kommissare aber auch immer so furchtbar biedere sprechende Nahmen haben: Kain, Ehrlicher, Ritter, Stark.

One Response to “Polizeiruf 110: Kleine Frau (RBB)”

  1. 500beine says:

    Das nervt nach wie vor an den Krimis, die hier im Westen spielen, dass sie immer noch viel zu oft im Besserverdiener-Milieu spielen, so ala Derrick. Dass die Zuschauer quasi nach oben gucken müssen, anstatt einen Fall zu erleben, der in der Nachbarschaft spielen könnte.
    Das scheint beim Polizeiruf oft nicht der Fall zu sein. (Ich gucke ihn allerdings nicht regelmässig).
    Gut so.

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