Deutschland Hauptbahnhof
Sonnabend, 3. Juni 2006Mit acht Jahren nahm mich mein Vater an der Hand, führte mich ungefähr in die Mitte des Alexanderplatzes (der damals vormittags ziemlich menschenleer war) und hieß mich warten bis wir das Vibrieren des Bodens spüren konnten. „Das ist die West-U-Bahn.“
Etwa zweimal im Jahr die Fahrt nach Potsdam, einen Zuckerschock in der Maison du Chocolat holen. So auch heute. Die laufende Ausstellung im Brandenburgischen Kunstverein ist nicht so spektakulär wie die letzte, auch etwas lieblos gehängt.
Auf dem Rückweg in Deutschland Hauptbahnhof ausgestiegen.
Nach allem dann doch positiv überrascht von der Wirkung. Der Ankunftsort ist vermutlich entscheidend. Denn eigentlich sind es zwei Bahnhöfe: Auf der Stadtbahn und im Tunnel. Den Vergleich des unteren Teils mit der Tristesse des Warschauer Zentralbahnhofes kann ich, angekommen am lichtdurchfluteten Stadtbahnteil, so nicht nachvollziehen.
Zwischen den beiden Bahnhöfen 4 Konsumetagen. Der Konsum tritt allerdings, verglichen mit Leipzig, angenehm in den Hintergrund, vor allem durch die sehr breiten Zwischengeschosse. Viele aufregende Durchblicke, und das Kreuz ist auch von innen gut erkennbar:
Die berühmte Decke des unteren Teils allerdings nachvollziehbar häßlich.
Im Untergeschoß (N-S-Gleise) am Fahrstuhl, der an jedem Zwischengeschoß hält, während aus dem Lautsprecher eine Stimme die Features des Bahnhofes aufzählt. Vor dem Aufzug ein Mann, der den Fahrstuhl beschimpft: „Hör uff zu quatschn und komm jetzt endlich!“ Drinnen dann entschuldigend zu mir: „Ich hab kein Abitur, nur mittlere Reife.“
Was ist das Zentrum des Berliner Verkehrs?
- Streckennetz der Berliner S-Bahn mit Amerikanischem, Britischem, Französischem und Demokratischem Sektor. Friedrichstraße im Zentrum. (1951, geborgt von www.schmalspurbahn.de)
Friedrichstraße. Das Kreuz, das Stadtbahn und Nord-Südbahn hier bilden und das sich seit 1939 einprägt, zieht als Mittelpunkt des Ringes noch auf den momentanen Streckenplänen die Blicke auf sich. Wenn man dann tatsächlich Friedrichstraße aussteigt, kommen noch U-Bahn und Straßenbahn sowie städtisches Getümmel hinzu. Und vor allem: Geschichte. Der Tränenpalast steht noch, die typischen gelben Kacheln des DDR-Untergrundes sind weg.
In Deutschland Hbf hingegen: Busse und eine Wiese.
Der Ring ist ein alter Hund.
Auf den Bahnplakaten falsche Tatsachenbehauptung: „Berlin-Leipzig in einer Stunde“ wird mit einem Foto der wunderschönen, nun aber nicht mehr benutzten Stadtbahntrasse illustriert.
Papestraße Südkreuz Deppenleerzeichen im Fahrstuhl: „Dieser Aufzug ist Video überwacht.“
- Nur noch 10 min weg: der Hamburger Bahnhof
[…] Ihr seid herzlich willkommen. Die Stadt sah nicht immer so gut aus, wie jetzt. Wir haben unsere Prügelbullen erzogen, so daß eventuelle Störer nur noch ganz lieb angefaßt werden. Wir lassen uns von diesem und jenem überwachen, wir haben uns sogar mit dem sozial herausgeforderten Hartmut und seiner Bahn arrangiert, damit Ihr auf einem schönen neuen Bahnhof ankommen könnt. […]