Tatort: Das verlorene Kind (BR)

Sonntag, 3. Dezember 2006

Behinderte im Fernsehen sind auch so eine Sache.

Sie dienen häufig dem Aufkommen von Rührseligkeit oder Betroffenheit. Schön, wenn es auch mal anders geht.

In „Das verlorene Kind“ kommt der Menzinger Carlo (Michael Fitz) noch einmal in die Wohnung zurück, in der der alte Herr Kirchner tot aufgefunden wurde. Er bemerkt, daß er nicht allein ist — Kirchners geistig behinderter Sohn Hans (Arndt Schwering-Sohnrey) hält sich in der Wohnung auf — doch halt, das wissen wir und der Menzinger zu diesem Zeitpunkt nicht. Blair-Wich-mäßig schnaufend und mit Handkamera hält er zitternd nach dem Monster Ausschau. Soweit die eine Sicht, die Außensicht, das Sich-Fürchten vor dem, der anders ist.

Die zweite Sicht ist die der Ermittler, die das Bett mit den Fixiervorrichtungen in der Dachkammer finden. Die Außensicht der fürsorgenden Gemeinschaft, die es der Familie nicht zutraut, mit dem behinderten Familienmitglied umzugehen.

Die dritte Sicht ist die von Hans’ Schwester, die die Familiengeschichte kennt, den ärztlichen Autoritäten mißtraut und für alles eine Erklärung hat. Die Zuschauer verfolgen während des Films die Wandlung der Sicht der Kommissare. Und hier baut der Film ein gutes Kammerspiel auf, auch wenn manche Personen wie der ehrgeizige Arzt etwas überzeichnet wirken und man von Anfang an ahnen kann, daß Hans nicht der Täter sein konnte. Auch das Ausblenden der Farben bis kurz vor Ende wirkt unverständlich und man kann zu recht bemängeln, daß die Krimihandlung (aber auch nur ein bißchen) zu einfach ist.

Dennoch ist „Das verlorene Kind“ sowohl wegen der Bilder, vor allem aber wegen der guten Schauspielleistungen einer der besseren Tatorte.

[Erstsendung: 26. November 2006]

6 Responses to “Tatort: Das verlorene Kind (BR)”

  1. Noga says:

    Besonders faszinierend fand ich von der schauspielerischen Leistung her den “Hans”.

  2. sunny says:

    Deine klare Trennung der Sichtweisen leuchtet mir ein und die Schauspielleistungen waren defintiv gut, aber trotzdem, ich musste häufig schlucken – wenn ich Hans gesehen habe, weil es nicht in mein Bild passte, dass ich von persönlichen Konatkten mit Behinderten zu haben glaubte. Allerdings habe ich jetzt häufig gelesen, das die Darstellung durchaus gelungen sei. Aber trotzdem – komisches Drehbuch.

  3. sunny says:

    Diese Schwarz/Weiß – Malerei – zum einen war er fröhlich und ist herumgesprungen oder hat “rumgebrüllt”, wenn er etwas nicht ertragen konnte.

  4. Andi says:

    Mir hat der Tatort sehr gut gefallen, mir kam er sehr intensiv vor. Gerade wegen Hans, und weil die 3 Sichtweisen, die du schön hervorgehoben hast, sichtbar wurden.
    Wenn ich mich richtig erinnere, war mir lange keineswegs klar, ob er es nicht doch gewesen ist.

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