Berlin verkehrt: Die können nicht rechnen

Sonntag, 10. Dezember 2006

Es ist Sonntagabend, und obwohl es wahrlich besseres zu tun gibt, schlüpfe ich kurz in den Blogginganzug, um schnell noch was aufzuschreiben. Ahem.

Irgendwann ist nichts mehr übrig. Fahrplanwechsel. Heute. Bei der Bahn, aber auch beim VBB, das ist: Nahverkehr in Berlin und Brandenburg. Die angekündigte Streichung von Bahnlinien in Brandenburg und anderswo wird nun Realität. Aber auch in Berlin, wo nach der Wahl nicht vor der Wahl ist, werden Linien gestrichen. Das passiert seit Jahren und immer nach ähnlichem Rezept: zunächst werden Linien durch Taktausdünnung unattraktiv gemacht und dann wegen mangelnder Nachfrage gestrichen. Das führt dazu, daß Wege in Berlin erheblich länger werden. Und das in einer Stadt, die immer noch erheblich geringer motorisiert ist als der Bundesdurchschnitt, wo also öffentlicher Verkehr viel bewirkt.

Das perfide dabei ist, daß der Zeitgeist verlangt, daß sich öffentlicher Nahverkehr rechnen muß, während Straßenbau selbstverständlich zu den Grundaufgaben des Staates gehört. Das führt dann dazu, daß sich der BVG-Vorsitzende Necker keine neuen Fahrgäste wünscht, weil die ja Geld kosten. Nun meckert der Berliner ja gern über die BVG. Diese ist aber auch nur Leidtragende einer Politik, die zwar weniger Geld zum Ausgeben hat, sich aber immer noch überdimensionierte Prestigeobjekte wie den neuen Lehrter Bahnhof, Südkreuz oder Ostkreuz leistet. Und beim Straßenbau wird immer noch eher geklotzt als gekleckert.

Dabei ist die Rechnung ja einfach: mal abgesehen von den städtebaulichen und ökologischen Auswirkungen ist Individualverkehr volkswirtschaftlich schlicht viel teurer als öffentlicher Verkehr. Man kann also davon ausgehen, daß diejenigen, die hier Einsparungen fordern, nicht rechnen können.

Eine Empfehlung zum Medienbruch (keine Angst, keine Bücher): in der Newsgroup bln.verkehr werden mit Verstand und Leidenschaft Fragen des Berliner Verkehrs diskutiert. Zu den Fahrplanänderungen ein kurzer Auszug aus einem lesenswerten Artikel von Ingolf Berger:

[…]

Die Schrumpfung des Oberflächenergänzungsnetzes geht soweit, daß es Straßenbahnlinien im 20-Minuten-Takt durch dichteste innerstädtische Grüberzeitgebiete gibt, die eine überdurchschnittliche Besetzung (für diesen schlechten Takt) aufweisen und überschlägig gerechnet (eben wegen der guten Auslastung) einen Kostendeckungsgrad von über 100% aufweisen. Statt den Takt nachfragegerecht zu verdichten, gibt es ernsthafte Planungen, diese ersatzlos (!) stillzulegen. Als Begründung wird angegeben, daß eben Fußwege von bis zu 15 Minuten zu anderen Linien völlig akzeptabel seien und man sich die einmaligen Investitionskosten für die Gleissanierung (Pappelallee, Linie 12) sparen will (man darf dafür aus der Kasse der BVG dann die Gleisrückbaukosten zahlen, das ist kaum weniger – aber Hauptsache, man ist etwas Straßenbahn losgeworden …).

[…]

Übrigens mal zu den Dimensionen des Ganzen: Die Planungen des Finanzsenators Sarrazin sehen vor, den jährlichen Zuschuss an die BVG – je nach Entwurf – um ca. 50 oder 100 Millionen zu senken (von ca. 300 Mio heute auf ca. 200-250 Mio in 2008). Der Schuldenstand von Berlin beträgt heute ca. 60 Milliarden EUR. Also würde die Schrumpfung des ÖPNV auf ein unterdurchschnittliches Niveau dem Land Berlin ermöglichen, seine Schulden (ohne aufzulaufende Zinsen) in ca. 600 bis 1200 Jahren abzubauen. Lohnt es sich für diese Perspektive, den Autoverkehr in dieser Stadt massiv hochzufahren, 1/3 des Straßenbahnnetzes stillzulegen, etc. – mit all den bekannten negativen Folgen?

[…]

Und Axel Mauruszat hat eine hübsche Grafik gemacht, in der man die Einstellungen von Bahnlinien in Brandenburg seit 1990 sehen kann.

Irgendwann ist nichts mehr übrig.

2 Responses to “Berlin verkehrt: Die können nicht rechnen”

  1. Auch schon schmerzlich festgestellt, dass mein geliebter Bus 163 nicht mehr die Magnusstr. anfährt.
    Damit gibt es für mich keine Direktverbindung mehr zum Arbeitsplatz – welch Einschränkung an Lebensqualität!

  2. […] Da der Überblick letzte Woche ausgefallen ist, gibt es diesmal einen “Zweiwochenüberblick”. Paulsen spielte im Dezember Babysitter und kann Eltern nur bewundern. Modeste bekommt kein Nikolausgeschenk und wundert sich über Konfektionsgrößen. Matt sinniert anhand der barbarabar über Kneipennamen und bekommt ein Filmchen über die Rhabarberbarbarabar. Don wühlt im Weihnachtskitsch und Wortschnittchen hat Kantinenprobleme. Stralau regt sich zu Recht über den Nahverkehr im VBB auf, während es am Ostkreuz mal wieder bald los geht (oder hat es schon angefangen?). […]

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