Berlin-Stadtbahn …

Mittwoch, 7. Februar 2007

… lautete bis zum vorigen Jahr die Tarifbezeichnung auf Fahrkarten nach Berlin. Gemeint ist damit (dies für Nichtberliner) die Viaduktstrecke zwischen Ostbahnhof und Charlottenburg. Eine der schönsten Linien Deutschlands. Mein Lieblingsstück: die Fahrt über die Museumsinsel zwischen Pergamon- und Bodemuseum, auf der man durchs Fenster in die Ausstellung blicken kann.

Edit: Das Wichtigste vergessen: Heute wird die Stadtbahn 125.

„In Berlin gewesen und mit der Stadtbahn nicht gefahren sein“ ist eine ebenso große Versündigung an den heiligen Vorschriften Bädekers, als „in Rom gewesen und den Papst nicht gesehen haben.“

[Emil Dominik]

Emil Dominiks „Quer durch und ringsum Berlin“ wurde hier schon mehrfach zitiert. Das Buch von 1883 wurde 1988 (sechzig Jahre „Große Elektrisierung“ der S-Bahn auf dieser Strecke) als Faksimile vom Leipziger Zentralantiquariat nachgedruckt. Interessanterweise gibt es zwei Ausgaben: eine für die DDR und eine, die für den Arani-Verlag in Charlottenburg gedruckt wurde.

Dort heißt es:

Stadtbahn-Enthusiasten theilen die Bevölkerung dieser Erde in solche ein, welche mit der „Berliner Stadtbahn“ gefahren und in diejenigen, welche dieses Vergnügens noch nicht theilhaftig geworden sind; und wiederum Andere haben die Meinung ausgesprochen, daß die Reichshauptstadt das gewaltige Werk einige Jahrzehnte zu früh erhalten habe, daß der Berliner Verkehr bei all seinem rapiden Wachsthum während letztvergangenen fünfzehn Jahre doch noch nicht bedeutend genug sei, um eines so großartigen Verkehrsmittels zu bedürfen.

Die Wahrheit – wie allüberall – möchte auch hier in der Mitte liegen. Der „Triumph der Technik, der Stolz der Reichshauptstadt,“ wie der Eisenbahnminister Maybach einmal die Stadtbahn nannte, hat in Deutschland wie im Auslande die vollste Anerkennung gefunden. Die flotte Weltstadt an der Seine baut jetzt, weil sie sich von der deutschen Centrale nicht überflügeln lassen will, eine Stadtbahn, welche den Namen »chemin de fer métropolitain« führen und sich netzartig über ganz Paris ausbreiten soll; und auch die schöne Kaiserstadt an der Donau hat den Bau einer „Wiener Stadtbahn“ concessionirt, und all das hat, kann man mit Heinrich Heine sagen,

„das hat mit ihrer Eröffnung
die Berliner Stadtbahn gethan.“

Londons unterirdische, schmutzige, feuchte Stadtbahnen eiferten nicht sonderlich zur Nachfolge an; jetzt aber, nach der Eröffnung der luftigen, höchst sauberen und geschmackvoll ausgeführten „Berlinerin“ regt sich’s allerorten, sei es mit Elektricität, mit Dampf oder mit condensirter Luft betriebene und über die Dächer weg geführte Bahnen zu bauen.

Das Projekt der Berliner Bahn rührt von dem tüchtigen Baumeister Orth her, der vor zwölf Jahren in einer Broschüre „Berliner Centralbahn“ den Bau anregte. Oberbaurat Hartwich nahm das Orth’sche Projekt auf, modificirte dasselbe und führte es in’s Leben. Es thut dem Verdienst der ersten Bauunternehmer keinen Abbruch, daß die Gesellschaft, welche den Bau begann, nicht in der Lage war, denselben bis zum Ende durchzuführen, und daß der besser ausgerüstete Staat den Weiterbau übernehmen mußte. Orth, Hartwich und Dircksen verdanken das kolossale Werk, welches 65 Millionen Mark kostete – sechs Millionen Mark pro Kilometer, während die Londoner unterirdische Bahn 14 Millionen Mark für dieselbe Strecke verschlang –, wird von dem Eidenbahndirektor Wex und seinem gesammten Stabe musterhaft verwaltet. Wenngleich aber sieben- bis achtmalhunderttausend Personen im Monat die Stadtbahn benutzten, war eine einigermaßen ins Gewicht fallende Verzinsung des Anlagekapitals im ersten Jahre nicht zu erzielen. Doch ist alle Hoffnung vorhanden, daß dies in der Folge geschehen wird. „Wer’s Recht hat und Geduld“ sagt Göthe – „für den kommt auch die Zeit“, und immer wird der alte Satz sich bewahrheiten, daß jede Erleichterung des Verkehrsbedürfnisses den Verkehr selbst in ungeahnter Weise steigert.

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