Deutsche Sporttraditionen: Geh in die Knie und klatsch in die Hände
Dienstag, 1. Mai 2007- Kark Albiker: Diskuswerfer, Olympiastadion Berlin
Das Olympiastadion im Sonnenlicht. Das Maifeld am Reichssportfeld wurde von Hitler als Aufmarschplatz zum 1. Mai entworfen. Hier wurde dann die Olympiade von 1936 eröffnet. In den Bauten unter dem Glockenturm und nur von der dem Maifeld abgewandten Seite zugänglich befindet sich die Langemarck-Halle, in der beim Gedenken an die Schlacht des Ersten Krieges die Helden für den Zweiten erzogen wurden.
- In der Langemarckhalle
Was der Weltöffentlichkeit vorenthalten wurde: bevor der Führer die Spiele des Friedens eröffnete, zog er sich privat zum Heldengedenken in eben jene Halle zurück. 1947 sprengten die Briten den baufälligen Glockenturm; dabei wurde auch die Halle beschädigt. Die Glocke barst.
- In der Langemarckhalle
Aber interessant: 1960 bis 1962 wurden vom ursprünglichen Architekten, Werner March, der Glockenturm und die Halle in ihrer ganzen Scheußlichkeit wieder völlig ungebrochen aufgebaut. Damit erhielt auch der Aufmarschplatz seine Wirkung wieder. Heutzutage gibt es dort ohne jeden Anflug von Ironie Aufführungen von „Carmina Burana“ oder Feuerwerke. Die alte Glocke wurde wieder zusammengesetzt, die Hakenkreuze nur sehr notdürftig verändert und die Glocke dann noch 1982 (!) den Opfern von Krieg und Gewalt umgewidmet. Sie kann am Stadion besichtigt werden.
Interessant wäre, zu erfahren, wie es zur Entscheidung des Wiederaufbaus kam. Andreas Hoffmann deutet im Aufsatz zur Westtangente des Bandes „Luftschlösser. Berlins unvollendete Bauten“ personelle Kontinuitäten bei den Berliner Germania-Planern, die nach dem Kriege weitermachten, an. Hinzu kam sicher der große Geldtransfer aus der Bundesrepublik in die Frontstadt. Genaueres hierzu wäre interessant.
Im Glockenturm wiederum hängt nun diese Glocke, die Werner March nach dem Kriege gestaltete. Mit Bundes- statt Reichsadler, aber weiterhin für die Olympiade von 1936.
In den Räumen unter dem Glockenturm und auch in der Langemarckhalle wird seit vorigem Jahr eine wirklich gute Ausstellung und ein vorzüglicher Film gezeigt. Jedoch wie damals die Langemarckhalle, wird auch diese Ausstellung den Stadionbesuchern verschwiegen. Man wird auf Schildern lediglich auf die Aussicht vom Glockenturm hingewiesen, obwohl die Ausstellung mit 1,5 Mio € nicht gerade billig war.
Wer sich die Ausstellung, den Film, die Halle und den Glockenturm ansehen will, muß vom Osteingang des Stadions einmal um die Südseite des Stadions herum- zum Westeingang des Glockenturmes laufen oder fahren. Man kann aber auch eine Station mit der S-Bahn bis Pichelsberg fahren.
Auf den Tafeln der Aussichtsplattform auf dem Glockenturm klassisches West-Berlin: vom Europacenter bis zur Hungerharke alle Wahrzeichen drauf, der Fernsehturm wird dafür totgeschwiegen, aber immerhin hat sich auch „der Senator für Bau- und Wohnungswesen“ verewigt — ein einflußreicher Posten, der immer für einen Skandal gut war.
Ich hab letztes Jahr bei meinem Besuch auch eine kleine Bilderserie gemacht, die ganz gut wiedergibt, wie ich diesen Ort empfunden habe:
http://www.flickr.com/photos/airpark/sets/72157594329510838/
Tolle Bilder!
Besonders die olympischen Ringe von unten haben mir gut gefallen.
Danke auch für diese stadthistorische Ausführung. Das sehe ich mirdemnächst genauer an.
Sehr aufschlußreich auch dieser NZZ-Artikel, der all das und auch die Umbauten zur Fußball-WM beleuchtet.
[…] wurden vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart gestaltet, die das auch schon im Olympiastadion gemacht […]
In Bremen heißt eine zentrale Hauptraße im Stadtteil Neustadt immer noch “Langemarckstraße”. Eine vorgeschlagene Umbenennung der Straße scheiterte – ein Geschichtspfad soll nun eingerichtet werden. Dadurch gibt es – als Teil des Geschichtspfades – ein recht informatives Wiki zum “Mythos von Langemarck”.
Danke dir für diesen erhellenden Eintrag. Ich habe mir erlaubt, einen Satz von dir zu zitieren, als ich hier über meinen Besuch der Langemarckhalle schrieb. Ich hoffe, das ist in Ordnung.
[…] war allerdings Light-Bier für 4(!) Euro pro halben Liter. Auf dem Weg in unseren Block stand dann die alte Glocke aus dem Berliner Olympiastadion, bei der das sich darauf befindliche Hakenkreuz nur sehr halbherzig entfremdet […]
[…] war allerdings Light-Bier für 4(!) Euro pro halben Liter. Auf dem Weg in unseren Block stand dann die alte Glocke aus dem Berliner Olympiastadion, bei der das sich darauf befindliche Hakenkreuz nur sehr halbherzig entfremdet […]