Taz fährt Bus

Sonntag, 6. Mai 2007

Eigentlich lese ich die Taz ganz gerne, weil man ihr anmerkt, daß dort mit Leidenschaft geschrieben wird. Daß sie nicht die ganze Themenbreite der FAZ, der Süddeutschen oder der NZZ abdeckt, kann man daher leicht hinnehmen. Bei den Zeitungen mit Berliner Regionalteil spielt sie (seit der Einstellung der Berliner Seiten der FAZ) locker an vorderster Stelle mit. Eines der Highlights morgen wieder: Freibank — der lange Text von Gabriele Goettle.

Was mich dann aber doch ärgert sind betont zeitgeistige Texte, die seit etwa 8 Jahren immer mehr werden, in denen auf eine distanzlos-kumpelhafte Art versucht wird, augenzwinkernde Nähe zum Leser herzustellen. Texte, denen man anmerkt, daß es schnellgehen soll; Texte, die sich nicht durch auf Recherche gründende Sorgfalt auszeichnen, sondern solche, die dem alternden Leser auch nach Jahren klarmachen sollen, daß man doch gemeinsam auf der richtigen Seite steht.

Andreas Becker habe ich hier neulich schon erwähnt mit seiner lockeren Bemerkung zur Politikabsenz in der heutigen Zeit. Jetzt ist er (er nennt sich im Text allerdings „man“) Bus gefahren — dort, wo der gewöhnliche Kreuzberger das Grauen vermutet: in Marzahn. Und hat — wer hätte das gedacht — ein Klischee neben dem anderen entdeckt: vom Rentner bis zum ungebildeten Mädchen, das den Flughafen Tempelhof für klassizistisch hält.

Ich weiß nicht, ob ich da zu streng bin, aber neben den anderen Belanglosigkeiten finde ich es wirklich eine unglaubliche Entgleisung, wenn da die Rede ist von der

Hochschule mit dem Faschoprovonamen “Alice Salomon”.

Immerhin wurde die Schule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik von Alice Salomon gegründet. Und ja, wie der Name vermuten läßt, war sie Jüdin und mußte nachdem sie aus ihren Ämtern gedrängt wurde, emigrieren. Lustig geht irgendwie anders.

Immerhin scheint die Taz nicht einmal das Fahrgeld nach Marzahn für Andreas Becker zu haben — vielleicht wäre es schöner, wenn andere Menschen nach Marzahn führen.

One Response to “Taz fährt Bus”

  1. sunny says:

    der text strotzt ja nur so vor hilfloser ironie. haha, alle haben monatskarten. is auch mitnichten ein armer bezirk. außerdem ist die alice salomon schule 2000 von schöneberg nach hellersdorf gezogen. man hätte die studierenden ja auch einfach befragen können, wie es so ist in hellersdorf, tagsüber. das wäre interessant gewesen. bus bin ich auch schon oft in marzahn gefahren und habe doch viel spannenderes erlebt als herr becker ;)

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