Dok-Leipzig (x): Kinder. Wie die Zeit vergeht.

Donnerstag, 8. November 2007

Kinder, wie die Zeit vergeht (Thomas Heise, D 2007, 90 min.)

Eine Familie im Plattenbauviertel Leipzig-Grünau. Zu Beginn des Filmes sehen wir eine junge Mutter, die mit 15 schwanger wurde und über ihren ersten Sohn Tommi jetzt sagt: „Schade drum“, während beim Jüngeren noch was zu machen sei. Sie ist Busfahrerin. Später im Film hat sie dann den Mann kennengelernt, mit dem zusammen sie das lang gewünschte Mädchen bekommen hat.

Der Film begleitet vor allem Tommi, am Rande aber die ganze Familie. Und es geht wirklich um Begleitung — im Unterschied zum in letzter Zeit in Mode gekommenen Unterschichtenvoyeurismus, zeichnet dieser Film kein dramatisch schlimmes Bild. Ruhig und geradezu lakonisch schauen wir in Tommis Welt und die seiner Familie. Wir erleben Krisengespräche zwischen Toni und seinem sehr souveränen Lehrer. Wir lernen seinen rechtsradikalen Freund kennen und seinen Bruder, der gut in der Schule ist, aber nicht aufs Gymnasium will („meine Mutter will das auch nicht“).

Thomas Heise ist ein Meister der Einfühlung. Und so wirken seine Reportagen aus den ganz normalen Familien niemals denunzierend. Heise stellt sich deutlich auf die Seite derer, die er beschreibt und kann dadurch viel mehr Details und Zwischentöne beschreiben als es unbeteiligte Beobachter könnten.

Der Film ist schwarz-weiß gedreht, was ihm guttut. Und was die Landschaft in Koepps Holunderblüte, ist die Industrie- und Wohnarchitektur im ehemaligen Chemiedreieck bei Heise: sie wirkt wie ein stummer Kommentar des Filmemachers, der sich sonst ganz zurücknimmt.

4 Responses to “Dok-Leipzig (x): Kinder. Wie die Zeit vergeht.”

  1. Felix says:

    Komischerweise frage ich mich beim Anschauen dieser Art von Filmen immer, ob man das darf. So erschreckte mich nach erfolgter Filmvorführung von Heises “Kinder, wie die Zeit vergeht” auch die Nachricht, nicht nur der Regisseur, sondern auch vier der Protagonisten seien anwesend. Da war’s dann plötzlich kein Film mehr –

    Jetzt mag man sagen, es gäbe da eine ganz andere Art von Filmen, die sich am Schicksal der “Menschen von nebenan” hochziehe, sich über sie lustigmache, sie degradiere, instrumentalisiere etc. Das stimmt. Trotzdem, auch bei Heises Film, dem man dies alles nun wirklich nicht unterstellen kann, bleibt ein Gefühl einer unüberbrückbaren Kluft zurück. Einer Kluft zwischen dem gebildeten, mit Chancen versehenen, kurz: privilegiertem Festivalpublikum und den Helden des Films.

    Hätte es die Möglichkeit gegeben, dem ebenfalls anwesenden Tommi eine Frage zu stellen, so hätte meine gelautet, ob dieser Film sein Leben verändert hat. Ein wie auch immer begründetes “Ja” wäre dann gleichzeitig die Antwort auf meine Eingangsfrage gewesen.

  2. […] kommt morgen wieder ein Film vom letzten Festival ins Kino: „Kinder wie die Zeit vergeht“ ist der sehr bemerkenswerte dritte Teil von Thomas Heises Halle-Neustadt-Trilogie, die mit „Stau […]

  3. […] Neustadt-Trilogie, über deren dritten Film — Neustadt. Stand der Dinge (2007) — ich hier schon einmal geschrieben habe. Stau — Jetzt geht’s […]

  4. Cnongs says:

    Der Film ist die absolute asche und bringt niemanden etwas, es gab schon einen ersten Teil, der genauso mist war. Dieser Film ist eine Falschdarstellung und zeigt nicht die aktuelle Situation in Halle-Neustadt.

    Er ist plump gemacht, da er nur eine einseitige, negative, depressive, gedrückte Stimmung verbreitet und das noch in Graustufen wieder gegeben

    Ich kann nur hoffen das der Filmmacher dafür nicht noch Geld bekommen hat.

    Es war eine Zumutung diesen Film zu sehen. Zum Glück war die Sendezeit recht spät, mir tun trotzdem alle leid, die ihn sahen und dadurch ihre Zeit verschwendet haben, weil sie am ende vielleicht hofften, wenigstens noch ein paar Bilder ihrer Stadt zu sehen.

    Ich bin mir sicher, dass kein Halle-Neustädter diesen Film noch einmal sehen möchte. Ein möglicher Verwendungszweck wäre als Negativ-Beispiel für Lehrzwecke.

    Sehr geehrter Herr Filmemacher, ich möchte Sie hiermit bitten, bitte keine weiteren Filmreportagen zu produzieren und zu zeigen.

    Der Ansporn eines Filmemachers sollte es doch sein, den Zuschauer etwas zu geben (Liebesgefühle, Witz, Spannung, Motivation, Erkenntnisse) und wenn er das nicht kann, dann sollte er wenigstens versuchen einen realistischen Film zu produzieren und nicht mit einer Anti-Haltung gegenüber der Bevölkerung eine Negativ-Stimmung erzeugen.

    Halle-Neustadt hatte 1989 mit 43 % den höchsten Akademiker Anteil in der arbeitenden Bevölkerung und es war die jüngste Stadt mit einem Durchschnittsalter von 23. Ihre Kinder sind jetzt Erwachsen. Bitte verunglimpfen Sie ihre eigene Stadt.

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