Dok-Leipzig (xii): Kredens
Freitag, 9. November 2007Kredens (Jacob Dammas, PL/DK 2007, 27 min.)
1968 hat die polnische Kommunistische Partei in einer antisemitischen Kampagne fast alle noch in Polen lebenden Juden aus dem Land vertrieben. Jacob Dammas Eltern gingen damals aus Breslau nach Kopenhagen. Doch sie ließen ihre Kredenz zurück. Kredenz, das ist der schöne Name für eine Küchenkommode. Sie war 150 kg schwer — und wie Dammas’ Onkel sagte, brauchte es vier starke Männer und eine Flasche Wodka, um sie zu transportieren. Sie hatte zuvor vertriebenen Deutschen gehört und Dammas’ Eltern mußten sie bei ihrer Flucht zurücklassen.
Und da soll sie auch bleiben, sagen die Mutter und die Tante. Die Türen sind zu und sie sollen es bleiben. Jacob Dammas aber fährt nach Breslau und spricht mit den Nachbarn auf der Suche nach der Kredenz. Und er stößt auf Vorurteile, Ablehnung, Ahnungslosigkeit, aber auch auf seltsam-freundliche Aufnahme mit Verbrüderung. Gleichzeitig zeigt er die Telefonate mit seiner Mutter, die sein Vorhaben immer noch nicht gutheißt. Der Film ist sein Abschlußfilm an der Andrzej Wajda Master School of Film Directing in Warschau. Vorher hat er an der Humboldt-Universität, in Toronto und Roskilde studiert. Sowas klingt immer ganz schön beeindruckend.
Das Unspektakuläre dieses Films hat mir eigentlich am besten gefallen. Durch die Telefonate, die Jacob aus Breslau mit seiner Mutter in Kopenhagen führt, und die er ohne ihr Wissen für den Film mitschneidet, verlagert sich das Gewicht des Films weg von der Rekontruktion vergangener Ereignisse und hin zur ganz gegenwärtigen Frage: Welche Rolle spielt das heute noch? Am Ende gibt die Mutter Jacob taktische Ratschläge, trotz ihrer anhaltenden Skepsis der Unternehmung gegenüber . Und Jacob entscheidet sich, nicht weiter zu suchen, obwohl ihn vielleicht nur wenige Meter von der gesuchten Kredens trennen. Und somit scheinen beide ein Stück weiter, im gegenseitigen Verständnis ein Stück näher gekommen zu sein.