Polizeiruf 110: Kellers Kind (HR)

Sonnabend, 19. Januar 2008

Was bedeutet es, ein Kind zu haben? Was bedeutet es, kein Kind zu bekommen? Was bedeutet es, ein Kind zu wollen, aber keines zu bekommen?

Diese Fragen werden auf wundersam ernste und unironische Weise dem Personal dieses Filmes gestellt. Wie in den anderen drei Folgen, ist auch diesesmal die Welt in Bad Homburg abgeschlossen: die Personen des Kammerspiels bleiben unter sich und die einzige Aufregung, die von außen eindringt, ist Kommissar Kellers Ex. Diese düster-melancholische Ruhe aber kam den vier Homburg-Polizeirufen von Titus Selge sehr zugute. Die Chance, die Figuren auszuspielen und mit Tiefe zu versehen, wurde wunderbar umgesetzt. Und so leben die Filme natürlich zuallererst von dem sehr präsenten Jan-Gregor Kremp und seiner großartigen Partnerin Inga Busch.

Kremps düstere Art selbst wurde im ersten Film „Der Prinz von Homburg“ durch den brutalen Mord an seinem Vater begründet. Die Verwurzelung Kellers als verlorener Sohn, der in die Stadt seiner Kindheit zurückgekehrt ist — bei gleichzeitiger Entfremdung, weil nichts mehr so ist, wie es war — wird wunderbarerweise in allen vier Folgen durchgehalten.

Aber auch das Nebenpersonal agiert immer glaubwürdig: Polizist Norbert (Felix Vörtler) ist zwar bei den Ermittlungen meist der Dumme, ist aber Keller menschlich oft voraus. Und der Bestatter wird als skurrile Figur nur hauchzart angedeutet. Diese Konstellation ist ein sehr angenehmer Kontrast gegenüber dem Hau-Drauf-Kollegen-Humor von Münster oder Köln.

Das Spiel des nicht-permanenten Personals fügt sich wunderbar ein. Man hat den Eindruck, bei den Dreharbeiten wurde sich viel Zeit genommen, um die Stimmung zu treffen. Das gilt sowohl für die geschiedenen Eltern des entführten Jungen, die sich erst gegenseitig verdächtigen, dann zusammenhalten, als auch für das bizarre Geschwisterpaar im Wald, wo der Bruder die Schwester zur Strafe zum hungrigen Hund sperrt. Am Ende stirbt dann entgegen der Schmidt-Regel doch jemand in den letzten fünf Minuten, aber das Kind wird gerettet.

Ein Wort noch zur Provinz: in den deutschen Krimis wird sie manchmal übertrieben provinziell dargestellt (Polizeiruf Potsdam, Tatort Hannover) oder aber durch Standortmarketing kaputtgemacht (Konstanz). Die Keller-Polizeirufe sind auch da sehr angenehm in ihrer Ruhe: die Zahl der Orte ist gering und das Buch ganz auf die Handlung konzentriert.

Durch diesen Text weht der Abschied: „Kellers Kind“ war der letzte Polizeiruf aus Bad Homburg. Schön, daß es keine großen Abschiedsszenen gab. Andeutungen aber schon: Im Film wurden mehrfach Ausschnitte aus dem Frankfurt/Main-Tatort gezeigt, von dem der HR ab jetzt stattdessen eine Folge mehr pro Jahr senden will.

[Erstsendung: 13. Januar 2008]

[*1000*]

2 Responses to “Polizeiruf 110: Kellers Kind (HR)”

  1. Felix says:

    Den fand ich auch wirklich prima. Bin aber auch ein großer Fan von Inga Busch.

  2. […] aus Bad Homburg mit Jan-Gregor Kremp und Inga Busch. Da dieser jedoch anfang dieses Jahres seine letzte Folge hatte, gibt es jetzt eine mehr für den Frankfurter Tatort. Die dortigen Darsteller Andrea Sawatzki und […]

Leave a Reply