Am neuen Ort

Sonnabend, 10. Januar 2009

Meine neue Arbeitsstelle liegt unweit vom Dorotheenstädtischen Friedhof und dem Friedhof der Französisch-Reformierten Gemeinde. Ich mag diese Ecke noch aus Kindertagen sehr, und es hat sich hier noch einiges mehr erhalten als 200 m weiter südlich.

~

In der Mittagspause gehe ich knirschenden Schrittes durch den Schnee, an den Gräbern bedeutender Männer und unbekannter Frauen mit schönen Namen wie Lucie oder Klara entlang. Es ist schön. Am Donnerstag stand ich an den Gräbern Arnold Zweigs, Johannes Raus (ich wußte gar nicht, daß der schon gestorben war) und Ernst Litfaß’, am Freitag bei Heinrich Mann, Wolfgang Hilbig, Johannes R. Becher und Friedrich August Stüler. Auf Herbert Marcuses Grab steht nur sein Name und „weitermachen!“. Bahro, Bonhoeffer, Brecht, Müller und all die anderen kommen später (à propos: gleich im Radio: Müllernacht) — geht es nach dem Friedhof, kann ich viele Jahre hier arbeiten.

~

Hinter der Friedhofsmauer steht die neuerbaute Mensa Nord. Ich fand Mensen wegen der Unruhe, dem Geruch und der schlechten Laune immer ganz furchtbar. Diese hier sieht anders aus: sehr hell und drinnen sieht man lachende Studentinnen. Vielleicht gehe ich mal hin.

~

Ich bin einer der nicht übermäßig vielen Deutschen und vielleicht der einzige Berliner unter den Kollegen. Vor fünf Jahren, bei der Arbeit in einem ganz ähnlichen Umfeld, wurde beim Herkunftsort Berlin sofort gefragt, ob Ost oder West. Heute interessiert das niemanden mehr.

~

Wir mögen uns hier sehr, und das ist viel wert.

~

Nachtrag: Biermann (der um die Ecke wohnte) ist einst auch in der Mittagspause über den Friedhof gegangen.

One Response to “Am neuen Ort”

Leave a Reply