Der Bär Friedrich — Eine kleine Subversion für Kinder
Sonntag, 10. Mai 20091987 war das letzte Jahr, in dem noch alles in Ordnung schien in der DDR. Erich Honecker war zum Staatsbesuch im Westen und wir wurden genervt mit den pompösen Feierlichkeiten zum 750. Jahrestag Berlins, die besser, schöner, größer als die West-Berlins sein sollten.
Gestern habe ich das 1987 erschienene Kinderbuch „Der Bär Friedrich“ von Jürgen Rennert und Manfred Bofinger (der übrigens auf dem Stralauer Friedhof begraben ist) gefunden. Es geht um Bären, deren Namen sich auf Ost-Berliner Straßennamen beziehen. Das Buch ist aus Pappe und als Leporello gefaltet. In dem Buch zieht der Bär Friedrich aus der Friedrichstraße los, wird in der Sophienstraße von der einsamen Sophie erwartet, die sich aber am Alexanderplatz dem Alexander zuwendet. Gemeinsam holen sie Christine in der Christinenstraße ab.
Zwei sehr hübsche Subversionen haben die Autoren am Zensor vorbeigeschmuggelt: Auf der letzten Tafel der Vorderseite, also bevor man umdrehen muß, treffen die Bären auf Dorothee aus der Dorotheenstraße. Zum einen hieß die Dorotheenstraße damals schon lange Clara-Zetkin-Straße. Zum anderen ist diese Tafel betextet mit dem unerwarteten Hammer:
Linksum! Wenden! (Rand rückt näher.)
Fritz begrüßt noch Dorothea.
Natürlich rückt hier auch der Rand des Buches näher, ein Hammer ist es aber, weil die Dorotheen-/Clara-Zetkin-Straße an der Mauer endete und diese normalerweise in veröffentlichten Texten totgeschwiegen wurde. Natürlich wurde in großen politischen Zusammenhängen vom antifaschistischen Schutzwall gesprochen (bis Honecker selbst mal aus Versehen Mauer sagte), aber in offiziellen Alltagszusammenhängen (Schule, Betrieb, Bücher) hatte man darüber nicht zu sprechen.
In welchem Verlag, besser: welcher Stadt ist das Büchlein denn erschienen? Denn offensichtlich braucht es zum Erkennen dieser Subversion eine Menge Ortskenntnis; mir verschloss sie sich, bis ich Deine Anmerkung las.
(Als Leipziger)
Ja klar. Wie man auf den gescannten Bildern sieht, ist das Buch in Berlin beim Verlag Junge Welt erschienen.
Wahrscheinlich fehlte auch den genehmigenden Behörden die Ortskenntnis, denn Dorotheenstraße wird 1987, als sie schon lange Clara-Zetkin-Straße hieß, den meisten kein Begriff gewesen sein.
Das ist heute anders, schließlich hat die Rückbenennung nach der Wende hohe Wellen geschlagen.
Wunderbar! Wobei ich bei der Stechschritt-Rhetorik schon ein wenig Bauchweh verspüre!
Auch die ist wahrscheinlich nur eine Anspielung auf das in der DDR Übliche, denn auf den anderen Buchseiten kommt sie nicht vor. Und der Autor ist als ehemaliger Bausoldat über diesen Verdacht erhaben.
Rand rückt näher, hehe…
Schönes Ding!