Links von Montag, 12. April 2010

Montag, 12. April 2010

Gesammelte Links von Montag, 12. April 2010:

  • FAZ: Internet – Das Unbehagen an der digitalen Macht

    Die Träume der Netz-Utopisten und die Wirklichkeit: Ist das Internet ein Medium der Emanzipation und des Umsturzes – oder ein Werkzeug der Kontrolle und der Unterdrückung? Haben Twitter und Facebook die Rebellion in Iran befeuert, oder halfen sie, die Rebellen zu enttarnen? Ein skeptischer Dialog

  • Die Zeit: Affenversuche und Massentierhaltung: Respekt!

    Der Kampf gegen Tierversuche ist heuchlerisch. In unserem Alltag nehmen wir tausendfaches Leid in Kauf. Dagegen hilft kein strengeres Gesetz, sondern ein Bewusstseinswandel.

8 Responses to “Links von Montag, 12. April 2010”

  1. ozean says:

    Zum Bewusstseinswandel: ich habe mich in der letzten Zeit mit Forschungsliteratur zum Themenbereich Risikowahrnehmung und Risikohandeln im Alltagsleben beschäftigt – die bezieht sich auf Probleme mit Klimawandel, gentechnisch veränderten Organismen, Mobilfunk, etc. Und dabei werden zwei Dinge sehr deutlich:
    Zum einen, dass den meisten Menschen schon klar ist, welche möglichen Konsequenzen ihr Handeln hat, dass sie es aber aus einer Vielzahl von Gründen nicht ändern (größerer Aufwand in vielerlei Dimensionen, Unsicherheit über die Wirksamkeit von möglichen Alternativen, Trittbrettfahrerprobleme, Überforderung angesichts allgemeiner Komplexität etc.). Sie ändern nichts, selbst wenn sie ein wirklich schlechtes Gewissen haben. Bis auf wenige Ausnahmen. Das ist geradezu Offensichtlich – dieselben Leute sind sich in der Regel auch im klaren darüber, dass ihr Handeln zu dieser Problematik beiträgt.
    Zum anderen ist die Forderung nach Bewusstseinswandel heutzutage eingebettet in eine Medien-, Politik- und Wirtschaftslandschaft, in der Bewusstsein sich vor allem in der bewussten Wahl von Produkten ausdrückt. Hier wird eine riesige Menge von höchst komplexen Entscheidungen den Individuen zugetragen. JedeR einzelne soll nun Verantwortung für sich und alle anderen tragen – indem sie oder er die richtigen Produkte kauft. Der Markt regelt den Rest dann auf optimale Weise. Wie sich aber zeigt, funktioniert das nur sehr eingeschränkt und bei komplexen Problemen, die gleichzeitig im normalen Wahrnehmungsalltag der meisten Leute nicht auftauchen (wie eben die Massentierhaltung im Zeit-Artikel), funktioniert es so richtig schlecht. (Und bei Armut noch viel schlechter.) Deshalb gibt es keine funktionierende Alternative zu gesetzlicher Regelung und Kontrolle bei diesen Problemen.

    • stralau says:

      Interessanter Punkt.

      Aus dem sich zwei Fragen ergeben:

      Die erste (und wohl bedeutendere) hängt vielleicht ein bißchen mit dem anderen Link zusammen: Wie kommt man angesichts immer komplexerer und zersplitterterer Möglichkeiten der Meinungsbildung zu einem starken Ausdruck gemeinsamen Willens in Form von strengeren Gesetzen? Führt nicht der gleiche Mechanismus, der das Individuum bei den Kaufentscheidungen überfordert auch zu unzureichender politischer Willensbildung?

      Die zweite ist der Umgang mit dieser Überforderung: Trotzdem wir zu viele Informationen über Phänomene bekommen, an denen wir nichts sofort und direkt ändern können, gibt es so etwas wie ein Gewissen (ich behaupte mal ganz laienhaft in der Welt herum, daß das Gewissen zur menschlichen Psyche konstituierend dazugehört, kann mich da aber auf nichts stützen als auf Lebenserfahrung), das in klassischen Gemeinschaften sehr nützlich war, wo man vor allem Informationen über Dinge bekam, die auch direkt im eigenen Einfluß standen. Wie kann man also in einer so komplexen Welt vernünftig mit dem Gewissen umgehen?

      • ozean says:

        Hm, also ich hab da selbst ja noch nicht zu geforscht (das ist eine der Sachen, die ich in Bezug auf den Klimawandel bearbeiten will), aber zur ersten Frage wird von den Beforschten selbst folgender Punkt wiederholt genannt:

        Es gibt eine Einsicht, dass der Gesetzgeber diese Dinge regulieren sollte. Diese Einsicht ist aber mit einer starken Resignation gepaart. Die Resignation speist sich aus der eigenen Wahrnehmung der politischen Verhältnisse und Akteure als ineffektiv, selbstbezogen, machtorientiert und von widerstreitenden Interessenlagen bestimmt und deshalb insbesondere bei langfristigen Entscheidungen mit geringem unmittelbarem Effekt nicht ausreichend handlungsfähig. Eine wirkungsvolle Alternative wird in der Regel nicht gesehen – aber doch in gewisser Weise gewünscht.

        Das Gewissen andererseits gibt es und es wirkt sich auch aus. Allerdings in sehr unterschiedlicher Weise und in Zusammenhang mit verschiedenen (Kultur-)Techniken, die beim Umgang mit Unangenehmen Gefühlen eingesetzt werden. Die Spannbreite reicht hier von der Depression über begrenzten Aktionismus (Medienevents, meist nur eine einzelne Umstellung einer bestimmten Gewohnheit – sehr selten weitergehend zu dauerhaftem, kollektivem Handeln) bis zur Verdrängung.

        Ein bisschen Literatur dazu:

        Zur Depression als als Kehrseite der Individualisierung der Verantwortung:
        Alain Ehrenberg Das erschöpfte Selbst : Depression und Gesellschaft in der Gegenwart ISBN 3593375931

        Zu Wahrnehmung und Umgang mit unterschiedlichen Risiken und zum Wechselspiel von individuellem, kollektivem und politischem Handeln:
        Bickerstaff, Karen, Peter Simmons und Nick Pidgeon „Constructing responsibilities for risk : Negotiating citizen–state relationships.“ in Environment and Planning A 40(6): 1312-1330. DOI: 10.1068/a39150

        Zur Wechselspiel von Erkenntnis / schlechtem Gewissen und Verdrängung / Verneinung:
        Norgaard, Kari Marie (2006) „‘People want to protect themselves a little bit’: Emotions, denial, and social movement nonparticipation.“ Sociological Inquiry 76(3): 372-396. DOI: 10.1111/j.1475-682X.2006.00160.x

        • stralau says:

          Das klingt beides für mich ein bißchen enttäuschend.

          Wenn die gesetzlichen Normen gefordert werden, aber praktisch nicht umgesetzt werden, weil Politiker genauso gefangen sind, wie wir, dann wird das Problem ja doch eher hin und her geschoben. Und das Gewissen ausschließlich als negative Gefühlsregung, die besänftigt werden muß, klingt in meinen Ohren sehr schwach.

          Da waren Luther und Kant ja viel weiter, aber in Deinen Augen und denen der heutigen Sozialwissenschaft vermutlich auch viel mehr Illusionen verhaftet, indem sie dem Individuum mehr Freiheit unterstellten, als es tatsächlich hat.

          Nee, nee, der Protestant in mir wehrt sich da heftig gegen diese Ablehnung der Verantwortung des Einzelnen :-), vermutlich haben aber die Sozialwissenschaftler die bessere Empirie.

          Der Titel des Ehrenberg-Buches klingt interessant — Entscheidungsfreiheit, die zu totaler Erschöpfung führt. Du stellst meine Füße auf weiten Raum. (Ps 31) wird der Taufspruch unserer Tochter. Ohne die Hoffnung (die hier im Du steckt), ist der weite Raum eine Überforderung.

          • ozean says:

            Ja enttäuschend finde ich das auch (allerdings gleichzeitig im positiven wie im negativen Sinne). In Bezug auf die Sozialwissenschaft kann ich das allerdings mindestens auch noch um die Psychologie erweitern (in der auch bisher die meiste empirische Forschung zum Zusammenhang Wahrnehmung, Verantwortung und individuelles Handeln durchgeführt wurde). Obwohl, vielleicht ist das dann auch Sozialpsychologie… ;-)

            Mit der Freiheit ist das natürlich immer schon eine spannende Sache. Da gibt es ein fröhliches Nebeneinander von der Freiheit nutzenmaximierender Menschen im Sinne des home oeconomicus, der Determination des Menschen durch die Beschaffenheit seines Hirns oder wahlweise seiner Gene, der existenziellen Freiheit eines Sarte, der Unmöglichkeit des richtigen Lebens im Falschen bei Adorno, des von der Welt getrennten Geistes bei Déscartes (bei Kant sieht das immerhin etwas anders aus), des sich Lichtungen freimachenden Seins bei Heidegger, des in der tätigen Kontemplation aufgehenden Menschen bei Mystikern wie Meister Eckhardt. Wie gesagt, alles spannend und alles noch spannender, weil die meisten Menschen, wenn man ihnen Zeit und Raum gibt, sich damit auseinanderzusetzen, diese Probleme auch auf hohem Niveau verhandeln können. Aber der Alltag… der geht vor allem einfach mal weiter und zieht und zupft ständig an einem herum. Was ja nicht nur schlecht ist und vor allem: ganz normal. ;-)

            Der Ehrenberg ist in jedem Fall eine feine Lektüre – mit großem Überblick aber auch gutem Sinn für die wichtigen Details geschrieben.

          • stralau says:

            Was mir noch einfällt: eine Bewußtseinsänderung ist schon nötig: wie sind denn solche Sachen wie zB phosphathaltige Waschmittel oder FCKW im Kühlschrank verschwunden (letzteres übrigens in einer schönen Kooperation zwischen Greenpeace und einem DDR-Traditionsbetrieb kurz vorm Untergang)? Am Ende durch Gesetze, aber diese kommen nur zustande, wenn es ein Interesse für das Thema und den Wunsch zur Änderung gibt.

          • ozean says:

            Oh, da stimme ich Dir zu – notwendig auf jeden Fall. Allerdings nicht hinreichend. (Hach, Spaß mit Logik!)

    • stralau says:

      Jetzt sehe ich erst, daß Du Dich auf den Satz im Anreißer des Zeit-Artikels beziehst. Auch so ein Beispiel für mediale Überforderung.

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