Dok-Leipzig 2010: Nach der Revolution

Sonntag, 24. Oktober 2010

Dieser sehr sehenswerte Film läuft heute abend 22.00 bei 3sat.

Nach der Revolution (Dörte Franke, Marc Bauder, Deutschland 2010, 91:00 min.) — Internationales Programm Dokumentarfilm

Drei Akteure vom Zentralen Runden Tisch in der DDR 1989/90 — Ulrike Poppe (Demokratie Jetzt), Reinhard Schult (Neues Forum) und Markus Meckel (SDP/SPD) werden in den Jahren 2009/2010 begleitet. Parallel dazu sieht man Archivmaterial aus den Sitzungen des Runden Tisches.

Es gibt viele Filme über 1989/90, aber nur sehr wenige gute. Dieser ist einer der besten. Das liegt vor allem daran, daß die Autoren mit keiner vorbereiteten These daherkommen, sondern den Akteuren Zeit lassen, bestimmte Fragen von damals noch einmal aufzuwerfen, Erklärungen zu suchen und dabei damit leben kann, wenn diese Erklärungen unvollständig, offen und nicht widerspruchsfrei sind. Dadurch erhält man einen sehr tiefen Einblick in Motivationen, Wünsche aber auch Unsicherheiten der Protagonisten damals wie heute. Die Bürgerrechtler werden einmal nicht als Illustrationen für historische Thesen benutzt, sondern sind wirklich Hauptfiguren, die sehr ernstgenommen werden.

Großartig wird der Film aber auch durch das Material vom Runden Tisch, durch dessen gute Auswahl und Schnitt der Film zum einen eine große Spannung bekommt, zum anderen die Unsicherheit, die vorsichtigen Schritte aber auch die Bestimmtheit im Auftreten und das Pathos der damaligen Zeit noch einmal sehr deutlich zeigt, wenn die Bürgerrechtler auf der einen Seite und SED/PDS mit den Blockparteien auf der anderen Seite des gar nicht so runden Tisches sich gegenübersitzen und Fragen von der Subvention für Kinderbekleidung über die Aufarbeitung der Polizeiübergriffe am 7./8. Oktober ’89 bis zur neuen DDR-Verfassung verhandeln. Die neue Verfassung, die dann von der Volkskammer und dem späteren Bundestag erst verschleppt und dann begraben wurde ist dann auch der Punkt, über dessen Interpretation sich die drei Protagonisten bis heute nicht einig sind.

Zusätzlichen Drive bekommt „Nach der Revolution“ dadurch, daß während der Dreharbeiten entscheidende Lebenswendungen passieren: Markus Meckel verliert sein Bundestagsmandat in der Uckermark und Ulrike Poppe wird die erste Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen in Brandenburg.

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