Ist man in Berlin oder Potsdam in Filmzusammenhängen unterwegs, läuft einem unvermeidlich Knut Elstermann über den Weg. Eine Art Hase-und-Igel-Effekt war es, als er hier — eloquent und witzig wie üblich — in Leipzig die Eröffnungsveranstaltung des 51. Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm moderierte.
Es sprachen: die sächsische Kultusministerin Frau Dr. Schwarz, die redete, wie eine Kultusministerin eben reden muß; der Leipziger Kulturstadtrat Girardet und der Festivalleiters Claas Danielsen, der eine kluge Rede über den Film in einer Welt der Angst hielt.
Das Highlight in diesem Jahr: Innenansichten aus Afghanistan. Das Problem: keine deutschen Beiträge im internationalen Wettbewerb, was wohl auch daran liegt, daß Dokumentarfilm in Deutschland vor allem vom Fernsehen bezahlt wird und entsprechend weichgespült ist. Dazu gibt es am Sonnabend auch ein Panel, aber ich denke nicht, daß ich mir das anhören werde, denn ich bin zum Filme gucken hier.
Auf der Eröffnung gab es zwei Filme:
Germania Wurst (Volker Schlecht, Deutschland 2008, 11 min.) — Internationaler Wettbewerb Animationsfilm
Ein Ritt durch die deutsche Geschichte vom Teutoburger Wald bis zur Wiedervereinigung. Amüsant, rasant und mit teilweise atemberaubenden Bildern: der Systemwettkampf zwischen DDR und BRD wird dargestellt von zwei Hunden in Hamsterrädern deren einer davonrollt, während der andere immer mehr abmagert und am Ende umkippt und den Grenzzaun mitreißt und schließlich vom wohlgenährten Westhund gefickt wird.
Man on Wire (James Marsh, Vereinigtes Königreich 2007, 89 min.) — Internationales Programm Dokumentarfilm
Philippe Petit ist schon als Kind gern hoch hinaus geklettert. Er brachte sich selbst das Seiltanzen bei und suchte später nach dem immer Außergewöhnlicheren, dem Regelbruch, der Kunst. Zuerst spannt er heimlich ein Seil zwischen den beiden Türmen von Notre Dame und läßt Paris den Atem stocken. Dann verursacht er (mit seiner Clique, die ihm beim Aufbau helfen) einen Stau auf einer Brücke in Sidney, wo er zwischen den beiden Pylonen auf dem Seil tanzt.
Als Kind findet er einen Artikel in einem französischen Magazin über die Zwillingstürme des World Trade Centers, die gebaut werden sollen. Als diese Türme noch nur Idee sind, werden sie sein Traum. 1974, kurz nach Beendigung des Baus, schleichen er und seine Freunde sich ein. In einer abenteuerlichen Nacht wird das Seil in 450 m Höhe gespannt und am nächsten Morgen bewegt er sich 45 Minuten lang zwischen den beiden Turmspitzen. Als er wieder Festland erreicht, schlägt ihn die Polizei nieder und führt ihn in Handschellen ab. Ihn erstaunt vor allem, daß die Amerikaner immer wieder fragen, warum er das getan hat, während doch die inhärente Schönheit eines solchen Kunstwerkes auf der Hand liegt.
Ein wundervoller Film, der zeigt, wie weit Menschen gehen können, wenn sie keine Angst haben.