Macht und Sprache

Mittwoch, 26. November 2008

Ich habe einen Teil meines Studiums an der Humboldt-Universität verbracht und bin noch diese Woche Mitarbeiter derselben. Der Referentenrat (das, was an anderen Universitäten AStA heißt), hat auf mich am Ende meiner Studienzeit (und die war lang!) und danach einen etwas weltfremden Eindruck gemacht. Während sich die Referenten noch Mitte der Neunziger Jahre vor allem für die Belange der Studenten einsetzten, ging es in meiner Wahrnehmung im Refrat und im Studentenparlament am Ende vorrangig um den Ausweis linken Bewußtseins in endlosen Diskussionen um irrelevante Themen.

Die HU-Studentenzeitung Unaufgefordert fand ich seit dem Winter 1989/90, in dem sie das erste Mal erschien, meistens sehr spannend und gut gemacht. Klar wären manchmal die ersten Gehversuche von studentischen Schreibern noch verbesserungsfähig gewesen, einiges hat mich auch gar nicht interessiert, aber immer ging es der Redaktion darum, relevante Geschichten zu schreiben und Haltung zu zeigen. Damit hoben sie sich wohltuend ab von dem, was man als Student sonst noch in die Hand gedrückt bekam: politische Verlautbarungen sektiererischer Gruppen und Kommerzblätter, die sich an die angebliche zukünftige Elite heranschleimen.

Nun soll Schluß sein: dem Referentenrat paßt die politische Ausrichtung nicht, deswegen wurden der Unaufgefordert die Gelder gestrichen. Festgemacht wird der Beschluß laut Taz am Umgang mit einem Fall sexueller Belästigung einer Studentin durch einen Professor und am großen I:

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Die betroffene Studentin zog kurz vor Redaktionsschluss ihre Aussagen zurück. Im Heft war dann nur eine knappe öffentliche Erklärung der Frau zu lesen, dafür aber ein ausführlicher offener Brief des beschuldigten Professors, in dem dieser sich vehement verteidigte. Das Stupa fand die Berichterstattung unfair und sexistisch und erließ einen Beschluß zum besseren Opferschutz. Es gab Sitzungen und Schlichtungsgespräche. Als Wiedergutmachung führte die UnAufgefordert in der nächsten Ausgabe ein Interview mit der Frauenbeauftragten der Universität über Bewältigungsstrategien bei sexueller Belästigung. Doch das ging den Gremienmitgliedern offenbar nicht weit genug.

“Die Redaktion fällt immer wieder durch ihre unsensible Handhabung von Gender-Fragen auf”, kritisiert zum Beispiel Marie Melior, die als Vertreterin der grün-alternativen Hochschulgruppe im Stupa sitzt. Die 22-jährige Jurastudentin ärgert sich über fehlende Binnen-Is in der UnAufgefordert und wiederholt auftauchende Geschlechterklischees im Heft. Daß dort kaum “gegendert” werde, widerspräche den im Stupa mehrheitlich geltenden Auffassungen von Geschlechtergerechtigkeit. “Die UnAufgefordert ist ein Organ des Stupa. Trotzdem müssen wir unsere Seiten [das Studentenparlament produziert eine Beilage zur Unaufgefordert] immer wieder dazu verwenden, deren Artikel richtigzustellen.”

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Bewegt man sich außerhalb universitärer Zusammenhänge, ist einem vielleicht nicht klar, wie extrem ernst solche Sprachregelungen genommen werden. Auch in nichtstudentischen Publikationen der Universität bekommt man das große I (oder Partizipkonstruktionen wie „Studierende“) in Texte hineinkorrigiert. Komischerweise macht sich dabei niemand bewußt, daß trotz „Genderns“ in der Sprache die wichtigen Positionen der Universität immer noch männerdominiert sind und so manche Entscheidung in klassischen Männer-Kungelrunden getroffen wird.

Nüscht mit Geschlechtergerechtigkeit.

7 Responses to “Macht und Sprache”

  1. kerstin says:

    Ich glaube schon, dass sich so Einige, und vor allem auch diejenigen, die sich fuer das I einsetzen darueber bewusst sind, dass die Universitaeten maennerdominiert sind – und sich auch dafuer einsetzen, dass sich das veraendert. Ich glaube auch, dass Sprache recht wichtig ist dafuer was wir als normal ansehen. Eine Veraenderung der Sprache in diesem Sinne loest nicht das Problem, aber traegt bei es zu sehen. Auch wenn es beim Schreiben unaesthetisch und anstrengend zu sein scheint. Ist natuerlich so eine Sache, die du da anschneidest – also dass es eine Gerechtigkeit vorgaukelt wo keine ist. Ob es also konsequent waere staendig rassistisch zu schreiben, wo eine rassistische Gesellschaft besteht zum Beispiel. Im Sinne von Ehrlichkeit. Aber ich weiss nicht so recht.

    • stralau says:

      Naja — in der Universitätsverwaltung (also nicht im studentischen Bereich) scheint es da eine Arbeitsteilung zu geben: die einen redigieren Texte durch große Is kaputt, die anderen treffen die wichtigen Entscheidungen und man läßt sich gegenseitig in Ruhe. Eine Bewußtseinsänderung ist da nicht einmal im Ansatz erkennbar.

      Zum Vergleich mit rassistischer Sprache: ich empfinde den Verzicht auf die ständige Nennung weiblicher und männlicher Formen überhaupt nicht als sexistisch, ich habe eher das Gefühl, daß hier auf seiten des großen Is eine Verwechslung zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht vorliegt. Durch die pauschale Verdächtigung einst unverfänglicher Sprache werden auch die Benutzer dieser Sprache verdächtigt und das halte ich für zu weit gehend.

      Was mich daran ärgert, neben der Sprachverhunzung, ist die Beschränkung auf symbolische Politik: seht, an der Sprache sollt Ihr die Bösen erkennen. Daß es manchen der „Genderer“ kaum um Sprache, sondern fast nur um Ideologie geht, sieht man an Beispielen wie dem (neulich tatsächlich in einer Uni-Publikation vorkommenden) „Mitgliederinnen“.

      Ich möchte sehr gern sensibel sein, was Sprache angeht, aber aus eigenem Antrieb heraus, ohne es mir von anderen vorschreiben zu lassen. Daß strikte Sprachregelungen (wie sie z.B. unter anderen Vorzeichen in der DDR an fast allen Stellen üblich waren) letztlich nur zu Lippenbekenntnissen führen, ist u.a. im Behindertenbereich zu sehen: Idiot (einst neutral gebraucht) –> Schwachsinniger –> geistig Behinderter –> Mensch mit geistiger Behinderung.

      Auf dem Schulhof wird man dann heute eben nicht mehr als Idiot, sondern als Behinderter beschimpft, die Diskriminierung selbst aber hat sich in den Jahrhunderten nicht geändert (wenn man mal die systematischen Morde des Nationalsozialismus ausklammert).

      • kerstin says:

        Ich glaube aber nicht, dass es unverfaengliche Sprache gibt, die durch den Gebrauch vom grossen I verfaenglich gemacht wird. Das Beduerfnis das I einzufuehren ist ja offenbar entstanden, weil so Einige ein Problem mit der bisherigen Benennung hatten und sich eben nicht bezeichnet gefuehlt haben mit dieser Sprache. Und glaubst du nicht auch, dass wenn ein “Student” oder ein “Mitarbeiter” gesagt wird, sich die Mehrheit einen maennlichen Menschen vorstellt? Ich sehe das Problem der Zensur, aber auch der eigene Antrieb erscheint mir ein problematisches Konzept zu sein. Ist es denn eine Loesung Idiot, Schwachsinniger, Nigger zu sagen? Also ich wuerde denken, dass bei mir die veraenderten Bezeichnungen auch irgendwas bewirkt haben. Und dass sich die Diskriminierung so gar nicht veraendert hat? Sind ja schon andere Formen gefungen worden ueber die Zeit? Von Wegsperren bis integrativer Kindergarten= Ohne dass damit Diskriminierung so ganz verschwungen waere. Lippenbekenntnisse reichen nicht aus. Auch Sprachpolizei jeglicher Weise ist recht nervig, da bin ich ganz einig.

        • stralau says:

          „Ein Student“ kann männlich sein, ja. [Aber auch hier gibt es unterschiedliche Empfindungen. Meine Mutter (die kürzlich diese Webseite entdeckte — Hallo Mami!), die, wie ich, in der DDR großwurde, besteht auf der Berufsbezeichnung „Diplom-Chemiker“ — wie es auch auf ihrer Abschlußurkunde steht –, eben weil sie in diesem Beruf nichts anderes gemacht hat als die Männer.]

          Es geht aber beim großen I um die Mehrzahlform. Und hier ist unsere Empfindung unterschiedlich. Ich empfinde bei „Studenten“, wenn es keinen anderen Kontext gibt, eine gemischtgeschlechtliche Gruppe. Und mir geht es ja auch überhaupt nicht darum, anderen das große I verbieten zu wollen (auch wenn ich solche Texte nicht ganz ernstnehme), sondern darum, daß ich (und wohl auch die Unaufgefordert) es mir nicht mit Sexismus-Unterstellung vorschreiben lassen möchte. Aber das hast Du in Deinem letzten Satz ja auch schon festgestellt.

          Bei „Neger“ hat es meiner Meinung nach ein ursprünglich im Deutschen unschuldiges Wort durch die Parallele zum englischen Schimpfwort „Nigger“ getroffen. Dennoch hat sich hier der Wandel ja schon vollzogen. Wenn ich jetzt im normalen Gebrauch „Neger“ verwenden würde, wäre das markiert und dadurch tatsächlich rassistisch. Deswegen verwende ich es nicht. Ich würde aber einen älteren Menschen, der von dieser Diskussion bisher nichts mitbekommen hat, nicht in Rassismusverdacht stellen, nur weil er „Neger“ sagt. Echt rassistisch ist zum Beispiel die im Osten verbreitete Bezeichnung „Fidschis“ für Vietnamesen.

          Man kann diesen Wandel aber tatsächlich nicht zurückdrehen. Deswegen wäre es kindisch, wenn ich jetzt mit „Neger“ oder „Schwachsinniger“ anfinge. Aber bei den weiblichen Formen geht es um mehr: hier sollen nicht nur Wörter ersetzt, sondern auch die Grammatik verdreht werden. Dieser Wandel ist außerhalb bestimmter Kreise von der Sprachgemeinschaft bisher nicht übernommen worden. Ich glaube auch zu wissen, warum: Sprache ist normalerweise auch ökonomisch. Diese Formen aber blähen Texte auf und verschlechtern die Lesbarkeit.

          Während die Befürworter geschlechtergerechter Sprache manchmal damit argumentieren, daß doch ihr Anliegen wichtiger sei als die Sprachentwicklung, zeigen sie dadurch meiner Meinung nach ein bißchen Arroganz — sie lassen sich nicht auf ihr Gegenüber ein.

          Und ja, ich glaube tatsächlich, daß sich die wenigen Verbesserungen im Umgang mit behinderten Mitgliedern der Gesellschaft überhaupt nicht auf Sprachregelungen zurückführen lassen. Ein schwaches Beispiel ist das Behindertenheim, in dem ich einst arbeitete und in dem der Umgang oft alles andere als gut war. Man wollte Bezeichnung „Behinderte“ loswerden und sagte stattdessen „Bewohner“, was in bezug auf die Heimsituation ja erstmal völlig in Ordnung ist. Im Kopf der Betreuerinnen schien dann aber eine einfache Ersetzung stattzufinden, so daß diese in gedankenlosen Momenten generell von „Bewohnern“ sprachen, wenn Behinderte gemeint waren.

          Das Problem ist hier das Separieren in eine Gruppe. Nur werden die Behinderten/Bewohner durch die Gesellschaft separiert. Und solange das der Fall ist, ist es völlig normal, auch eine Bezeichnung für diese Gruppe zu finden. Das Problem ist nicht die Bezeichnung, sondern die Separierung selbst.

  2. ozean says:

    Ich finde das I und die -innen usw. usf. nervig und störend. Und genau das finde ich gut daran. Solange die Geschlechter ungleich behandelt werden, dürfen und sollen bestimmte Kreise gerne diese Störung aufrecht erhalten. Das hilft vielleicht dabei, nicht gar so vergesslich zu sein.

    Natürlich heisst das im Umkehrschluss nicht, dass diejenigen, die solche Konstruktionen nicht verwenden (wollen), automatisch BösewichterInnen sind.

    (Und als PS: Ich finde Partizipkonstruktionen ja auch insofern juti, weil sie auf Tätigkeiten statt auf einen reinen Status verweisen. Das macht sie spannender. Substantive sind doof!)

  3. sunny says:

    ich hab mal mit nem freund ein manifest geschrieben, was dort veröffentlicht wurde. mal schauen, ob ich das noch finde.

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