Die neuen Tempel haben schon Risse
Donnerstag, 16. August 2007Als wir im Westen ankamen, habe ich die vergleichsweise Gelassenheit bewundert, mit der man auch mit für die Gesellschaft Unangenehmem zum Beispiel in Museen oder auch im Schulunterricht umgehen konnte. Jedoch: Agitation, der Kampf um die Auslegung der Geschichte (in geringerem Maße) auch hier.
Bei Spalanzani gibt es den Hinweis auf einen äußerst lesenswerten Zeit-Text über die Innenstadtlücke und was daraus vielleicht mal werden soll. Oder nicht. Keine Bibliothek, keine Ethnologie, stattdessen vor allem Repräsentation.
In Ägypten hat man den Statuen der alten Herrscher die Gesichter zerkratzt. Das Verdrängen deutscher Geschichte, das aus dem Abriß des Palastes spricht, ist jedoch vermutlich nur ein Teil der Motive der Schloßbefürworter. Der Wiederaufbau des Schlosses ohne Ausschreibung und Wettbewerb ist antimodern und piefig. Es hätte ja auch etwas neues werden können. Auf dem Schloßplatz wird nicht nur versucht, die gute alte Zeit wiederaufleben zu lassen, auch die Planung für das Denkmal für Einheit und Freiheit auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals für 2015 sind einfallslos und riechen nach Vereinnahmung. Konsequent wäre es aber vielleicht, Kohl im Mantel der Geschichte auf diesen Sockel zu stellen. Wurschtig erscheint auch der Vorschlag, statt der Ethnologischen Museen die Gemäldegalerie ins Schloß ziehen zu lassen: tut der das denn gut?
Auf die andere Seite dessen, was vom Palast noch übrig ist, wird im Moment nicht so gern geschaut — bei der Neugestaltung ist meist nur vom Schloßplatz die Rede. Auf dieser anderen Seite jedenfalls steht das Marx-Engels-Forum, ein eher untypisches DDR-Denkmal, geradezu klein und unheroisch, in einem Park, der an dieser Stelle überraschend wirkt und von Anwohnern und Touristen gern genutzt wird. Die Ostfassade des Schlosses war die schmucklose Seite, die in Richtung der Arbeiterviertel am Alexanderplatz zeigte. In den Konzepten zum Stadtschloß kommt diese Seite bisher nicht vor.
Aus der Bauzeit des Marx-Engels-Forums gibt es schöne Bilder der Ostkreuz-Fotografin Sibylle Bergemann. Der einschwebende Engels war ganz bestimmt Inspiration für Good Bye Lenin.