Ich habe einen Teil meines Studiums an der Humboldt-Universität verbracht und bin noch diese Woche Mitarbeiter derselben. Der Referentenrat (das, was an anderen Universitäten AStA heißt), hat auf mich am Ende meiner Studienzeit (und die war lang!) und danach einen etwas weltfremden Eindruck gemacht. Während sich die Referenten noch Mitte der Neunziger Jahre vor allem für die Belange der Studenten einsetzten, ging es in meiner Wahrnehmung im Refrat und im Studentenparlament am Ende vorrangig um den Ausweis linken Bewußtseins in endlosen Diskussionen um irrelevante Themen.
Die HU-Studentenzeitung Unaufgefordert fand ich seit dem Winter 1989/90, in dem sie das erste Mal erschien, meistens sehr spannend und gut gemacht. Klar wären manchmal die ersten Gehversuche von studentischen Schreibern noch verbesserungsfähig gewesen, einiges hat mich auch gar nicht interessiert, aber immer ging es der Redaktion darum, relevante Geschichten zu schreiben und Haltung zu zeigen. Damit hoben sie sich wohltuend ab von dem, was man als Student sonst noch in die Hand gedrückt bekam: politische Verlautbarungen sektiererischer Gruppen und Kommerzblätter, die sich an die angebliche zukünftige Elite heranschleimen.
Nun soll Schluß sein: dem Referentenrat paßt die politische Ausrichtung nicht, deswegen wurden der Unaufgefordert die Gelder gestrichen. Festgemacht wird der Beschluß laut Taz am Umgang mit einem Fall sexueller Belästigung einer Studentin durch einen Professor und am großen I:
[…]
Die betroffene Studentin zog kurz vor Redaktionsschluss ihre Aussagen zurück. Im Heft war dann nur eine knappe öffentliche Erklärung der Frau zu lesen, dafür aber ein ausführlicher offener Brief des beschuldigten Professors, in dem dieser sich vehement verteidigte. Das Stupa fand die Berichterstattung unfair und sexistisch und erließ einen Beschluß zum besseren Opferschutz. Es gab Sitzungen und Schlichtungsgespräche. Als Wiedergutmachung führte die UnAufgefordert in der nächsten Ausgabe ein Interview mit der Frauenbeauftragten der Universität über Bewältigungsstrategien bei sexueller Belästigung. Doch das ging den Gremienmitgliedern offenbar nicht weit genug.
“Die Redaktion fällt immer wieder durch ihre unsensible Handhabung von Gender-Fragen auf”, kritisiert zum Beispiel Marie Melior, die als Vertreterin der grün-alternativen Hochschulgruppe im Stupa sitzt. Die 22-jährige Jurastudentin ärgert sich über fehlende Binnen-Is in der UnAufgefordert und wiederholt auftauchende Geschlechterklischees im Heft. Daß dort kaum “gegendert” werde, widerspräche den im Stupa mehrheitlich geltenden Auffassungen von Geschlechtergerechtigkeit. “Die UnAufgefordert ist ein Organ des Stupa. Trotzdem müssen wir unsere Seiten [das Studentenparlament produziert eine Beilage zur Unaufgefordert] immer wieder dazu verwenden, deren Artikel richtigzustellen.”
[…]
Bewegt man sich außerhalb universitärer Zusammenhänge, ist einem vielleicht nicht klar, wie extrem ernst solche Sprachregelungen genommen werden. Auch in nichtstudentischen Publikationen der Universität bekommt man das große I (oder Partizipkonstruktionen wie „Studierende“) in Texte hineinkorrigiert. Komischerweise macht sich dabei niemand bewußt, daß trotz „Genderns“ in der Sprache die wichtigen Positionen der Universität immer noch männerdominiert sind und so manche Entscheidung in klassischen Männer-Kungelrunden getroffen wird.
Nüscht mit Geschlechtergerechtigkeit.