Bettenkino
Sonntag, 31. August 2008Was für eine Nacht, was für ein Morgen. Danke, Unkul!
Was für eine Nacht, was für ein Morgen. Danke, Unkul!
Gesammelte Links von Sonnabend, 30. August 2008:
Seit Tagen schreibt die FAZ ueber Wehlers neuen Band zur deutschen Nachkriegsgeschichte. Interessiert mich nicht sonderlich. Monika Marons Bemerkungen zur Fussnote DDR sind interessanter.
Eine der Geschichten des 20. Jahrhunderts am Sonnabend, dem 6. September um 19.00 Uhr in der Friedrichshainer Samariterkirche:
Salomea Genin liest aus ihrer noch unveröffentlichten Autobiografie:
“Die Äffin mit dem Känguruhschwanz oder wie ich ein Mensch wurde”
Salomea Genin wurde als Kind polnisch-russischer Juden 1932 in Berlin-Wedding geboren. 1939 flüchtete sie mit ihrer Familie vor den Nationalsozialisten nach Australien.
Ihre Kindheit ist davon bestimmt, daß sie sich schämt, Jüdin zu sein. Sie wurde, wie sie selbst von sich anläßlich ihres 75. Geburtstags sagte, eine jüdische Antisemitin. Mit 12 Jahren trat sie dem
Kommunistischem Jugendverband bei und mit 17 in die Kommunistische Partei Australiens. Diese wurde für sie zur Ersatzfamilie, hier fühlte sie sich wohler als zu Hause.1954 machte sie sich auf den Weg in die weite Welt und der Suche nach Heimat. Sie ging dorthin, wo sie geboren wurde, nach Berlin. In Ostberlin wollte man sie zunächst nicht. Sie kämpfte 9 Jahre, bis man
sie nach Ostberlin hinein ließ. Hier trat sie in die SED ein. Sie war endlich froh, nichts mehr mit Juden und dem Judentum zu tun haben zu müssen.Aber sie wurde ständig damit konfrontiert und sie sah sich einer wachsenden Ignoranz in der Hinsicht gegenüber, dass man glaubte genau zu wissen, wie die Schoah abgelaufen war.
8 Jahre später trat sie in die Jüdische Gemeinde ein und fand sich damit ab, Jüdin zu sein.
Es dauerte noch weitere 12 Jahre bis sie erkannte, dass sie in einem Polizeistaat lebt und sie fühlte sich schuldig. Schuldig, weil sie mitgeholfen hat, diesen aufzubauen. 20 Jahre lang hatte sie für die
Stasi gearbeitet. Sie fiel, wie sie sagt, in ein tiefes Loch. Im Mai 1989 hatte sie den Mut, aus der SED auszutreten und wurde danach Mitglied im Neuen Forum.
Auf dem wunderbaren baumbestandenen leeren Grundstück Krachtstraße/Ecke Bahrfeldtstraße wurde heute begonnen, die alten hohen Pappeln zu fällen. Das ist schade, es liegt aber eine Fällgenehmigung vor für fünf der Pappeln an der Bahrfeldtstraße (die an der Krachtstraße bleiben also vorerst stehen) und für eine Robinie und einen Ahorn im Garten des alten Hauses Bahrfeldtstraße 2.
Ursache ist die bevorstehende Sanierung des Hauses Bahrfeldtstraße 2 (mal sehen, ob sie es gut hinbekommen oder ob es so richtig schön häßlich wird) und bei der Robinie Einsturzgefahr.
Wie es mit dem Rest der Bäume auf dem Eckgrundstück weitergeht, ist im Moment noch unbekannt, immerhin ist hier ja auch Blockrandbebauung geplant.
Gesammelte Links von Mittwoch, 27. August 2008:
Leipzig-Reudnitz ist schon lange ein schwieriges Pflaster. Die Flohbude war auf einer von der NPD vereinnahmten Demo nach dem Kindermord in Reudnitz. [via Stefan Niggemeier]
39% Arbeitslose in Reudnitz/Thonberg, 73% in Volkmarsdorf und die NPD triumphiert. Was passiert im Leipziger Osten?
Mark Siemons zieht Bilanz
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Ich habe keine Ahnung, ob heutzutage überhaupt noch irgendwer Fortsetzungsromane liest. Ich werde das jetzt mal probieren: Die FAZ, die sich diese Marotte noch leistet, druckt den neuen Roman von Christian Kracht ab, in dem es um ein Konjunktiv-Europa geht. Was wäre geschehen, wenn Lenin 1917 in der Schweiz geblieben wäre, diese jetzt kommunistisch wäre und die Welt sich in einem nicht endenden Krieg befände.
Vielleicht hat sich Kracht ja von dem uralten Radio-Jerewan-Witz inspirieren lassen:
Anfrage an Radio Jerewan: „Könnte die Schweiz sozialistisch werden?“
Antwort: „Im Prinzip ja. Aber schade um die schöne Schweiz.“
Ergänzung: Während die erste Folge noch in deutsch-deutscher Orthographie erschien, fehlt nun, ganz schweizerisch, das ß. Ob sich da wohl der Autor beschwert hat?
Gesammelte Links von Dienstag, 26. August 2008:
Traumatische Erlebnisse (aber auch Ernaehrung und Drogen) veraendern Erbinformationen im Hirn und womoeglich sogar bei den Nachkommen. [von Fefe]
Der Film lohnt sich wegen des wunderbaren Auftrittes von Gabriela Maria Schmeide im letzten Drittel. Sie wird von der Kommissarin in einer Pension aufgespürt, in die sie sich verwundet zurückgezogen hat, nachdem sie von den Klassenkameraden ihres Geliebten vergewaltigt wurde und seinem Tode zusehen mußte.
Der Rest allerdings zieht sich ganz schön — sehr schleppende Handlung und teilweise abgelesen klingende Dialoge. Der Film spielt größtenteils auf einem Eliteinternat (ein reines Jungsinternat — gibts sowas?) und dieses Setting hat die Macher (Stefan Rogall/Bodo Fürneisen) ganz schön zu Klischees verführt (reiche Snobs gegen bodenständige Angestellte).
Der RBB schreibt:
An der Seite herausragender populärer Darsteller spielen Vertreter der jungen deutschen Schauspielelite.
Leider merkt man den Unterschied zwischen den herausragenden populären Darstellern (Nina Petri, Michael Brandner, Hans Werner Meyer und eben Gabriela Maria Schmeide) und der jungen deutschen Schauspielelite gar zu deutlich. Letztere neigt ziemlich zum Overacting, was vermutlich gar nicht ihre Schuld ist, sondern auch von der Regie abhängt.
[Erstsendung: 24. August 2008]
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Gesammelte Links von Donnerstag, 21. August 2008:
Christoph Hein ueber 1968 und heute
Die Torgauer Zeitung, eine Lokalausgabe der Leipziger Volkszeitung (Madsack/Springer) druckt eine Pressemitteilung der NPD unkommentiert ab.
Juedische und deutsche Einwanderer aus den Nachfogestaaten der Sowjetunion kehren wieder zurueck, weil sie hier wenig Berufschancen sehen. Das liegt auch daran, dass in Deutschland die dortigen Hochschulabschluesse nicht anerkannt werden. “Denen geht es in Moskau oder St. Petersburg oft besser als ihren Eltern, die in Berlin geblieben sind.”
Meteorologen behaupten, am Wochenende sei das Wetter schlechter als in der Woche und dieser Einfluss sei menschengemacht. Es gibt allerdings Zweifel.
Da fasst man sich an den Kopf: In Treptow-Koepenick soll ein SPD-Mann mit fundierten Kenntnissen der rechten Szene in den Schoeffenwahlausschuss gewaehlt werden, um NPD-Schoeffen zu verhindern. Die PDS laesst ihn aber durchfallen, weil er sich auch gegen die DDR-revanchistische GBM wendet.
Sie hatten gehandelt wie die Kinder, als die sie aufgewachsen waren. Sie hatten gedacht, ihnen könne nichts passieren. Nun war ihnen doch etwas passiert.
Vor 40 Jahren wurde der andere Sozialismus in der Tschechoslowakei von der Sowjetunion, der DDR, Polen, Bulgarien und Ungarn niedergeschlagen.
Thomas Brasch, Hans Uszkoreit, Sanda Weigel, Erika Berthold, Frank und Florian Havemann und Rosita Hunzinger, Kinder prominenter Eltern, sind wie viele DDR-Bürger wütend und traurig. Sie schreiben Parolen und verteilen Flugblätter und kommen in Einzelhaft. Danach ist nichts mehr wie vorher, sie verändern sich, jeder in eine andere Richtung.
Die Geschichte der Gruppe wird in einem äußerst lesenswerten Artikel von Marcus Jauer in der FAZ von heute beschrieben. Dieser ist leider online nicht frei erhältlich. Man kann ihn aber für 2×2 € kaufen: Teil 1, Teil 2.
Oder man liest die gedruckte Ausgabe von heute, S. 44 und 45, dann hat man auch gleich noch ein paar Fotos dabei. Es lohnt sich in jedem Falle.
Gesammelte Links von Mittwoch, 20. August 2008:
Uebel: Die Berliner Auslaenderbehoerde will Berliner Jugendliche, die keinen Schulabschluss schaffen, ausweisen.
Gesammelte Links von Dienstag, 19. August 2008:
Ueber die Durban-II-Konferenz und den UN-Rat fuer Menschenrechte [via NPD-Blog]
Gesammelte Links von Montag, 18. August 2008:
Oh, das ist interessant. Zum Beispiel, dass es weniger genetische Gemeinsamkeiten zwischen Nord- und Sueddeutschen gibt, als diese jeweils mit ihren Nachbarn haben. Hat das vielleicht aehnliche Ursachen wie die Verteilung der deutschen Dialekte, die ja die großen Unterschiede auch eher zwischen Nord und Sued, als zwischen Ost und West haben?
Nach dem etwas faden ersten Fall kommt Schwung in den neuen Stuttgarter Tatort. Der Film beginnt mit einer Schießerei im Hotelzimmer, ausgelöst von der Drogenfahndung. Bei dem nicht abgesprochenen Einsatz sterben Polizist und ein Dealer; ein verdeckter LKA-Ermittler wird schwer verletzt. An seinem Körper wird ein Aufnahmegerät mit durchtrenntem Draht gefunden. Und so wird dieser Film zu einem hübschen Puzzle, in dem das Geschehen im Zimmer aus den unvollständigen Aufnahmen rekonstruiert wird.
Das ist nötig, weil auch die beteiligten Polizisten ihre eigenen Pläne verfolgen und nicht die Wahrheit sagen. Aber nicht nur sie, auch eine abhängige Kleindealerin hat versucht, LKA und Drogenfahndung bei ihren Eitelkeiten zu packen und zu steuern. Und so muß sie und die Drogenfahnder, die ihre Aussagen offensichtlich abgesprochen haben, dazu gebracht werden, die Wahrheit herauszurücken. Das geschieht einmal direkt und einmal hinterlistig.
„In eigener Sache“ hat eine sehr überzeugende Geschichte (Buch: Holger Karsten Schmidt) zu erzählen, die auch sehr auch gut umgesetzt ist (Regie: Elmar Fischer). Die Schauspieler sind bis in die Nebenrollen richtig gut (hübsch: Miranda Leonhardt und Jürgen Hartmann als Dialektsprecher mit Schlafzimmerblick). Anstrengend sind allerdings die Musik, die vieles zukleistert und der Ton, der die Sprache hin und wieder unverständlich werden läßt. Irgendjemand scheint bei manchen Tatorten am Ende der Produktion noch mal so richtig die Bässe aufzudrehen.
Die Auflösung fand ich persönlich etwas fade, das schadet dem Film aber kaum. Bißchen doof allerdings, daß hier (und an anderen Stellen) sichtbar Zeit geschunden wurde, um auf 90 Minuten zu kommen. Kann man doch auch einfach den Tatort kürzer machen, wenn’s nicht reicht.
Ein Stuttgarter Drogenfahnder, verheiratet, zwei Kinder, bekommt 1800 € netto. Puh.
Interessant ist die Pressediskussion um fehlende Ortsverbundenheit des neuen Stuttgarter Tatorts, benennt sie doch weniger eine Schwäche des jetzigen Teams, sondern zeigt mit Abschiedsschmerz, wie außergewöhnlich gut und sicher die Bienzle-Tatorte waren.
[Erstsendung: 17. August 2008]
Das ist eine Binsenweisheit. Aber doch immer wieder spannend zu erleben: Bis eben hätte ich schwören können, daß die Geiselnahme von Gladbeck nach der Wende stattgefunden hätte.
Im Schlesischen Busch (Puschkinallee), an der Grenze zwischen Treptow und Kreuzberg steht einer der letzten erhaltenen Mauerwachtürme. Seit drei Jahren gibt es in diesem Wachturm das Projekt „Letzte Überprüfung“. Der Name rührt her von einer Inschrift der Grenztruppen im Turm: „Letzte Überprüfung 3/86. Nächste Überprüfung 3/91“
Im Rahmen von „Letzte Überprüfung“ gab es seit 2005 zwölf sehr schöne Ausstellungen internationaler Künstler, die sich mehr oder weniger mit dem Thema „Grenze“ beschäftigt haben (zum Beispiel European Border Watch und konfuse magnetische Wirbel). Letztes Jahr fand das Abwehr-Performance-Festival statt.
Heute, zum Jahrestag des Mauerbaus, kann man sich im Wachturm Filme und Fotos der Kunstaktionen der letzten Jahre ansehen und eine neue Dokumentation zum Grenzregime im Schlesischen Busch wird vorgestellt.
Geöffnet heute 14 bis 19 Uhr. Bis dann!
Nachtrag: Der Wachturm und die Dokumentation sind in diesem Jahr noch bis 28. September Do–So 14–19 Uhr zu sehen.
Gesammelte Links von Dienstag, 12. August 2008:
Oh Mann. Gereon von Asmuth findet, dass Fahrradfahrer selber schuld sind, wenn sie beklaut werden. WTF?
Frank Luebberding ueber Propaganda und Opferzahlen
Gesammelte Links von Montag, 11. August 2008:
Sei Vorbild fuer Kinder — geh nur bei Rot!
Scary: Bei Google Streetview Einbahnstraßen verkehrtrum fahren. Verrückt, daß dabei die scheinbar entgegenkommenden Autos scheinbar rückwärts fahren. Wirkt noch krasser in Tunnels sowie in Ländern mit Linksverkehr, wie z.B. Japan.
Auch interessant: 360°-Schleife zum Wechsel von Links- nach Rechtsverkehr an der Grenze zwischen Macao und Festlandchina:
Gesammelte Links von Sonnabend, 9. August 2008:
Gesammelte Links von Freitag, 8. August 2008:
Als Greta Samsa eines Morgens aus unruhigen, feuchten Träumen erwachte, fand sie sich in ihrem Bett zu einem ungeheuer heißen Käfer verwandelt
Ein Interview (mp3) mit Bischof Huber anlaesslich seines neuen Buches zum Verhaeltnis von Glauben und Vernunft
Vor 45 Jahren fand der Ueberfall auf den Postzug von Glasgow nach London statt
Etwas eigenwillig geschrieben, aber doch recht interessant: warum die S-Bahn, die bis 1980 fuer beide Teile Berlins gemeinsam verwaltet wurde, einen parteilosen Chef hatte, der in West-Berlin lebte.
Beim Fahrgastverband Igeb stieß die Ankuendigung des Senats auf wenig Begeisterung: Der fast parallel zur geplanten S 21 verlaufende Fernbahntunnel sei erst zu einem Drittel ausgelastet, so daß man statt der S-Bahn lieber einen Zug zum Flughafen BBI planen solle, der ebenfalls die wichtigen Knotenpunkte miteinander verbinden wuerde — naemlich Nordring, Hauptbahnhof, Potsdamer Platz und Südkreuz. “Außerdem würden wir es begrüßen, wenn die Tram-Anbindung zum Hauptbahnhof mit der gleichen Vehemenz verfolgt würde.” Und schließlich drängt der Fahrgastverband weiter auf ein Konzept, die Nord-Süd-S-Bahn mit den U-Bahnlinien U 1 und U 2 zu verbinden. Alle kreuzen sich am Gleisdreieck, aber die S-Bahn hält dort nicht.
Bei der Grossflaechenwerbung am Brandenburger Tor soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Ein weiterer Fall zeichnet sich am Gasometer in Schoeneberg ab.
Ich arbeite in einer der touristischsten Gegenden der Stadt. Mittags ist man als Büromensch in den hiesigen Lokalen recht gern gesehen, denn die Touristen gehen meist erst abends essen. Zwischen Sushi, Edelitaliener, Falafel, Thai, Ayurvedischem Krimskrams und der Theaterkantine, die leider im Moment wegen Ferien geschlossen ist, gibt es noch das letzte Lokal am Platze, das die Wende überlebt hat.
Die Bedienung ist angenehm von hier, man wird deutsch und gut, allerdings sehr reichlich beköstigt und sehr umsorgt. Ich sitze im Freien unter der Markise, es gibt frische Pfifferlinge und es beginnt zu regnen. In der Zeitung steht ein sehr trauriger Briefwechsel. Ein Herr von etwa fünfzig Jahren in weißem Hemd, mit Cordweste, Schiebermütze und Schnurrbart, fragt in starkem französischem Akzent und fehlerfreiem, feinem Deutsch, ob er sich zu mir setzen dürfe.
Er setzt sich in den Regen, sagt, das Wasser sei doch eigentlich recht warm, es würde nur noch die Seife fehlen und zündet sich eine Zigarre an. Die Chefin tritt heraus, küßt und herzt ihn und stellt ein kleines Bier an seinen Platz. Kurz darauf kommt die andere Kellnerin — schnoddrige Berlinerin — und beschwert sich bei mir lauthals über den Gast „an der Drei“, der vorgibt, Photograph zu sein, noch nie eine so schöne Frau mit so schönen Tätowierungen gesehen zu haben und fragt, ob er sie nackt ablichten dürfe.
Ich bin kurz irritiert und weiß nicht, was sie jetzt von mir hören will. Mein Tischnachbar aber schüttelt lächelnd den Kopf, beklagt sich, Tucholsky zitierend, über die Dummheit des Photographen, der doch lieber erst einmal drei oder sechs Monate lang hätte herkommen sollen anstatt gleich direkt zu fragen. Sie scheint tatsächlich ehrlich entrüstet zu sein. Berliner Wutausbrüche — wiewohl ich selbst manchmal dazu neige — finde ich anrührend. Er fragt sie, ob sie Tänzerin sei oder Schwimmerin. Ja, reckt sie sich und lächelt, sie habe mehrere Jahre Leistungssport gemacht. Und er macht ihr Komplimente: daß man es an ihren Schultern sehen könne, daß sie aber auch wie eine Tänzerin eher schweben als laufen würde.
Später reiße ich beim Gehen zwei Stühle um. Mein Tischnachbar muß herzlich lachen über mich und mein Ungeschick und darüber, daß das ja bei ihm alles noch schlimmer sei.
Gesammelte Links von Mittwoch, 6. August 2008:
Ostberlin ist tatsächlich das Neuschwanstein der mit Nena und Friedensbewegung popsozialisierten Provinzler geworden; ein trügerisches Neuschwanstein allerdings, dem der Stalinismus seinen heute noch allgegenwärtigen Stempel aufdrückte. … Beton ist irgendwie kalt und unmenschlich, es sei denn, Herr Hundertwasser stand am Betonmischer.
Wer heute um 14.15 Zeit hat (ich nicht), kann sich „Insel der Schwäne“ im RBB-Fernsehen ansehen. Ein ziemlich abgefahrener DDR-Film von 1983, der bei Kinostart für große Kontroversen sorgte, weil er vergleichweise skeptisch und pessimistisch ist.
Hübsch, der Dialog zwischen zwei eifersüchtigen Mädchen, die eine Künstlertochter, die andere Funktionärskind: „Diplomatenkuh!“ — „Prenzlauer-Berg-Zicke!“
… seht Euch vor! Ich habe nämlich eben einen von Euch mit dem Fahrrad umgefahren. Zum Glück ist beiden nichts passiert und auch die Fahrzeuge und mein Notebook scheinen unverletzt. Peinlich ist mir, daß ich ihn im Affekt erstmal ziemlich beschimpft habe, während er vor allem an meinem Wohlergehen interessiert war. Zu meiner Rettung kann ich nur sagen, daß mein Körper wahrscheinlich durch die Muskelbewegung voller Adrenalin war und ich erstmal runterkommen mußte.
Was man sich merken sollte: Die alte Radfahrerregel, daß die Straße sicherer als Fahrradwege ist, hat sich mal wieder bewahrheitet. Und ich bin auch nur auf dem (an dieser Stelle verpflichtenden und trotzdem kreuzgefährlichen) Radweg gefahren, weil ich heute schon zweimal von Autos angehupt wurde, an Stellen, wo es nicht einmal einen Grund in Form eines benutzungspflichtigen Radweges dafür gegeben hätte.
Der Klassiker: So fuhr ich denn auf dem Fahrradweg auf die Kreuzung zu, er auch, er wollte rechts abbiegen und schien zu warten. Wie sich dann herausstellte allerdings nicht auf mich, sondern auf die Fußgänger, die da auch noch über die Straße gingen. Und so hatte ich zwar Vorfahrt, er fuhr aber genau in dem Moment an, als ich ihn fast erreicht hatte und mit ca. 35 km/h ungebremst in ihn reinbretterte.
Interessant, daß nicht einmal eine kleine Acht im Vorderrad ist. Ein Helm hätte mir übrigens nicht geholfen.
[Spoiler-Warnung: Ein Teil der Lösung wird am Ende verraten.]
Vorher steht in der Zeitung, es ginge um Behinderte und Sexualität. Gedacht: Ganz toll. Das wird doch wieder so ein Mitleidsding ohne viel Handlung.
Der Film beginnt mit einem Streit zwischen zwei Frauen in einer Autobahnraststätte. Eine verläßt den Raum und wird später niedergeschlagen. Die andere wartet, bis die Polizei am nächsten Morgen kommt. Worum es im Film geht: Die wartende Rosi Drechsler (Juliana Götze) hat das Down-Syndrom und ist schwanger. Ihre Mutter war mit ihr auf dem Weg zur Abtreibung gegen ihren Willen.
Es stimmt: Der Krimi selbst tritt an einigen Stellen etwas in den Hintergrund. Ansonsten ist „Rosis Baby“ ein ganz phantastisches Fernsehspiel geworden (Buch: Matthias Pacht, Alex Buresch, Regie: Andreas Kleinert). Sexualität und Schwangerschaft bei geistig Behinderten sind Sujets, die bei vielen Menschen von Ängsten besetzt ist. Nun können sich Filmemacher (und das passiert in der ARD leider hin und wieder) mit dem erhobenen Zeigefinger hinstellen und auf die Probleme der Gesellschaft hinweisen und das war’s dann.
Zum Glück geschieht dies hier nicht. Mit dem zynischen Jürgen Tauber (Edgar Selge) und der bemutternden Jo Obermaier (Michaela May) gibt es in München zwei eingeführte gegensätzliche Figuren, die sich dann auch ganz wunderbar am ganzen Klischeeprogramm abarbeiten. Das geht von Verachtung („Na sauber, ein Mongo.“) über Mitleid, das Leugnen der Behinderung Taubers (ihm fehlt ein Arm), Idealisierung, Unterschätzung bis zur Verharmlosung der Behinderung.
Am wunderbarsten ist die schauspielerische Leistung. Am meisten beeindruckt die Darstellerin von Rosi, Juliana Götze, die überzeugend die Schwangere spielt, die ihre Mutter sucht und einen Vater für das Kind. Am ergreifendsten spielt sie im Paar, einmal mit ihrem Liebhaber Claus Born (Sven Hönig), ein anderes Mal mit Kommissar Tauber, der sich mit ihrer Hilfe aus seinem Eispanzer befreit. Und so sind die beiden Liebesszenen — im Kinderzimmer der Halbschwester mit Claus und mit Tauber in seinem Eigenheim — unglaublich anrührend. Sie werden dies auch durch Selge und Hönig als ihre phantastisch spielenden Partner.
Dem Film ist anzumerken, daß sehr viel Aufmerksamkeit auf die Interaktion zwischen den Akteuren in Zweierszenen gelegt wurde. Man hat den Eindruck, daß der Dreh mit der selbst behinderten Juliana Götze etwas Besonderes war. Einige Szenen wirken improvisiert, theaterhaft. Das schadet dem Film jedoch nicht, es macht ihn im Gegenteil sehr lebendig. Hübsch irritierend, wie das körperliche Näherkommen zwischen Kommissar und Verdächtiger nicht in einem Take gedreht wurde, sondern immer wieder durch Schnitte unterbrochen ist.
Völlig erschreckend dann das Ende: Rosis Vater fährt mit ihr in eine tschechische Abtreibungsklinik, die Polizei folgt ihr. Sie kommt auf den OP-Tisch und der geübte Polizeiruf-Zuschauer erwartet eine Rettung in letzter Sekunde mit Strafpredigt und Abschlußwitz. Aber die Abtreibung und anschließende Lüge gegenüber Rosi bleiben uns nicht erspart — und hinterlassen einen sehr bitteren Nachgeschmack. Richtig gemacht.
Wer mehr von Juliana Götze sehen möchte, kann sie und andere sehr gute Schauspieler und Musiker regelmäßig im großartigen Theater Rambazamba in der Berliner Kulturbrauerei erleben. Theater von geistig behinderten Künstlern, das klingt nach Kuchenbasar bei der Volkssolidarität. Es hat aber nichts davon. Es ist so gut wie dieser Film.
[Erstsendung: 3. August 2008]