Archiv für Januar 2009

Botschaften

Montag, 26. Januar 2009
Antifa heißt Lauch

Rigaer Straße
Der nächste Zettel ist versteckt zwischen Sachsen und Brandenburg! gegenüber von Oma!

Ringbahnbrücke Oberspree

Tatort: Rabenherz (WDR)

Montag, 26. Januar 2009

Das mystische Mysterium. Ich seh das Universium. Und ich bin nicht allein.

Oha. Da hatte jemand gar kein Gefühl für Timing. Aus Gründen, die man leider erst am Ende erfährt, wird „Rabenherz“ immer mystischer. Dabei verlangsamt sich der Film, der schon nicht besonders rasant begonnen hat, zum Ende hin immer mehr, so daß man irgendwann sehr nervös auf seinem Stuhl herumrutscht. Und einerseits werden Geschichten nicht zu ende erzählt, andererseits wird an allen Ecken und Enden Zeit geschunden.

Ein Bereitschaftsarzt im Krankenhaus wurde mit einem Medikament vergiftet. Leider gibt es kein Motiv und im Prinzip könnte es jeder gewesen sein. Der Psychologe benimmt sich irgendwie seltsam und außerdem gibt es noch die mystische Krankenschwester Maria, die zwar überhaupt keinen Verbindung zum Toten hatte, aber schon deswegen eine Rolle spielen muß, weil sie von Anna Maria Mühe gespielt wird.

Es wird ein bißchen herumermittelt, die Krankenschwester kann durch Handauflegen heilen und den Konflikt zwischen dem Wunsch nach persönlicher Betreuung und dem Zeitdruck nicht lösen und Ballauf hat so seine Wehwehchen.

Am Ende taucht das Gift noch einmal auf und die Zeit bleibt stehen. Leider ohne Spannung. Kamera auf Krankenschwester am Dachfenster. Kamera auf Psychologen. Kamera zurück. Keiner spricht. Krankenschwester geht weg vom Fenster. Psychologe guckt raus. Sieht Ampulle. Kamera auf Psychologen. Kamera wieder auf Ampulle. Kamera wieder ins Dachzimmer. Krankenschwester geht duschen. Kamera auf Orangensaft. Könnte Gift drin sein. Kamera aber noch dreimal zwischen Psychologen und Orangensaft hin und her.

Das Ende dann verblüffend enttäuschend. Entweder haben wir alle etwas verpaßt oder aber es geht nicht mit rechten Dingen zu: Krankenschwester trinkt Orangensaft — wir denken, gleich ist sie tot — sie vögeln, dann aber ist der Psychologe vergiftet. Wie das?

Hübsch: der Erschreckspaß im Keller, bei dem der Film einmal hinter die dräuende Mystik zurücktritt.

Nachtrag: Entscheidendes ist mir entgangen. Mehr dazu in den Kommentaren.

[Erstsendung: 25. Januar 2009]

Tatort: Schwarzer Peter (MDR)

Sonntag, 25. Januar 2009

Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann.

Peter Schneider, Leipziger Unternehmer, wird erstochen und ohne Beine in der Elster gefunden. Aufgrund der Strömungsgeschwindigkeit kann leicht errechnet werden, an welcher Stelle er in den Fluß geworfen worden worden war, das aber hilft kein Stück weiter.

Was den Ermittlungen hilft ist Einfühlungsvermögen. Schneider wollte alles unter Kontrolle haben: seine Frau, seine Kinder und den ehrgeizigen Prinzipal. Erreicht wird diese Kontrolle durch Einschüchterung und Geld. Dies führte bei fast allen Personen, mit denen er zu tun hatte, zu vordergründiger Gefolgschaft, die aber immer von Haß oder Gleichgültigkeit begleitet wurde.

Das Thema dieses Filmes ist die Gewalt und wie sie sich fortpflanzt. Gezeigt wird dies an den Ränkespielen im Betrieb, am kaputten Umgang der Witwe Schneider und ihrer Kinder miteinander, vor allem aber an der Familie der Tochter Lina (Layla Laberny), in der sich die Gewalt und das Schweigen fortsetzt.

Hier unterscheidet sich „Schwarzer Peter“ wohltuend von anderen Filmen zum Thema häuslicher Gewalt, indem das tägliche Grauen und die Ausweglosigkeit in der Reihenhaushölle erschreckend deutlich gemacht werden, ohne daß jemals quoten- oder eitelkeitsbedingt der Voyeurismus der Zuschauer bedient wird.

„Schwarzer Peter“ ist sehr genau inszeniert, das gilt sowohl für die Dialoge, als auch für Kamera und den Rhythmus des Schnittes. Susanne Thomalla und Martin Wuttke spielen sich von Folge zu Folge besser aufeinander ein und weiterhin freut man sich als Herzens-Leipziger über die Stadtbilder.

Als solcher fällt einem dann aber auch auf, daß die Leiche in echt nicht aus der Elster, sondern aus dem Karl-Heine-Kanal gezogen wurde, der gar keine Fließgeschwindigkeit hat, sondern ein stehendes Gewässer ist. Aber so wird man eben zum Mitdenken angehalten.

[Erstsendung: 18. Januar 2009]

Berlinale 2009: Winter adé

Freitag, 23. Januar 2009

Vom 5. bis 15. Februar gibt es wieder Filmfestspiele in Berlin. Hinweisen möchte ich zum einen auf die Reihe „Winter adé — Filmische Vorboten der Wende“, in der 15 Filme aus den Ostblockstaaten von 1977 bis 1989 gezeigt werden. „Winter adé“ von Heike Misselwitz — ein guter trauriger Film von 1988 über Mädchen und Frauen in der DDR, der mit einer wunderbaren Klarheit von der verlorenen Zeit berichtet — wird auch gezeigt. Als der Film auf der Berlinale 1989 in West-Berlin lief, konnten die Protagonistinnen nicht dabei sein. Das wird jetzt zwanzig Jahre später nachgeholt. Zur Reihe ein Interview mit dem Kurator Claus Löser.

Außerdem im Forum des Jungen Films: „Material“ — Thomas Heises bisher unveröffentlichtes Filmmaterial aus der Wendezeit und „Die wundersame Welt der Waschkraft“ von Hans-Christian Schmid („23“, „Requiem“) über den Weg der Schmutzwäsche aus Berliner Hotelzimmern in eine polnische Großwäscherei und die Menschen, die damit zu tun haben. (Das mit dem „Jungen Film“ ist aber ein bißchen albern, in der Winter-adé-Reihe läuft auch Heises „Wozu über diese Leute einen Film?“ von 1980. Wann wird der Mann — immerhin einer der bedeutendsten deutschen Dokumentarfilmer — endlich erwachsen? Und Schmid ist auch schon 43.)

Links von Freitag, 23. Januar 2009

Freitag, 23. Januar 2009

Gesammelte Links von Freitag, 23. Januar 2009:

Links von Mittwoch, 21. Januar 2009

Mittwoch, 21. Januar 2009

Gesammelte Links von Mittwoch, 21. Januar 2009:

  • FAZ: Freiluftgottesdienst für die Freiheit

    […]

    Dass das Recht zur freien Religionsausübung im ersten Verfassungszusatz als erstes genannt wird, ist kein Zufall. Als die puritanischen Pilgerväter mit ihren Schiffen an der Küste Neuenglands landeten, erhofften sie sich in der Neuen Welt die Freiheit der Religion mindestens ebenso sehr wie bessere Lebensverhältnisse, Freiheit von geistlicher Bedrückung mindestens ebenso sehr wie Freiheit von materieller Not. Und Freiheit der Religion verstanden sie eben nicht im Sinne von Freiheit von der Religion, sondern als Freiheit für die Religion. Religion und Freiheit sind in Amerika seitdem Zwillingsgeschwister.

    […]

    „Rebellion gegen Tyrannen ist Gehorsamkeit gegen Gott“, denn nach [Jeffersons] Überzeugung ist es ein und derselbe Gott, „der uns das Leben gegeben hat und zur gleichen Zeit die Freiheit“.

    […]

    Zu den klassischen Freiheiten der Rede und Meinungsäußerung sowie der Religionsausübung fügte [Roosevelt] die Freiheit von Not und die Freiheit von Furcht hinzu.

  • FAZ: Volkswagen: Hitler und Herbie

    Sechzig Jahre Volkswagen … sechzig? Wenn wir uns nicht verrechnet haben, wurden hier ein paar Jährchen unter den Nierentisch gefegt – schließlich war der Volkswagen, Treuhänderschaft hin oder her, als es 1949 mit Bundesrepublik, Buttercremetörtchen und Touren nach Italien losging, schon zehn Jahre alt und hatte, unter seinem alten Namen KdF-Wagen, auch schon ein paar Touren nach Polen hinter sich. Historisch korrekt müsste es also eher heißen: „Siebzig Jahre Wertigkeit – gemeinsam hatten wir viel vor. Gemeinsam haben wir viel erlebt, was wir lieber nicht erlebt hätten“

Archipel Gulasch

Sonntag, 18. Januar 2009

Bei der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es für kleines Geld die hervorragende DVD-Sammlung „Auf den Spuren einer Diktatur“, enthaltend Sendungen des SFB/ORB/RBB-Magazins „Kontraste“ über die DDR/Ostdeutschland aus den Jahren 1987 bis 2001.

Spannend, Gesichter von damals wiederzusehen, die man schon längst vergessen hatte. Und ich spüre bei den Sendungen immer noch die Angst der späten Achtziger Jahre, obwohl ich doch weiß, daß es am Ende gut ausgegangen ist.

Ein hübscher (und vielleicht von den Machern der Sendung gar nicht bemerkter Witz) ist ein Interview mit Stefan Krawczyk nach seiner Ausreise, in dem dieses Beschlagnahmeprotokoll gezeigt wird, während er über dumme DDR-Beamte herzieht:

Archipel Gulasch

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Sonnabend, 17. Januar 2009

Mpf. Die FAZ ist zum Jahresanfang nicht nur dünner geworden, sie scheinen auch an den Lektoren zu sparen — es sind jetzt so viele Fehler drin, daß einem die Freude etwas vergeht. Stattdessen beschäftigen sie jetzt Don Alphonso, heißt es. Der korrigiert seine Artikel auch nicht.

Polizeiruf 110: Schweineleben (NDR)

Sonnabend, 17. Januar 2009

Der Geophysiker Taschowski wird erfroren in Badehose im Wald gefunden. Auf dem Gebiet einer LPG soll eine Schweinemastanlage gebaut werden und es regt sich Protest, der von Taschowski durch Gutachten unterstützt wurde.

In der FAZ-Vorabkritik echauffiert sich Jochen Hieber über die Ostalgie im gesamten Polizeiruf (den es doch aber schon lange auch aus dem Westen gibt) und bringt unpassenderweise auch noch Peter Sodann, den ehemaligen Tatort-Kommissar und jetzigen Präsidentenkandidaten der PDS unter. Man merkt, daß Hieber ein Problem mit dem Osten hat, war doch der Schweriner Polizeiruf zwar immer ostspezifisch, bisher jedoch kaum nostalgisch. Auf der Medienseite ist die FAZ leider immer noch Spalterblatt. Bei solchen Texten fängt man ja wirklich an, Uwe Steimles Verschwörungstheorie zu glauben, daß der Schweriner Polizeiruf wegen seiner politischen Einstellung beendet wird.

Aber obwohl Schwerin für herausragende Filme bekannt war, trifft der Langeweile- und Klischeevorwurf auf „Schweineleben“ tatsächlich zu. Die Handlung schleppt, die Dialoge sind nur noch ein Kleinstadtkabarett-Abklatsch der früheren Folgen, der Film wird mit Botschaften an den Zuschauer überfrachtet und man ist froh, als es am Ende vorbei ist.

Erwähnung finden soll die Musik von Kai-Uwe Kohlschmidt.

[Erstsendung 11. Januar 2009]

„Warum ich meinen Lehrstuhl räume“

Mittwoch, 14. Januar 2009

Marius Reiser ist seit 1991 Professor für Neues Testament am Fachbereich Katholische Theologie der Universität Mainz. Zum Ende des laufenden Wintersemesters legt er diese Professur aus Widerstand gegen die unter dem Titel „Bologna-Prozeß“ betriebene und ihm als unerträglich erscheinende Hochschulreform nieder. Wir drucken seine Begründung für diesen ungewöhnlichen Schritt. Hilfreich dabei zu wissen: Reiser ist Jahrgang 1954, steht also keineswegs kurz vor seiner Emeritierung. Hier nimmt also ein Universitätslehrer die Kosten seiner inneren Überzeugung ganz auf sich. Von seiner Universität und dem rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministerium hat Reiser auf sein Demissionsschreiben bislang keine Antwort erhalten.

[FAZ]

Wer seine Aggressionen nicht im Griff hat, …

Montag, 12. Januar 2009

… sollte vielleicht lieber S-Bahn als Auto fahren. Es ist nämlich so: es schickt sich nicht und ist nicht erlaubt, Fahrradfahrer anzuhupen, zu bedrängen oder — am gefährlichsten — zu dicht zu überholen. Nie.

Zur Erinnerung: Hupen ist innerorts ausschließlich erlaubt, um andere Verkehrsteilnehmer vor drohenden Gefahren zu warnen. In Berlin gibt es fast keine Stelle, an der Fahrradfahrer auf der Fahrbahn ohne Spurwechsel überholt werden können.

Fahrradwege, die nicht geräumt sind, sind natürlich nicht benutzungspflichtig. Solche, die nicht als benutzungspflichtig gekennzeichnet sind (blaues Schild + gleiche Vorfahrtsregeln wie parallellaufende Straße), auch nicht.

Und selbst wenn ein Fahrradfahrer einen benutzungspflichtigen Fahrradweg nicht benutzt, ist er zwar im Unrecht, hat aber erstens meist Gründe, die nicht sofort einsichtig sind (mögliche Konflikte mit rechtsabbiegenden Autofahrern, die nicht aufpassen; mögliche Konflikte mit Fußgängern; Scherben auf dem Weg, schlechte Pflasterung). Zum anderen ist das noch kein Grund, ihn und den Straßenverkehr deswegen zu gefährden.

Idioten.

Unterstreichkompetenz

Montag, 12. Januar 2009

Jürgen Kaube hat einen guten Text über Bildung und Kritikfähigkeit in unseren Zeiten geschrieben, in dem er sich dafür einsetzt, Schule und Universitäten nicht Aufgaben aufzubürden, für die sie nicht geschaffen sind: Sicherung des Wirtschaftswachstums und Beseitigung sozialer Ungleichheit.

Nach zwanzig Jahren

Sonntag, 11. Januar 2009

Wo ich bisher arbeitete, war ich Teil einer Minderheit und wenn ich so tat, als sei meine Lebensgeschichte genauso normal wie die der anderen, wurde ich manchmal schräg angeschaut.

Dort, wo ich jetzt beschäftigt bin, arbeiten Menschen aller Nationen. In meinem Team aber sind es außer mir vier Polen, ein Russe und ein Westdeutscher. Und ich merke, daß ein Teil meiner Lebenserfahrungen mehr mit denen der slawischen Kollegen als mit denen des Franken zu tun hat.

Eiszeit

Sonntag, 11. Januar 2009
Im Eis

2006 im Eis, klicken macht groß

Leider habe ich den Fotoapparat vergessen, so daß das Foto von Januar 2006 herhalten muß. In diesem Jahr ist es aber viel schöner. Der Rummelsburger See ist in diesem Jahr wieder zugefroren (er tut dies aller drei Jahre) und es tummeln sich groß und klein wie auf holländischen Malereien auf einer Weite, die sonst unzugänglich ist.

Trend-Berlin, das sich seit der bedauerlichen Schließung des Unkul nur noch selten nach Stralau vorwagt, hat DJs und Glühwein aufs Eis geschickt und so haben auch die Friedrichshainer ihre Ecke bekommen.

Es ist wunderschön und wer jetzt noch nach einem Ausflugsziel für heute sucht, möge herkommen, S-Bahn Rummelsburg, Ostkreuz oder Treptower Park.

Tatort: Baum der Erlösung (ORF)

Sonntag, 11. Januar 2009

Im Tiroler Dorf Telfs gibt es eine Stammesfehde zwischen Deutschösterreichern und Türken. Dazu schlimme Sachen wie Zwangsverheiratungen und Rassismus, ausgelöst von einem Moscheebau mit Minarett, gegen den die FPÖ hetzt. Der Bürgermeister stellt sich hinter die Einwanderer und das Minarett, das in einem albernen architektonischen Witz endet.

Zwar mag ich Harald Krassnitzer sehr. Zwar ist Franz Pfurtschneller (Alexander Mitterer) ein großartiger Spießer-Polizist mit einer ordentlichen Portion Wiener Rassismus’ und hat im Dorfpolizisten Vedat Özdemir (Tim Seyfi) einen witzigen Gegenspieler. Zwar sind die Landschaftsansichten, wie oft beim Österreicher Tatort, atemberaubend. Die jungen Bergarbeiter mit den Friedrichshain-Frisuren sind es jedoch nicht. Und Felix Mitterer, der schon die Bücher zu sehr herausragenden Österreicher Tatörtern geschrieben hat, geraten die sozialen Themen manchmal ein wenig zu Wohlfühl-Brei, auch wenn das lange nicht an den deutschen Kitsch heranreicht.

„Der Baum der Erlösung“ ist laut Mitterer „ein Geschenk an die Gemeinde Telfs“, deren Streit um die Moschee tatsächlich in den vergangenen Jahren Wellen in Österreich schlug. Vielleicht hätte man die Sache mit den Zwangsverheiratungen (die vielleicht nur aus Ausgewogenheitsgründen drin ist — damit nicht nur die Deutschösterreicher die Bösen sind) weglassen sollen und es wäre ein guter Film geworden.

[Erstsendung 4. Januar 2009]

Am neuen Ort

Sonnabend, 10. Januar 2009

Meine neue Arbeitsstelle liegt unweit vom Dorotheenstädtischen Friedhof und dem Friedhof der Französisch-Reformierten Gemeinde. Ich mag diese Ecke noch aus Kindertagen sehr, und es hat sich hier noch einiges mehr erhalten als 200 m weiter südlich.

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In der Mittagspause gehe ich knirschenden Schrittes durch den Schnee, an den Gräbern bedeutender Männer und unbekannter Frauen mit schönen Namen wie Lucie oder Klara entlang. Es ist schön. Am Donnerstag stand ich an den Gräbern Arnold Zweigs, Johannes Raus (ich wußte gar nicht, daß der schon gestorben war) und Ernst Litfaß’, am Freitag bei Heinrich Mann, Wolfgang Hilbig, Johannes R. Becher und Friedrich August Stüler. Auf Herbert Marcuses Grab steht nur sein Name und „weitermachen!“. Bahro, Bonhoeffer, Brecht, Müller und all die anderen kommen später (à propos: gleich im Radio: Müllernacht) — geht es nach dem Friedhof, kann ich viele Jahre hier arbeiten.

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Hinter der Friedhofsmauer steht die neuerbaute Mensa Nord. Ich fand Mensen wegen der Unruhe, dem Geruch und der schlechten Laune immer ganz furchtbar. Diese hier sieht anders aus: sehr hell und drinnen sieht man lachende Studentinnen. Vielleicht gehe ich mal hin.

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Ich bin einer der nicht übermäßig vielen Deutschen und vielleicht der einzige Berliner unter den Kollegen. Vor fünf Jahren, bei der Arbeit in einem ganz ähnlichen Umfeld, wurde beim Herkunftsort Berlin sofort gefragt, ob Ost oder West. Heute interessiert das niemanden mehr.

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Wir mögen uns hier sehr, und das ist viel wert.

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Nachtrag: Biermann (der um die Ecke wohnte) ist einst auch in der Mittagspause über den Friedhof gegangen.

Tatort: Der tote Chinese (HR)

Sonnabend, 10. Januar 2009

Der reiche chinesische Geschäftsmann Tony Wang (Chike Chan) streitet sich in einer Bar des Frankfurter Flughafens mit anderen chinesischen Teilnehmern an einem Handelskongreß. Nachdem diese ihn verlassen, trifft ihn der Tadschike Shavkat Nazarov, grandios leger und sehr witzig gespielt von Kida Khodr Ramadan. Nach einem Besäufnis von Wang und Nazarov betrunken, wird Wang im Fitneßraum unter einem Gewicht ermordet. Nazarov stolpert weiter durch den Film und taucht immer mal wieder als Running Gag auf. Am nächsten Tag wird Wang von dem chinesischen Putzmann Wen Hai Wan gefunden, der seine Chance sieht und mit Wangs Paß und seinem Flugticket versucht, aus seinem Zwangsarbeitsverhältnis heraus- und zu Frau und Tochter nach Amerika hinzukommen.

Allerdings ist Wang schon ein völlig verpeiltes Gauner-Duett, wunderbar gespielt von Andreas Schmidt und Thorsten Merten, auf den Fersen und nimmt statt seiner nun eben den ihm ähnlichen (und auch von Chan gespielten) Wan mit. Und so entwickelt dieser Film, an dessen Anfang eine Verwechslung zwischen einem stinkreichen und einem bitter armen Chinesen steht, ein farbenprächtiges Bild einer globalisierten Welt, in dem Menschen wie Ware gehandelt werden und jeder sein Glück versucht, aber nur wenige die Chance haben, es zu finden.

Zusätzlich zur oben schon genannten Starbesetzung und dem ständigen Frankfurter Personal spielt Matthias Brandt den Kongreßleiter mit der weißen Weste und auch Wangs ahnungslose Witwe Stefanie ist mit Johanna Wokalek ausgezeichnet besetzt.

Beim „Toten Chinesen“ stimmt auch die Musik und die Inszenierung (Handloegten) ist wie üblich in Frankfurt sehr genau und hält den Zuschauer in Bann. Besonders erwähnt werden muß auch die sichere und einfallsreiche Kamera von Peter Przybylski.

Schön auch die Idee, den Film fast ausschließlich auf dem Flughafen spielen zu lassen, dort aber ganz unterschiedliche Menschen, Milieus und Tageszeiten einzubeziehen. Es wird sehr dicht dadurch.

[Erstsendung: 28. Dezember 2008]

Frontex und der Krieg im Mittelmehr

Sonnabend, 10. Januar 2009

Die Agentur Frontex hat gezeigt, dass es auf europäischer Ebene unterschiedliche Sichtweisen gibt. Als Italien sich mit einer Reihe weiterer Staaten an einen Tisch
zusammensetzte, hat mich erstaunt, dass wir Italiener der illegalen Immigration rechtsstaatlich begegnen, indem wir zunächst Menschenleben retten und erst dann das Delikt ahnden. Andere Staaten benutzen den Begriff diversion, der bedeutet, die Menschen zu zwingen, nach Hause
zurückzufahren. Es ist gar nicht so sehr die Tatsache, jemanden zur Umkehr zu zwingen, sondern wie man ihn dazu zwingt. Wir wurden bei offiziellen Treffen mit Einsatzplänen und schriftlichen Befehlen konfrontiert, laut denen die Abwehr der illegalen Einwanderer darin
besteht, an Bord der Schiffe zu gehen und die Lebensmittel und den Treibstoff von Bord zu entnehmen, so dass die Immigranten dann entweder unter diesen Bedingungen weiterfahren können oder aber lieber umkehren.» Auf Nachfrage des ARD-Dokumentarautors fügte Manozzi hinzu, dass insbesondere die deutschen Verbände die «harte Linie praktizieren» und den Flüchtlingsbooten Treibstoff und Lebensmittel entnähmen.

Die private Agentur Frontex organisiert für die Europäische Union die Abwehr des Zuzuges von Flüchtlingen. In Nordafrika bezahlt die EU (über humanitäre Organisationen) Lager, die zwar offiziell dafür gedacht waren, daß Flüchtlinge dort Asylanträge stellen können. Praktisch ist das dort aber nicht möglich, die Lager dienen einzig dazu, die Flucht nach Europa zu verhindern.

Der Autor Roman Herzog hat für NDR und SWR das sehr interessantes Radiofeature „Krieg im Mittelmehr“ zu diesem Thema verfaßt, das immer mal wieder in ARD-Sendern und jetzt gerade im Deutschlandradio läuft. Das Skript dazu gibt es hier (RTF), eine Zusammenfassung hier.

Links von Sonnabend, 10. Januar 2009

Sonnabend, 10. Januar 2009

Gesammelte Links von Sonnabend, 10. Januar 2009:

Kleingläubige Atheisten

Sonnabend, 10. Januar 2009

(Wenn Du willst, gibt es einen Gott. Fürchte Dich nicht.)

Leipziger Vorschule

Dienstag, 6. Januar 2009

So, der Meyer hat jetzt auch etwas geschrieben, da kann ich endlich auf die FAZ-Blogs hinweisen. Ich werde nicht dazu kommen, in alle hineinzusehen, aber über einige freue ich mich sehr:

  • Der Meyer: Clemens Meyer hatte mich mit „Als wir träumten“ und dem Leipzig der Nachwendezeit sofort gepackt. Ich habe dort geliebt und gelitten. Aber auch ohne diesen Bezug sind seine Texte verdammt gut.
  • Biopolitik: Oliver Tolmein schreibt seit Jahren über Politik, Ethik und Recht in den Bereichen Gesundheit, Krankheit, Behinderung, Medizin und Forschung. Er ist in diesen Bereichen auch als Anwalt tätig. Früher bei Taz und Junger Welt, schreibt er seit Jahren für das FAZ-Feuilleton und ist eine der fundiertesten Stimmen in der deutschen Öffentlichkeit zu diesen Themen. Gut zu lesen ist er außerdem.
  • Pekinger Bekanntmachungen: Auf Mark Siemons’ Texte in der FAZ habe ich hier schon öfter hingewiesen. Wie gut, daß man seine pointierten und fundierten Berichte aus der chinesischen Gesellschaft jetzt öfter lesen kann.
  • Moskauer Monitor: Ebenso anregend und lehrreich schreibt Kerstin Holm über das Leben in Rußland.

Wer fühlen will, muß hören

Sonntag, 4. Januar 2009

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Der Grund, warum Weblogs keine Öffentlichkeit sein können, weder einzeln noch als Chor von Stimmen, ist ihre ökonomische Basis: Sie haben keine. Keine Augenwischerei: Niemand kann sich citizen journalism, der den Namen verdienen würde leisten. Leute, die Öffentlichkeit betreiben und verantwortlich damit umgehen sollen, müssen ökonomisch freigehalten werden — das ist eine Binsenweisheit. Man rettet die Welt nicht nach Feierabend.

Kritische, d.h. erkenntnisorientierte und argumentierende, Öffentlichkeit ist historisch erzeugt worden von einer Knappheit der Broadcasting-Kanäle, die eine Selektion derer nötig machte, die sie bespielen durften — und, wo sie funktioniert hat, durch eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte Form des Umgangs mit den zur Verfügung stehenden Kanälen. Eine kritische Öffentlichkeit wird von Leuten initiiert, die wissen, was sie tun. Man kann nur gegen Argumente argumentieren, und um welche vorzubringen, braucht man zunächst einmal Leute, die sich freie, gründliche und redliche Argumente tatsächlich leisten können, intellektuell und ökonomisch.

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Spalanzani über Musikjournalismus, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Entwicklung von Kritikfähigkeit durch eine öffentliche Debatte. [In Folge auf Diederichsen und Frank Lachmann.]

Steuern sparen?

Sonntag, 4. Januar 2009

CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg zu dem Problem, daß eine Steuersenkung nicht unbedingt die Konjunktur belebt, sondern die gesenkten Steuern auch einfach gespart werden könnten:

Wir arbeiten hier mit einem sich mehr und mehr verfestigenden Klischee in einigen Kreisen, dass – wenn man mehr netto in der Tasche hat – dann plötzlich auch mehr sparen würde oder mehr sparen müsste. Das sehe ich nicht.

Da kennt er aber wenige Leute. Ich spare ja — wie viele andere auch — jetzt schon einen großen Teil meines Gehaltes, schlicht, weil im Moment kein Bedarf ist, es auszugeben. Zahlte ich weniger Steuern, würde vom zusätzlichen Geld vermutlich auch nichts dem Wirtschaftskreislauf zufließen, sondern auch gespart werden, gerade weil die Zeiten so unsicher sind, wie sie sind. Ich betone in solchen Fragen ja gern meine Ahnungslosigkeit, aber dieser Spareffekt ist vermutlich umso ausgeprägter, je mehr die Leute verdienen und also Steuern zahlen. Damit wäre eine solche Steuersenkung großenteils fehlgeleitet.

Aber die Schule um die Ecke (nein, nicht die Stralauer) könnte mal wieder renoviert werden. Und an der Universität arbeiten viele meiner ehemaligen Kollegen unter eher anstrengenden räumlichen Verhältnissen, hinzu kommt der gravierende Personalmangel zum Beispiel in der Universitätsinfrastruktur. Das wären vernünftigere Investitionen, die über die Wirtschaftsförderung hinaus noch positive Effekte hätten.

Und wenn man im Wahljahr unbedingt den Leuten selbst Geld in die Hand geben möchte, warum erhöht man dann nicht einfach Sozialhilfe/ALGII? Alleinerziehende Mütter ohne Arbeit haben wenig Möglichkeiten zu sparen und werden das Geld vermutlich sofort wieder ausgeben. Und Wähler sind sie auch.

Update: Die Regierung hat die Hundesteuer gesenkt.

Berlin: 404

Sonnabend, 3. Januar 2009

Gern und oft habe ich die Seiten des 1991 gegründeten Luisenstädtischen Bildungsvereines genutzt. Früher gab es die „Berlinische Monatsschrift“, seit einigen Jahren das wunderbare und wahrscheinlich umfangreichste Internetangebot zur Geschichte Berlins, dessen herausragendster Teil für mich das Straßennamenlexikon war, das alle ehemaligen und heutigen Straßennamen erklärt.

Das Internetangebot des vor allem ehrenamtlich arbeitenden Vereins wurde nun wegen fehlender finanzieller Unterstützung durch den Senat vom Netz genommen.

Ergänzung: In der Usenet-Newsgroup bln.verkehr wird weiterdiskutiert.