Archiv für November 2005

DBB

Mittwoch, 30. November 2005

Die “Du bist Deutschland”-Debatte läuft mal wieder langsam aus. Was nun?

Wie wärs statt mit Nationen mal mit Religionen? Hier der kürzeste mir bekannte Schüttelreim:

Du bist
Buddhist.

(Wieso fällt mir der erst jetzt wieder ein?)
(Mehr Schüttelreime gibts hier.)

Brücken(ii): Ringbahnbrücke Oberspree

Dienstag, 29. November 2005

Klicken macht groß:

Ringbahnbrücke Oberspree
Ringbahnbrücke Oberspree, auch hier
Ringbahnbrücke Oberspree
Im Hintergrund Oberbaumbrücke, Fernsehturm und Osthafen

Brücken (i): Bösebrücke

Montag, 28. November 2005

Wie versprochen (Klicken macht groß):

Bösebrücke
Bösebrücke (im Volksmund auch Bornholmer Brücke, schön dargestellt auch hier)
Bösebrücke
Bösebrücke

Neues schönes Wort

Montag, 28. November 2005

Popphilosophen. Doppel-p über die Silbengrenze hinweg.

Liebe FAZ,

Montag, 28. November 2005

heute haſt Du mich gleich zweimal erſchreckt.

Erſt fehlteſt Du im Briefkaſten, und dann das neue Layout: Rot auf allen Seiten und ein furchtbarer Schriftgrößen- und -variantenmix auf der erſten. Sieht aus wie eine unentſchloſſene Miſchung aus Tagesſpiegel, Handelsblatt und Zeit. Ich will die Bleiwüſte wiederhaben!

Bei der Taz hätte ich jetzt aus Spaß mit Abokündigung gedroht, Dich läßt das vermutlich kalt. Außerdem wäre dieſe Drohung bei der Abſchaffung des langen ſ vor einem Jahre noch angebrachter geweſen. Furchtbar, dieſe neuen Zeiten.

Gleise

Montag, 28. November 2005

Aufs Bild klicken macht groß:

Gleise am Nordkreuz
Nordkreuz

[Und morgen dann: Brücken]

Und wieder einer weg

Sonntag, 27. November 2005

Lokales: Der Lidl auf der anderen Seite des Sees hat dichtgemacht. Zu wenig Kunden, also scheint es auch dort Vermietungsprobleme zu geben. Die komische Bäckerei 2000 (Alt-Stralau/Krachtstraße) wirkt auch immer verranzter und unglücklicher. Gegen eine Schließung hätte ich nichts einzuwenden, schade aber, daß sie vorher die Bäckerei in der Markgrafenstraße und den alten Imbiß gegenüber kaputtgemacht haben.

Dem benachbarten Gemüseladen, der sich sehr um seine Stammkundschaft bemüht und eine starke Bindung zur Halbinsel aufgebaut hat, scheint es immer besser zu gehen. Das Angebot wurde nach und nach erweitert und mit dem Ende von Lidl stehen solche traditionellen Läden noch besser da.

Und es wird immer klarer, daß das hier nicht die Traumlage ist, die die Wasserstadt GmbH den Bauherren verspricht. Trotzdem die Gewerbeflächen ein Jahr lang mietfrei sind, wurde kaum Gastronomie oder Einzelhandel gefunden. Man kann hier gut leben, wenn man wirklich hierher will. Wenn man im Winter am Eis und im Sommer am Wasser leben möchte. Wenn man bereit ist, weitere Wege zu gehen. Wenn man sich Zeit nimmt. Aber die Infrastruktur ist nicht vergleichbar mit anderen Gegenden.

Dann wäre da übrinx noch die Stelle des lokalen Internet-Ausrufers frei. Das mit den Trommeln hat sich nicht so bewährt und die Breitbandanbindung läßt wohl immer noch auf sich warten.

Jetzt gehts lohos (iii): Sind die Daten einmal da, lebt sich’s weiter wonderbra

Sonnabend, 26. November 2005

Der Innenminister will die Daten aus der Mautüberwachung für die Verbrechensbekämpfung nutzen. Dieses Szenario wurde schon bei Einführung von Datenschützern befürchtet, ging aber im Toll-Collect-Chaos unter.

Dazu paßt, daß der Verkehrsminister den öffentlichen Nahverkehr faktisch einstellen will, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken zu können (Hilft das den Unternehmen? Sind niedrigere Lohnkosten wirklich wichtiger als die Infrastruktur? Und wieso protestieren die Länder erst jetzt, das ist doch schon seit über einer Woche bekannt?).

Die Meldungen an sich sind schon erschreckend, aber dies wäre kein unseriöses Blog, wenn wir das jetzt nicht verknüpften:

Erst wenn die letzte S-Bahn abgefahren ist, werdet Ihr merken, daß Ihr nicht mehr davonkommt.

[Onprangering — zwischen so vielen guten kann auch mal ein mittelmäßiger Text stehen]

Beweisen Sie Ihre Unschuld!

Donnerstag, 24. November 2005

Demnächst sind wir alle verdächtig: nach dem Willen des EU-Parlamentsausschusses für Bürgerrechte und Innenpolitik werden unsere Einwahldaten demnächst für sechs bis zwölf Monate gespeichert. Die Musikindustrie konnte außerdem durchsetzen, daß die Daten neben der Bekämpfung von Terrorismus und Kinderpornographie auch für die Durchsetzung von Kopierverboten genutzt werden können.

[netzpolitik.org]

Delicious Stralau

Donnerstag, 24. November 2005

Trotz meiner Bauchschmerzen probiere ich del.icio.us weiter aus. In der Seitenleiste dieses Blogs finden sich bis auf weiteres meine del.icio.us-Links. Bis die Paranoia siegt und ich das alles wieder lösche.

Wer es noch nicht kennt: del.icio.us ist ein Service, mit dem man seine Bookmarks online verwalten kann.

Update: Auf jeden Fall scheint das Script nicht die aktuellen Links widerzuspiegeln.

Tatort: Der doppelte Lott (WDR)

Mittwoch, 23. November 2005

Der Bürgermeisterkandidat ist tot. Nein, war nur Spaß. Ermordet worden ist der Kabarettist, der durch seine Persiflagen den rechtspopulistischen Kandidaten Frieder Lott (Alexander Held) gegen sich aufbrachte.

Neben dem Bürgermeister hat auch der Theaterleiter und Lebensgefährte des Opfers Tom Linden (die Diva gut gespielt von Tim Fischer) ein Motiv: Eifersucht. Nach und nach werden verschiedene Personen und Orte aufgebaut, das Timing und die Dramatik stimmen. Bis zum Ende haben wir einen bunten Reigen aus unterschiedlichsten Persönlichkeiten kennengelernt, die in ihrer Motivation nachvollziehbar bleiben, obwohl sie, wie alles im Münsteraner Tatort, stark überzeichnet werden.

Immer ein klein wenig zu überzeichnet sind die “schrägen Vögel” in der Münsteraner Stammbesetzung: Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann), Silke Haller (Christine Urspruch) und vor allem der pathologische Boerne (Jan Josef Liefers). Dabei meine ich nicht das Schauspiel, alle drei sind exzellente Darsteller (auch Liefers ist nicht immer so schlimm, wie man neulich in der Verfilmung von Osangs “Nachrichten” sehen konnte). Aber das Drehbuch weist ihnen Rollen zu, die die Tatörter fast in die Klamotte abrutschen lassen. Aber eben nur fast. Man hat das Gefühl, die Autoren (Jan Hinter und Stefan Cantz) kitzeln den Zuschauer permanent in der Nase, aber gerade eben nur soviel, daß es nicht zum Niesen reicht.

Jedes Kind ist begeistert von Geheimgängen, nicht nur physischen, sondern auch solchen in Geschichten. Ich erinnere mich an das Bilderbuch “Die Häschenschule”, in dem die letzte Seite schon durch ein Loch vorher zu sehen war und das dort dargestellte im anderen Kontext eine andere Bedeutung annahm. Fand ich großartig.

Ähnliches gab es dieses Mal, als Boerne nach Köln fährt und dort auf den Pathologen und die Ermittler des dortigen Tatorts trifft (und sich natürlich göttlich aufspielt). Das macht natürlich gespannt auf die Kölner Sicht der Dinge: nächster Kölner Tatort am 15. Januar.

(Erstsendung: 20. November 2005)

Überwachung und Aufsicht

Dienstag, 22. November 2005

In einem bemerkenswerten Artikel schreibt Bruce Schneier über die Möglichkeiten zur Datensammlung des FBI. Auf Grund einer vagen Anschlagsvermutung wurde um Silvester 2003/2004 eine gigantische Datenbank aller Besucher von Las Vegas angelegt.

Das FBI hat zwei Möglichkeiten, Informationen über große Gruppen zu bekommen:

  • die FISA-Vollmacht, von einem Geheimgericht ausgestellt
  • sowie National Security Letters, die vom FBI selbst ausgestellt werden

In beiden Fällen ist es verboten, die Betroffenen von der Beobachtung zu informieren. Seit zwei Jahren werden die Daten auch nicht mehr nach Gebrauch gelöscht.

Dabei wird das FBI nicht kontrolliert, es entscheidet selbst, wann es welche Daten benötigt.

Was geht uns das an? Nun, alle Daten, die bei Amazon, Ebay und den verschiedenen Google-Services anfallen, liegen in Amerika und unterliegen amerikanischen Gesetzen. Auch mit Otto-Katalog gelten in Deutschland noch erheblich strengere Gesetze, was Datenspeicherung und -auswertung betrifft.

Aus dem Leben

Montag, 21. November 2005

Beeindruckend, schmerzhaft, hilfreich:

Hier schreibt jemand über sein Leben mit seiner an Alzheimer erkrankten Mutter.

Montag, 21. November 2005

[…]

Die Sprache ist ein Kunstwerk und soll als ein solches, also objektiv genommen werden, und demgemäß soll alles in ihr Ausgedrückte regelrecht und seiner Absicht entsprechend sein, und in jedem Satz muß das, was er besagen soll, wirklich nachzuweisen sein, als objektiv darin liegend: nicht aber soll man die Sprache bloß subjektiv nehmen und sich notdürftig ausdrücken, in der Hoffnung, der andere werde wohl erraten, was man meine; wie es die machen, welche den Casum gar nicht bezeichnen, alle Präterita durch das Imperfekt ausdrücken, die Präfixa weglassen, usw. Welch ein Abstand ist doch zwischen denen, die einst die Tempora und Modi der Verba und die Casus der Substantiva und Adjektiva erfunden und gesondert haben – und jenen Elenden, die dies alles zum Fenster hinauswerfen möchten, um, sich so ungefähr ausdrückend, einen ihnen angemessenen Hottentottenjargon übrigzubehalten! Es sind die feilen Tintenkleckser der jetzigen an allem Geist bankrotten Literaturperiode.

Die Sprachverhunzung, von Zeitungsschreibern ausgehend, findet bei den Gelehrten in Literaturzeitungen und Büchern gehorsame und bewundernde Nachfolge, statt daß sie wenigstens durch ihr entgegengesetztes Beispiel, also durch Beibehaltung des guten und echten Deutsch der Sache zu steuern suchen sollten: aber dies tut keiner, keinen einzigen sehe ich dagegen stemmen; kein einziger kommt der vom niedrigsten literarischen Pöbel mißhandelten Sprache zu Hilfe. Nein, sie folgen wie die Schafe und folgen den Eseln. Das kommt daher, daß keine Nation so wenig wie die Deutschen geneigt ist, selbst zu urteilen (to judge for themselves) und danach zu verurteilen, wozu das Leben und die Literatur stündlich Anlaß bietet. (Vielmehr vermeinen sie, durch eilige Nachahmung jeder hirnlosesten Sprachverhunzung zu zeigen, daß sie „auf der Höhe der Zeit stehn“, nicht zurückgeblieben, sondern Schriftsteller nach dem neuesten Schnitt sind.) Sie sind ohne Galle wie die Tauben: aber wer ohne Galle ist, ist ohne Verstand; dieser gebiert schon eine gewisse acrimonia, die im Leben, in der Kunst und Literatur notwendig tagtäglich den innerlichen Tadel und Hohn über tausend Dinge hervorruft, welcher eben uns abhält, sie nachzumachen.

[Schopenhauer: „Über Schriftstellerei und Stil“]

[Abt. Krank im Bett macht Lust auf Grimmiges]

User generated content

Montag, 21. November 2005

Bloggen wird landläufig für irrelevant gehalten, die Kommentare sind jedoch hin und wieder gehaltvoll. Deswegen hier zwei Hinweise:

  • Catos Rezept für Zwiebelsaft bei Erkältungen:

    Ja, das ist aber mindestens genau so widerlich wie wirksam: einfach Zwiebel klein schneiden und Zucker drauf, das wässert nach ein paar Stunden und kann dann sirupartig …äh…zu sich genommen werden.

  • und Purplerains Hinweis auf einen Zeit-Artikel über schlimme Verkäuferinnenausbeutung.

(Und ick muß hier bald nüscht mehr selber schreiben).

Cookies are del.icio.us delicacies

Montag, 21. November 2005

Kucke mir gerade del.icio.us an. Eigentlich ist eine benutzbare, zentral verwaltete Bookmark-Sammlung sehr sinnvoll. Allerdings wird mir bei deren Umgang mit meinen Daten ein wenig übel:

Daß die Bookmarks gesammelt (und ausgewertet) werden, verstehe ich ja noch, die sind schließlich auch für jeden anderen zugänglich (ein privater Bereich wäre aber auch schön — oder habe ich den bisher übersehen?). Daß aber auch IP-Adressen, Referrer etc. damit verknüpft werden, nun ja. Und eine Anmeldung mit Paßwort über eine unverschlüsselte Verbindung, also ich weiß nicht. Daß das Geschäftsmodell nicht erwähnt wird und dennoch keine Werbung zu sehen ist, macht es nicht einfacher.

Kann ja sein, daß jetzt alles ganz sozial wird; bei einer Implementierung von Datenschutztechniken, anstatt des Verweises darauf, daß das doch die Guten sind, wäre mir deutlich wohler.

Was ist Web 2.0?

Sonnabend, 19. November 2005

Mußte sehr lachen, als ich das hier las. Man kann aber auch das hier lesen.

Sur-Real

Sonnabend, 19. November 2005

Tata! Es gibt mal wieder einen Gastautoren: Felix war einkaufen. Danke für den Text!

Sur-Real

Real: Die Kassiererin zieht die Waren des Kunden vor mir über den Scanner, stoppt und hält einen Artikel in die Höhe. Der fragende Ruf ist an die Verkäuferin in der Nachbarkabine gerichtet. Vertraute Supermarkt-Dramaturgie. Eine dritte Kassiererin schaltet sich ein, noch bevor die Angerufene zu Wort kommt: „Den gibt’s umsonst.“ Für knappe zwei Sekunden ist der Fluß gestoppt, hängt die Ware in der Luft. Dann hat die Kassiererin den Witz begriffen, auch der wartende Kunde beginnt zu grinsen. Für einen kurzen Moment die Gesetze des Marktes außer Kraft setzen und einen Artikel zu verschenken anstatt ihn zu verkaufen — welche Möglichkeit.

Es muß der belastenden Tätigkeit geschuldet sein, dem Zustand eintöniger, ohne Zeitverlust auszuführender Handlungen im Bewusstsein direkter und permanenter Beobachtung durch die Schlange der wartenden Kunden hinter der Kasse, der bei den Kassiererinnen zu diesem seltsamen Blick führt. Achten Sie mal drauf! Da werden die Waren im Takt über den Scanner geschleift, auch Unregelmäßigkeiten wie vergessene Etiketten auf Gemüsetüten werden in Blitzeseile bearbeitet, und dann hält man als konditionierter Kunde den Geldschein hin — und er wird nicht entgegengenommen. Er wird nicht bemerkt. Den Kopf in den Verkaufsraum gewendet, der Blick blicklos. Erschöpfung, Melancholie, Leere. Drei Sekunden Pause pro Kunde. Drei Sekunden Gleichgültigkeit gegenüber dem Geld.

Real, vor einem Jahr: Mal wieder wartend an der Kasse. Das akustische Werbeprogramm wird von ein paar Takten klassischer Musik unterbrochen. Die darauffolgende Ansage verpasse ich und registriere erst danach, daß alle Kassen stehen. Jetzt bin ich gespannt. Der Grund ist meistens ein Kassierfehler und die betroffene Kassiererin ist gezwungen, auf die Vorgesetzte mit dem Kassenschlüssel zu warten. Wie wird sie reagieren, wenn nun alle Kassen gleichzeitig auf sie warten — und mit ihnen die Kunden? Aber niemand kommt. Der Kunde vor mir hält seinen Geldschein der Kassiererin hin, aber sie nimmt ihn nicht entgegen und so schwebt er eine Weile lang fragend in der Luft. Mein Gehirn rekonstruiert währenddessen die Lautsprecheransage. Tsunamiopfer, Gedenken. Ich ahne, was hier los ist und im ersten Moment bin ich etwas entsetzt. Eine Gedenkminute bei Real? Ich will hier nur einkaufen und danach nichts wie raus. Aber dann genieße ich diesen langen seltsamen Moment. Alle stehen da und wissen nicht, was mit sich anfangen in dieser aufgezwungenen Pause. Nur die Kassiererinnen halten sich ganz meisterhaft und blicken geradeaus — konzentriert und freundlich. Als hätten sie vorher eine Schulung erhalten. Sur-Real.

(© Felix)

In Zukunft mit Schere im Kopf

Freitag, 18. November 2005

Das Stolpe-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat Auswirkungen auf die Arbeit der Presse. Wurde bisher bei Unterlassungsklagen den Journalisten die für sie günstigste Variante ausgelegt, ist es bei Stolpe anders. Bei solchen Äußerungen wird die Pressefreiheit gegen die Persönlichkeitsrechte des „Berichtsopfers“ abgewogen. In Zukunft sollen Journalisten nach Ansicht des BVerfG zwar nicht bestraft werden, wenn eine möglicherweise ehrverletzende (aber auch anders auslegbare) Äußerung geschieht, jedoch dürfen sie diese nicht noch einmal tätigen, wurden sie einmal darauf hingewiesen.

Der Tag dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wenn sie eins zu eins von der Rechtsprechung umgesetzt würde, ist ein wahrhaft schwarzer Tag für die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit. Das Urteil hat eine viel größere Bedeutung als die vielbeachtete „Caroline-Entscheidung“ des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, die neue Maßstäbe für Bild- und Persönlichkeitsrechte von Prominenten zu setzen versprach. Tatsächlich wird jeder Redakteur — jetzt mit der von Karlsruhe verordneten Schere im Kopf — jede nicht gänzlich fern liegende Deutungsmöglichkeit seines Textes ausschließen müssen, um rachsüchtigen Betroffenen zu entgehen. Das Ergebnis wird sein: unlesbare Texte mit gedrechselten und verschrobenen, jede Irritation ausschließenden Sätzen, voller vorsichtiger Vermeidungen und furchtsamer Auslassungen. Sprechen wir mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: Die Drohung mit diesen völlig unkalkulierbaren Deutungsmöglichkeiten der Betroffenen wird über kurz oder lang „einschüchternde Wirkung (auf die) freie Rede, freie Information und freie Meinungsbildung (haben), (diese daher) empfindlich berühren und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen“.

[Jony Eisenberg über das Stolpe-Urteil]

Persönlich kann ich übrigens nicht an eine Stasi-Verstrickung von Stolpe glauben, aber darüber hat das Verfassungsgericht auch nicht befunden.

Jetzt gehts lohos (ii): Datenschutz

Freitag, 18. November 2005

Die Datenschutzkonferenz DAFTA hat sich mit den Äußerungen des Koalitionsvertrages zum Thema Datenschutz befaßt. Nachdem unter Rot-Grün ambitionierte Projekte wie das Datenschutzaudit, das Gendiagnostikgesetz und das Arbeitnehmerdatenschutzgesetz nicht umgesetzt wurden, kündigt der neue Koalitionsvertrag eine Überprüfung und Überarbeitung im Hinblick auf den Abbau überflüssiger Bürokratie an.

Es soll überprüft werden, „inwieweit rechtliche Regelungen, etwa des Datenschutzes, einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität entgegenstehen“.

Ausführlicher Christiane Schulzki-Haddouti bei Heise.

Interessant, zu sehen, wie der wahrgenommene Sparzwang (auch schon hier) genutzt wird, um unliebsame Projekte loszuwerden.

Keine Kaufempfehlung (iii): Und die anderen?

Donnerstag, 17. November 2005

Was bedeutet es, wenn ein Großunternehmen Dinge tut, die bei jedem anderen als kriminell erachtet würden? McAfee und Symantec, die doch vorgeben, vor Schadsoftware zu schützen, haben den Zeitvorsprung, den sie im Falle Sony hatten, verschlafen. Und selbst nachdem die Sache öffentlich wurde, kümmern sie sich nicht um die Sicherheit ihrer Kunden.

Und auch Microsofts Interessen sind vermutlich nicht die der Windows-Käufer.

Ausführlich: Krypto-Legende Bruce Schneier in einer guten Zusammenfassung des Sony-Falls.

Siehe auch Keine Kaufempfehlung, Keine Kaufempfehlung (ii)

Sperrstunde

Donnerstag, 17. November 2005

Auch so ein Klischee:

Eine Sperrstunde gibt es in der sächsischen Messestadt nicht, was Leipzig zur Partyhauptstadt des Ostens macht.

[Spon in einem auch sonst furchtbar klischeehaften Artikel]

Das liest man ja manchmal, daß diese oder jene Stadt keine Sperrstunde hätte. Andersrum: in welcher deutschen Stadt gibt es denn heute überhaupt noch eine Sperrstunde?

Mama, da steht ein Mann.

Mittwoch, 16. November 2005

Das Kind spielte. Und sah einen Mann stehen. »Mama« sagte das Kind; die Mutter: »Ja«. – »Mama« – »Ja« – »Mama« »Ja« – »Mama, da steht ein Mann!« – »Ja« – »Mama, da steht ein Mann!« – »Ja« – »Mama, da steht ein Mann.« »Wo?« – »Mama, da steht ein Mann.« – »Wo?« – »Mama, da steht ein Mann.« – »Wo steht ein Mann?« – »Mama, da steht ein Mann!« – »Wo steht ein Mann?« – »Mama, da steht ein Mann!« – »Ach was!« – »Mama, da steht ein Mann!« – »Laß doch den Mann stehen.« – »Mama, da steht ein Mann!« Die Mutter kommt. Tatsächlich steht da ein Mann. Merkwürdig, was mag der da wohl zu stehen haben? Man sollte doch lieber den Vater mal rufen. Die Mutter: »Vater!« Der Vater: »Jawohl.« – »Vater, da steht ein Mann.« Jawohl« … »Vater, da steht ein Mann.« – »Laß ihn stehen.« – »Vater, da steht ein Mann.« – »Was will denn der Mann?« – »Das weiß ich nicht, frag ihn doch mal!« – »Laß doch den Mann stehen!« – »Vater, nun komm aber endlich, da steht jemand und steht.« – Der Vater kommt. Tatsächlich, da steht jemand und steht. »Mein Herr, warum stehen Sie da?« – Der Mann steht. »Mein Herr, aus welchem Grunde stehen Sie da?« … Der Mann steht. Das ist doch ganz außerordentlich, da steht ein Mann und antwortet nicht. »Mein Herr, ich frage Sie zum dritten Male, weshalb stehen Sie da?« – Der Mann steht.

[…]

[Kurt Schwitters: Franz Müllers Drahtfrühling, hier oder hier]

Schnupfensaft …

Mittwoch, 16. November 2005

… nannte mein kleiner Bruder das, was bei Schnupfen aus der Nase läuft. Logisch und poetisch. Bis ich ihn beiseite nahm und erklärte, daß das Rotze heißt.

Tut mir leid.

Heute noch.

Jetzt gehts lohos

Mittwoch, 16. November 2005

Bereits 2006 wird insbesondere der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mit weniger Geld auskommen müssen. Die Bundesländer werden schon nächstes Jahr 350 Millionen Euro weniger vom Bund für den Regionalverkehr erhalten, heißt es in einer bislang noch unveröffentlichten Sparliste, die Union und SPD während der Koalitionsverhandlungen beschlossen haben. Bis 2009 werden die Kürzungen des Bundes an die Länder für den ÖPNV auf 1,1 Milliarden Euro anwachsen.

[Tsp]

“Jesus.”

Dienstag, 15. November 2005

“You said it, man. Nobody fucks with the Jesus.”

[The The Big Lebowski Random Quote Generator, via Stackenblochen]

Schöne Wörter …

Dienstag, 15. November 2005

… gab es lange nicht mehr. Dafür heute zwei und ein Zusatzvers:

  • Fischfetisch
  • Abteufen — die Herstellung von senkrechten Hohlräumen (vulgo: Löchern) von oben nach unten zur Erschließung von Lagerstätten
  • Der Dauerbrenner Reim auf Mensch hat unter anderem auch Peter Rühmkorf beschäftigt. Er schreibt:

    Die schönsten Verse der Menschen
    sind die Gottfried Bennschen

Die Initiative “Neue Soziale Marktwirtschaft” klärt auf

Dienstag, 15. November 2005

[…]

“Die INSM sucht das Gespräch direkt bei der Redaktionsleitung”, sagt Thomas Leif, Vorsitzender bei der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche und Chefreporter beim Südwestrundfunk (SWR). Mit Beschwerdebriefen an Chefredakteure oder Intendanten wolle die Initiative die Redaktion einschüchtern und sie zur Vorsicht beim nächsten Beitrag ermahnen. Langfristiges Ziel dabei sei, der Kritik an der Initiative “die Spitze zu nehmen”. Daran kann die INSM nichts Ungewöhnliches entdecken. Schließlich würde man nur die “zuständigen redaktionell Verantwortlichen” über unkorrekte Berichterstattungen informieren.

[…]

[Freitag, via Lobbycontrol]

Die Stadt

Montag, 14. November 2005

Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.

[Theodor Storm]

Eine Frage des Respekts (Paris (iii))

Montag, 14. November 2005

[…]

Erst dieses Gefühl, mit alldem nichts zu tun zu haben, führt zu einer Ignoranz, die sich in der Wortwahl dekuvriert. Wie selbstverständlich führten in den vergangenen Tagen selbst linke und linksliberale Kommentatoren Begriffe wie Randalierer und sinnlose Zerstörung im Mund, Vokabeln, die sie sich beim Radau von Atomkraftgegnern und Hausbesetzern selbstverständlich verbitten würden. Zu Wohlstand gekommen, erscheint ihnen das Abfackeln von Autos, sofern es keinen höheren Zwecken dient, als barbarischer Akt. Der „nur“ Elende, der kulturell Nahe, der darf vielleicht auf Verständnis rechnen, ebenso der Idealist, dem das Herz übergeht und der zu Pflastersteinen greift — der kulturell Ferne darf das nicht. Letzterer versteht die Botschaft und hat eine Demütigungserfahrung mehr. Dafür hat er die Anerkennung, die ihm die Verhängung des Ausnahmezustands verschafft. Immerhin wird er jetzt gefürchtet, und das ist auch eine Art von Achtung.

[…]

[Robert Misik über Respekt und soziale vs. kulturelle Channcen]