Archiv für November 2013

DOK-Leipzig 2013: Stop the Pounding Heart

Freitag, 8. November 2013

Stop the Pounding Heart (Roberto Minervini, USA 2013, 100 min.) — Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilme

Eine vierzehnköpfige sehr fromme Familie, die auf dem texanischen Land vom Ziegenmelken und Käseverkauf lebt und ihre Kinder zu hause unterrichtet. Eine Nachbarsfamilie. Und die anderen Nachbarn: Cowboys, die Rodeos durchführen. Stop the Pounding Heart begleitet vor allem die Familie und in dieser vor allem die vierzehnjährige Sara. Wir erleben die Kinder beim wilden Spielen auf dem Bauernhof, die Töchter mit der Mutter beim Verkauf von Käse (“handgemolken, handgekäst”) auf umliegenden Wochenmärkten und Familiengespräche über das Leben und die Religion.

Es ist berührend, zu sehen, wie die Mutter ganz wach und konzentriert bei ihren Kindern ist und ihre Lebenserfahrung und Überzeugungen weitergibt. Dazu gehört dann allerdings auch, daß die Frau die Gehilfin des Mannes sein soll. Wie in vielen Dokumentarfilmen, die Menschen begleiten, funktioniert hier Natürlichkeit durch den Trick, daß die Kamera die Menschen über eine sehr lange Zeit begleitet, bis die Menschen sie aus den Augen verlieren. Durch das viele Filmmaterial ist es dann möglich, später dem Film eine eigene Handlung zu verleihen: die Warnungen der Mutter vor leichtfertigem Dating vor der Ehe werden gegen das leichte Flirten zwischen Sara und einem der Cowboyjungen geschnitten. Wir erleben eine Geburt. Im Gespräch mit ihren Schwestern sagt Sara, die sich sonst ganz liebevoll um ihre kleinen Brüder kümmert, daß sie nicht wie die anderen heiraten und Kinder bekommen will.

Stop the Pounding Heart ist ein stiller Film, der nicht vorgibt, viel zu erzählen zu haben, aber uns gerade durch diese Ruhe den Einstieg in diese fremde Welt erleichtert, uns mit den Figuren mitnimmt und eine Geschichte entwickelt.

Schön, daß hinterher noch ein Gespräch mit Sara und ihren Eltern möglich war. Schön, daß da interessierte Fragen gestellt wurden und nicht (wie es in anderen Jahren auch schon war) sich aufgeklärte Frager aus dem Publikum profilieren wollten. Schön zu sehen, wie Sara ihren Wunsch, anders zu sein als ihre Familie und zu reisen, wahrgemacht hat: angeregt durch den Film macht sie jetzt selbst Filme. Schön, daß die Familie die Kamera auf den Hof gelassen hat — der Vater erzählte von seinen Bedenken wegen amerikanischem Reality-TV, das gern voyeuristisch über fromme Hinterwäldler berichtet.

Und er hatte recht: der Film spart die Konflikte, die rund um die konservativen Anschauungen entstehen, nicht aus. Dennoch werden die Protagonisten nicht vorgeführt, sondern stehen für sich.

Stop the pounding heart hat in Leipzig die Goldene Taube für lange Dokumentarfilme gewonnen.

Dok-Leipzig 2013: Rougarouing

Donnerstag, 7. November 2013

Rougarouing (Michael Palmieri, USA 2013, 11 min.) — Internationaler Wettbewerb für kurze Dokumentarfilme

Louisiana: eine Cajun-Extremfastnacht im Schlamm. Es werden wundervolle Masken getragen, alles wirkt von fern alemannisch-archaisch, allein, es ist deutlich schmutziger und brutaler. Männer, Frauen, Kinder wälzen sich im Schlamm, schlagen aufeinander ein, peitschen sich mit dicken Tauen aus, ein Huhn sitzt in einem Käfig auf einer Stange und muß heruntergeschlagen werden.

Für einen Schwarz-Weiß-Film ungewöhnlich kontrastarm. Das verleiht Rougarouing eine seltsam unwirkliche Atmosphäre, die passend zum Inhalt ist.