- Mühlenstraße, East-Side-Gallery
Spreeblick hat mir die Überschrift weggenommen. Seit einer Woche ging mir diese da im Kopf rum, ich schwör!
Noch länger schon schlage ich mich mit dem morgigen Bürgerentscheid herum. Wenn ich mein Umfeld sehe, scheint es nicht nur mir so zu gehen, daß „Mediaspree versenken“ hin und wieder zumindest einen schwierigen Ton anschlägt. Die Bebauung des Osthafens hat zum Beispiel zu keiner sog. „Yuppisierung“ des Rudolfkiezes geführt. Auch die antikapitalistische Rhetorik verstellt leider den Blick darauf, daß es hier vor allem um Städtebau geht. Schwierig scheint auch zu sein, daß sich in der Endphase des Wahlkampfes vor allem auf die Fehler der Gegner und nicht auf die eigenen Argumente konzentriert wird.
Man darf aber nicht vergessen, daß die Arbeit in solchen Bürgerinitiativen immer ein Lernen und Ausprobieren ist. Im Unterschied zu Bauherren und Politik sind das eben keine Kommunikationsprofis und ich weiß selbst, wie schwer in solchen Gruppen schon die Suche eines Konsenses sein kann. Wenn man einmal hinter die Krawallkommunikation schaut, sieht man, daß „Mediaspree versenken“ in den letzten Monaten unglaublich aktiv war. Es ist gelungen, dieses Thema ins Bewußtsein der Stadt zu rücken. Darüber hinaus wurden für den Osthafen, das Anschutzareal und die Lohmühleninsel in Ideenwerkstätten Alternativplanungen erarbeitet.
Aber als Bürger ist man pragmatisch: So viel eine Initiative auch getan haben mag, wichtig ist, was hinten rauskommt. Wenn „MS versenken“ durch ihren Druck erreicht haben sollte, daß die Planungen des Bezirkes und der Stadt jetzt schon vernünftig sind, dann würde es ja ausreichen, wenn diese umgesetzt würden. Und die Ideen von Mediaspree versenken sind zumindest teilweise noch etwas unausgegoren:
- Für den Bereich East-Side-Gallery (Mühlenstraße) fehlt ein städtebauliches Konzept. Hier könnte aufgelockerte Bürobebauung sogar wesentlich integrativer sein als diese häßliche Hinterlandmauer mit der unsäglichen Nachwende-Kitschbemalung. Die fehlende Struktur ist hier eine Hinterlassenschaft der Teilung. Hier wird es nicht damit weitergehen, daß man einfach alles so läßt, wie es ist.
- Die Hochhausfeindlichkeit der Initiative scheint mir doch sehr ideologisch (und populistisch) zu sein. Und auch die Brückenkopfbebauung ggü. der Allianz wäre keine so schlechte Idee. Das Problem scheint mir doch eher die dichte Bebauung in der Fläche zu sein.
- Neben der (sinnvollen) Verhinderung der Brommybrücke fehlt ein Verkehrskonzept, vor allem für die Friedrichshainer Gebiete.
Was die Initiative erreicht hat, kann man aber nicht hoch genug einschätzen: Es ist gezeigt worden, daß bürgerferne Planung zum Schaden der Stadt ist. Man muß leider immer wieder erleben, daß die Belange der Stadtbewohner der Verwaltung eher lästig sind. Das zeigt sich u.a. an den städtebaulichen Katastrophen, die rund um das Mediaspree-Gelände in Friedrichshain schon gebaut worden sind: die Anschutz-(O2-)Arena, das Gelände des ehemaligen Wriezener Bahnhofs (Nähe Ostbahnhof, jetzt Metro und Hellweg) und die Neubauten auf Stralau.
Alle drei Flächen sind als Großflächen in den letzten beiden Jahrzehnten frei für Neuplanungen geworden: Stralau und die Rummelsburger Bucht durch das Verschwinden der Industrie nach der Wende, Anschutz-Arena und Wriezener Bahnhof durch den Rückzug der Bahn von ihren öffentlichen Aufgaben.
Was ist in diesen Gebieten alles falschgemacht worden! Was hätte mit langsamerer Planung, vor allem aber Bürgerbeteiligung alles erreicht werden können!
Bürgerbeteiligung kann hier natürlich nur ein langfristiger Prozeß sein, der von Fachleuten unterstützt werden muß, die Ideen auch in Pläne umsetzen und den Chor der Meinungen bündeln können. Hier jedoch sehe ich die eigentliche Aufgabe einer demokratischen Verwaltung: die Sammlung und Umsetzung des Bürgerwillens. Stattdessen ist Verwaltung im Städtebau meist damit beschäftigt, den Bürger von der Planung fernzuhalten. Wer schon einmal Antworten auf Einsprüche in Planungsverfahren erhalten hat, weiß, was ich meine. Auch der Rohrkrepierer der Beteiligung an der Tempelhofplanung schien ja dann doch eher dem Wahlkampf geschuldet als tatsächlicher Bürgerbeteiligung.
Man sollte sich nicht dem Irrtum hingeben, daß die längere Planungszeit wertvolle Investoren abschrecken könnte: Stralau konnte jahrelang nicht vermarktet werden. In dieser Zeit gab es aber durch die Einschränkungen im Entwicklungsgebiet auch keinerlei Partizipationsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit.
Deswegen (und ich mag taktische Abstimmungen eigentlich gar nicht) werde ich morgen für den Vorschlag von „Mediaspree versenken“ stimmen: Die Belange der Bürger müssen im Planungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Auch wenn schon viele Fehler gemacht worden sind, sollte die fehlerhafte Planung nicht noch fortgesetzt werden.
Aber die Abstimmung allein ist nicht ausreichend, die inhaltliche Planung muß noch geschehen. Auf dem Mediaspreegelände und in Stralau: Das ehemalige Glaswerksgelände am Inseleingang ist als Gewerbegebiet ausgeschrieben und seit Jahren unvermarktet. Es gibt zwar furchtbare Ideen, hier ein riesiges Thermalbad zu errichten, aber auch hier ist es an der Zeit, Bürgerideen zu formulieren. Laßt uns das tun!
Die Planung hinter verschlossenen Türen geht allerdings leider auch weiter. Kommenden Montag 14.00 Uhr trifft sich der in Stralau lebende Wirtschaftssenator Wolf mit Vertretern der IG Rummelsburger Bucht (das sind Grundtückseigner in Stralau), von Vattenfall und der Deutschen Bahn zu einer Kungelrunde im Allianz-Turm, in der es um die städtebauliche Zukunft Stralaus gehen soll. Um 17.00 Uhr treffen sich Mediaspree versenken, die BISS und andere Initiativen gegenüber im Osthafen zu Pressekonferenz und Umtrunk.