Archiv für Dezember 2005

Kommentare und Urlaub

Mittwoch, 28. Dezember 2005

Letzte Woche habe ich diverse WordPress-Plugins installiert, die das Sterben noch schöner machen sollen. Leider vertragen sich nicht alle miteinander (dieses Plugin-System könnte vielleicht sauberer kapseln). Das hat dazu geführt, daß man nicht kommentieren konnte, worauf ich erst heute aufmerksam gemacht wurde. Habe jetzt erstmal Hashcash ausgeschaltet. Der einzige Spamschutz besteht jetzt darin, daß Kommentare mit mehr als zwei Links in der Warteschleife landen.

Womit ich beim nächsten Thema bin: diese wird frühestens am 8. Januar wieder bearbeitet, da ich nachher verreise. In die Berge. In den Schnee. Machts gut bis dahin und fallt nicht hin.

Update: Außerdem habe ich gerade festgestellt, daß das Threaded-Comments-Plugin Layoutprobleme beim Kommentieren verursacht. Soweit ich sehen kann, betrifft das Firefox und Mozilla/Seamonkey auf dem Mac (beim Kommentieren werden Teile nicht neu gezeichnet). Ich kümmere mich im Januar darum. Bei weiteren Problemen bitte ich um eine Mail an nebenstehende Adresse.

Tatort: Das Lächeln der Madonna (SWR)

Mittwoch, 28. Dezember 2005

Dieser Film wußte nicht, wo er hinwollte. Da waren Szenen, die, ruhiger ausgespielt, in ein Roadmovie gepaßt hätten. Anderes wollte wie Beziehungsdrama klingen, war aber nur Vorabendniveau. Etwas lernen sollten die Zuschauer auch (z.B. daß Der Mann mit dem Goldhelm nicht von Rembrandt, sondern von einem seiner Schüler ist. Viel interessanter fand ich, daß er aussieht wie Peter Struck). Diese Unentschlossenheit verhinderte eine gute Erzählung der Handlung.

Diese ist zwar ziemlich geradeaus, man hätte aber etwas daraus machen können. Ein Restaurator eines Museums wird ermordet. Der vermeintliche Mörder hat das Bild gestohlen, an dem der Restaurator zuletzt arbeitete. Er zwingt eine junge Frau, mit ihm zu fliehen, diese verliebt sich in ihn und glaubt ihm auch, daß er nicht der Mörder war. Am Ende stellt sich heraus, daß der Mörder zum Museum gehörte und verhindern wollte, daß eine Fälschung, der das Museum aufgesessen war, entdeckt würde.

Die beiden Protagonisten (Harald Schrott und Petra Morzé) spielen überzeugend. Würde der Rest stimmen, würde das Spiel nicht so verloren wirken.

Kunst ist gern mal Thema im Tatort und selbst die sonst so mittelmäßigen Berliner haben was draus gemacht. Ganz besonders großartig war Der Vierte Mann aus München mit Nikolaus Paryla als wunderbar überheblich-zerstreutem Kunstprofessor, der ständig zuviel oder zuwenig wußte.

Leider war hier keine Größe zu sehen und Eva Mattes, die in Dresens „Halbe Treppe“ sehr überzeugend war,1 hat als Klara Blum nur wenige immergleiche Ausdrucksmöglichkeiten. Vollends billig wirkt das nachträgliche Überkleistern von mißlungenen Szenen mit eindringlicher Musik, was manchmal dazu führte, daß die Dialoge kaum zu verstehen waren.

[Erstsendung: 25. Dezember 2005]

1Da hat die doch gar nicht mitgespielt. Keine Ahnung, was ich mir da gedacht habe.

Kurz und dick — Bloggerglück

Dienstag, 27. Dezember 2005

Mh. Nachdem ein notorischer Hitzkopf über die körperliche Beschaffenheit von RSS-Lesern spekulierte, greift das Kastrieren der Feeds um sich. Jüngstes Opfer: der Feed der geschätzten Riesenmaschine. Hey, was ist der Sinn des ganzen? Ich fühle mich gegängelt. Und natürlich liest man die verkrüppelten Texte nur dann ganz, wenn der Aufhänger wirklich gut gemacht ist (was bei den meisten automatisch beschnittenen Texten nicht der Fall ist).

Statistiken ließen sich auch über Feed-Zugriffe erstellen und wer von Werbung leben will, soll diese doch einfach in den Feed mit reinpacken. Wenn das so weitergeht, verschwinde ich wieder ins Usenet. Oder noch besser: das Stralau-Blog wird in einer erweiterten Version nur in RSS angeboten.

Tatort: Schneetreiben (BR)

Sonnabend, 24. Dezember 2005

Brrrr. Kalt. Eine halbnackte Frau wird im Schnee in den Tod getrieben. Und diese Kälte zieht sich durch den ganzen Film. Die Kommissare agieren seltsam verhalten und die Mörder schließlich scheinen ihr Opfer nicht gekannt zu haben. Wundervoll: Die beiden in der New Economy zu Geld gekommenen Privatiers und Schnösel, gespielt von Wanja Mues und Jan Henrik Stahlberg.

Vorher gibt es jedoch eine Reihe weiterer Verdächtiger und die Ermittler scheinen die Puzzleteile nur wie durch dichtes Schneetreiben sehen zu können. Am Abend seines Todes war das Opfer in einem eher seltsamen Klub, dessen Betreiber mißmutig von Roeland Wiesnekker gespielt wird. Hier muß dann noch ganz dringend der Schweizer Thriller „Strähl“ mit Wiesnekker in der Hauptrolle erwähnt werden. Ziemlich kaputt und großartig. Aber wie so oft sind die verdächtig zurückhaltend agierenden Personen nicht die wahren Übeltäter. Zu allem Unglück gibt es aber kaum jemanden, der die Tote näher kannte. Dadurch tritt die Ermittlung in diesem Film von Claus Cornelius Fischer (Buch) und Tobias Ineichen (Regie) bis zum Schluß ziemlich auf der Stelle, was aber nicht zu seinem Nachteil gereicht. Denn so haben die Figuren und die Kälte Zeit, sich zu entfalten und auch der bayerische Wald kommt nicht zu kurz.

Bemerkenswerte Nebenhandlungen: Wie der Vater der Ermordeten und die beiden Dandys sich gegenseitig verfolgen. Den traurigen Verlierer-Vater spielt mal wieder Michael Brandner, wie auch schon in Vollgas. Er kann das aber auch gut.

Und: Wie der Menzinger Carlo (Michael Fitz), wie immer unverstanden von seinen Kollegen Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl), seine Probleme auf eigene Faust löst. Er wird verdächtigt, anläßlich einer Vernehmung eine junge Frau geschlagen zu haben, kann sie aber überreden, ihre Falschaussage zurückzuziehen.

Hier dann noch der Hinweis auf das Weihnachtsgeschenk der ARD: Dieses Jahr gibt es, anders als sonst, am ersten Feiertag einen neuen Tatort.

[Erstsendung: 18. Dezember 2005]

Wir sehn uns am letzten Kreuzweg

Freitag, 23. Dezember 2005

Geile Gedanken
Trauriges Herz
Lachende Augen
Im Halse Schmerz

Peter Zadek inszeniert Peer Gynt mit dem Berliner Ensemble. Wildes Leben, großartiges Spektakel, trauriger Leichtsinn. Klasse Kostüme, bezauberndes Bühnenbild. Letzmalig am 8. Januar.

Bloggers of all Countries: Unite!

Freitag, 23. Dezember 2005

Ein Registan ist ein sandiger Platz. In Mittelasien gibt es diese zentral gelegenen Plätze in vielen Städten. Registan.net ist ein Gemeinschaftsblog über das Leben und die politische Entwicklung in Mittelasien. In den meisten dieser eher autoritär regierten Länder gibt es keine unabhängige Presse.

Ähnlich wie im Iran könnten Blogs hier eine Lücke füllen. Registan wird von Kennern, aber nicht von Einheimischen gemacht. Es gibt kaum Blogs von Einheimischen. Das soll sich ändern.

Unter dem etwas reißerischen Titel „Young Women from the Caucasus“ werden Mentoren gesucht, die junge Frauen eine Woche lang beim Bloggen begleiten.

Der Ausschreibungstext ist meiner Meinung nach zwar etwas zu paternalistisch (der erfahrene Blogger, der der jungen Frau hilft), wenn man das aber als Austausch betrachtet, bei dem man selbst viel lernen und erfahren kann, kann das für beide Seiten sehr gewinnbringend sein.

[via]

Blogs im Iran: Hossein Derakhshan

Donnerstag, 22. Dezember 2005

Die FAZ (leider nicht verlinkbar) erinnert mich mal wieder an Hossein Derakhshan, den in Kanada lebenden Vater der iranischen Blogs, der wegen seines Blogs Einreiseverbot sowohl in den Iran als auch in die USA hat. Seine auf persisch geschriebene Anleitung hat zu einem wahren Blog-Boom im Iran (es gibt ungefähr 700 000 Blogs, die argwöhnisch beäugt werden) geführt.

Die Sendung mit dem Don

Donnerstag, 22. Dezember 2005

Don A. macht den Maiwald und erklärt den Ackermann. Bei aller Polemik — es ist immer erfreulich, komplexe Sachverhalte von Experten verständlich erklärt zu bekommen. Man kann ja parallel noch Wirtschaftsteil lesen.

[Ganz hinten links auf dem Bild in Dons Artikel ist übrigens Stralau.]

Bahnfahren billig

Mittwoch, 21. Dezember 2005

Wir fahren zurück in die Heimat,
denn dort wo wir geboren sind, dort wolln wa ooch begraben sein.

[M. Goldt]

Preiswerter Sterben mit dem Stralau-Blog:

Sind mindestens zwei Personen gemeinsam auf der Bahn unterwegs ist, lohnt es sich neuerdings fast immer, den Sparpreis 50 oder Sparpreis 25 zu nehmen (mit Zugbindung), auch wenn man sich noch nicht auf einen Zug für die Rückfahrt festlegen will.

Der Sparpreis für Hin- und Rückfahrt ist sogar billiger als die normale Einzelfahrt auf dem Hinweg.

Der Grund: Während die Mitfahrerrabatte (50% für bis zu 4 mitgenommene Personen) und die Gültigkeit der Bahncard für mehrere Personen beim Normalpreis zum heurigen Fahrplanwechsel weggefallen sind, gelten diese bei den Sparpreisen weiter.

Beispiel?

Eine Reise von A nach B koste 100 € pro Person. Nehmen wir jetzt an, eine der Personen hat eine Bahncard 25. Dann kostet der Normalpreis für die einfache Hinfahrt für beide zusammen 175 € (frei erhältlich, ohne Zugbindung) oder 350 € für Hin- und Rückfahrt.

Lösen die beiden jetzt aber einen Fahrschein zum Sparpreis 50 (limitiert, mit Zugbindung, mindestens drei Tage im Voraus zu buchen), so kostet er nur noch 112,50€ € für Hin- und Rückfahrt. Beim Sparpreis 25 sind es immerhin noch 150 €.

Angenommen, beide wollen sowieso nur hinfahren, dann sparen sie mit dem Sparpreis 50 62,50 €, verglichen mit der einfachen Hinfahrt. Wollen beide hin und zurück und wissen für beide Strecken schon, welche Züge sie nehmen, sparen sie ganze 237,50 €.

Wollen sie sich für die Rückfahrt noch nicht festlegen und kaufen sie für diese einen normalen Fahrschein, kommen sie auf 287,50 € und haben immer noch 62,50 € gespart.

Auch ohne Bahncard oder mit Bahncard 50 ergeben sich Preisvorteile, die aber in beiden Fällen ein klein wenig niedriger sind.

Hier ist augenscheinlich in der Tarifplanung etwas schiefgelaufen, denn das Ziel der besseren Zugauslastung wird jetzt dadurch konterkariert, daß die Reisenden mehr limitierte Fahrscheine kaufen, als sie eigentlich benötigen.

Generell sind die Sparpreise allerdings auch ein Ärgernis: Das Preissystem wird intransparent und den vorgeblichen Planungsvorteil für die Bahn gibt es eigentlich nicht, da die Bahn die Zugläufe mindestens 6 Monate im Voraus plant, d.h., auf veränderte Nachfrage sowieso nicht eingehen kann. Übrig bleibt eine unschöne Gängelung der Beförderungsfälle.

Montagswünsche und Wannen

Montag, 19. Dezember 2005

Manchmal wünsche ich mir, einen richtig aufregenden Job zu haben. Oft träume ich allerdings davon, Redakteur bei der Feuilleton-Rundschau des Perlentauchers zu sein: bezahlt Zeitunglesen und das dann zusammenfassen. Kuhl.

[Wir tasten uns langsam zum Thema].

Wegen des Perlentauchers sind meine Hinweise auf Zeitungsartikel hier etwas sinnlos — steht ja alles schon dort. Die Taz hat beim Hinweisen (im Unterschied zur FAZ) normalerweise den Vorteil, daß man auf die Artikel verlinken kann. Heute ist das anders — lustiche Sachen nur in der gedruckten Berliner Lokalausgabe (die es im gesamten Beitrittsgebiet gibt).

[Jetzt komm aber mal zum Punkt].

Nach über 30 Jahren werden bei der Berliner Polizei die Wannen (Mercedes 508D) ausgemustert. Mercedes schaut in einer ganzseitigen Anzeige in der Taz-Berlin unter der Überschrift “Seit 33 Jahren auf jeder Demo dabei. Und seine Ideale bis heute nicht verraten” auf die Geschichte der Wanne zurück.

Auf die Wanne ging alles nieder, was nur irgendwie fliegen konnte: Pflastersteine, Farbbeutel, Flaschen, Molotowcocktails, Eisenstangen und Katapultgeschosse — besonders kräftige Steinewerfer schmissen sogar mit ganzen Gehwegplatten. Doch beim Thema Fahrgastsicherheit machte die Wanne keine Kompromisse. Ausgestattet mit doppelter Blechhaut, verstärktem Dach, Boden, Tank und Motor sowie mit Sicherheitsglas, Schutzgittern und Rodgard-Notlaufbereifung bot sie allem, was da flog, die von fielen Einsätzen gezeichnete Stirn.

Man könnte bemängeln, daß das ganze etwas anbiedernd ist, daß in der aufgezählten Demonstrationsgeschichte die Mainzer Straße nicht vorkommt, daß Gewalt durch Polizisten nicht thematisiert wird und daß Mercedes Teil des Systems ist. Machick aber jetzt nicht. Es ist trotz aller Kalkulation der Werbenden schon ein netter Zug, den Abschied einer Berliner Institution nicht unerwähnt zu lassen. Und: Im Unterschied zu anderen Unternehmen, die die Grundrechte am liebsten abschaffen würden, ruft Mercedes dazu auf, sie wahrzunehmen:

Und im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen, die sich längst ins Privatleben zurückgezogen haben, erscheint die Wanne noch immer hochmotiviert auf jeder Kundgebung. Hand aufs Herz: Wann waren Sie das letzte Mal auf einer Demo? Nutzen Sie doch die nächste Gelegenheit und verabschieden Sie sich von der Wanne — einem der letzten Berliner Originale.

Nur der letzte Satz

Aber bitte friedlich.

ist irnkwie peinlich.

Nachtrag: Werden die eigentlich verschrottet? Man könnte ja ein paar irgendwo zum Bewerfen aufstellen.

Stille Invasion

Sonnabend, 17. Dezember 2005

stell dir vor ein großer saal stell dir vor auch du wärst da stell dir vor es lacht keiner stell dir vor ich war auch so einer weißt du was ich meine mit doppelkinn und deppen sind nette leute weißt du warum ich so bekleckert bin ich war zwischen oben und unten

Ich bin gefragt worden, wie es sein konnte, daß ein großer Teil unserer Bevölkerung (ich bin nicht gut im Zahlenmerken, es sind, glaube ich, zwischen 1% hauptamtlicher und 10% inoffizieller Stasimitarbeiter) den Rest bespitzelt hat. Warum enttarnte Stasi-Mitarbeiter (jüngst Hagen Boßdorf) immer wieder mit dem gleichen Muster reagieren: nur das zuzugeben, was ihnen auch nachgewiesen werden kann und dadurch das Schaulaufen unnötig in die Länge zu ziehen und immer zu betonen, daß man ja niemandem geschadet habe. Die einzige, die ich kenne (aber bestimmt habe ich was übersehen), die ernsthaft ihre Tätigkeit reflektiert hat, ist Anetta Kahane, aber sie hat auch schon zu DDR-Zeiten mit dem Geheimdienst gebrochen.

gib niemand deine hand man läßt sie nicht los schenk niemand deinen kopf du kriegst ihn nie wieder schau mich an einen arm hab ich bloß griff zur reserve krankheit wird kommen die invasion schleicht sich in mein ohr und baut die front auf gülle galle geifer fremder hasenscharte kommt kommt kommt doch front bricht zusammen

In dem Gespräch wurde unterstellt, daß es in einer totalitären Gesellschaft, in der der Staat wichtiger als das Individuum sei, als Pflicht empfunden wurde, dem Staat zu dienen. Ich halte das für eine Fehleinschätzung. Das was ich in den achtziger Jahren erlebt habe, war eher so eine Laßt-mich-in-Ruhe-Haltung. Eine heute unglaubliche Lethargie, die von kollektiver Verantwortungslosigkeit geprägt war: zwar ständig meckern, aber möglichst nichts tun. Insofern (und jetzt schweifen wir kurz ab, kommen aber gleich wieder zurück) trifft die westliche Beobachtung des seltsam passiven Verhaltens der Ossis durchaus den Kern, verkennt aber, daß es schon mal schlimmer war und daß gerade die jüngere Generation nicht mehr ganz in dieses Schema paßt. Gebt uns noch ein bißchen Zeit, wir müssen noch lernen.

Das Wort Doppelmoral habe ich in diesem Zusammenhang oft gelesen, aber eher so hingenommen, bis mir heute der tatsächliche Bezug zu meinem Erleben klar wurde. Und ich glaube, Amoralität trifft es besser. Für einen Wessi vermutlich sehr schwer zu begreifen, ging es eben nicht darum, zu handeln und für die Konsequenzen dieses Handelns voll verantwortlich zu sein. Es ging eben nicht darum, sich tatsächlich zur Politik dieses Staates zu positionieren. Sondern es gab verschiedene Welten, in denen es vor allem darauf ankam, das zu sagen, was erwartet wurde. In der Schule wurde eben nicht tatsächlicher Glaube (der auch immer mit Zweifel verbunden wäre) gefordert, sondern Konformität. Das ist von heute aus gesehen ganz schwer nachzuvollziehen: Trotz aller Mißstände leben wir heute in einer Gesellschaft, in der Meinung etwas sehr wichtiges ist, in der allen Personen eine Integrität unterstellt wird, die es in der DDR so nicht gab, in der jeder für seine Handlungen und Äußerungen auch verantwortlich gemacht wird. Diese Dimension fehlte in der DDR-Gesellschaft fast völlig.

brutales zwischenfeld liegt unbestellt den zarten gemütern ihre kleine rebellion

Diese Nichtverantwortung führt dann (außer bei moralisch sehr gefestigten Persönlichkeiten) dazu, daß auch die eigenen Handlungen nicht mehr reflektiert wurden, sondern daß der Hauptantrieb eine (aus heutiger Sicht) seltsam unreife Anpassung war. Diese Nicht-Moral scheint dann auch von außen so unbegreifliche Persönlichkeiten wie Sascha Anderson oder Knud Wollenberger1, der jahrelang seine eigene Frau verraten hat, möglich gemacht zu haben.

Mal abgesehen von Fällen, in denen Leute zur Stasi-Mitarbeit erpreßt wurden, reicht die Nicht-Moral schon aus, um zum Verräter zu werden? Moral ist zumindest der Hauptantrieb, es nicht zu werden. Ansonsten winken Anerkennung und die Tatsache, ein Geheimnis zu teilen, ein Moment, das uns schon als Kindern sehr wichtig ist.

es strömt in mich ein es bricht aus mir aus es strömt in mich ein es bricht aus mir aus peinlich oft sprichst du von illusion

Die Nicht-Moral, das Nicht-Reflektieren der eigenen Handlungen kann auch die Reaktionen der enttarnten Spitzel nach der Wende erklären: Niemand hat damit gerechnet, daß er sich verantworten muß. Es gab dafür absolut keine Strategien. Und nicht selten hat ja diese Konfrontation zu Zusammenbrüchen bis hin zum Suizid geführt. (Ja, es wurde auch unterstellt, daß diese Fälle mit der medialen „Hetzjagd“ nach der Wende zu tun hatten. Ich glaube aber, daß die Angst vor ernsthaften Nachfragen von Freunden oder eigenen Kindern und das absolute Fehlen von glaubhaften Antworten schon ausreichen, um eine Persönlichkeit ins Wanken zu bringen).

Im Fall Boßdorf stellt sich nun der WDR-Intendant Fritz Pleitgen hin und sagt „Alle diejenigen, die hier im Westen im Warmen gesessen haben, sollten sehr vorsichtig sein mit tapferen Verurteilungen.“

Wenn dieser Satz so gemeint gewesen sein sollte, daß die DDR-Gesellschaft aus westlicher Sicht schwer verständlich ist, kann ich ihn unterschreiben. In dreierlei Hinsicht ist das, was Pleitgen da sagt, allerdings sehr bedenklich:

  • Der NDR hat ja schon implizit zu der Sache Stellung genommen, als er ihn trotz seiner Stasi-Kontakte eingestellt hat. MDR und RBB hatten Boßdorf zuvor abgelehnt.
  • Es gibt, und das war 1990 vom Westen politisch so gewollt, keine originäre ostdeutsche Stimme in der Presse mehr. Das bedeutet, daß diese Debatte entweder in den westdeutsch geprägten gesamtdeutschen Medien geführt wird, oder aber sie wird gar nicht geführt.
  • Pleitgens Satz impliziert, daß es ein Akt des Widerstandes war, nicht bei der Stasi mitzuarbeiten. Das stimmt in den meisten Fällen nicht. Ja, es gab auch Erpressungen. Und wenn der Fall Boßdorf ein solcher ist, dann muß man darüber sprechen. Im allgemeinen hatte es jedoch, soweit ich weiß2, keine negativen Konsequenzen, eine inoffizielle Stasi-Mitarbeit abzulehnen.

schleichend werden wir privater schleichend in jedem ohr schleichend bleibt was hängen schleichend verloren es zieht mich von oben ich halt mich unten fest zwanzig panzer zwanzig pferde auf jeder seite ich suche ein beil ich finde ein beil und ich hacke mir den oberen arm ab gerettet

[Sandow: Stille Invasion]

1Wieso hieß dessen Deckname ausgerechnet IM Donald? War da jemand TeX-Fan?
2Zumindest kenne ich persönlich Menschen, die das getan haben, ohne daß ihnen dadurch etwas geschehen wäre.

Genervt

Sonnabend, 17. Dezember 2005

K&M-Elektronik: ein Unternehmen, das es augenscheinlich nicht so richtig auf die Reihe kriegt, seine Kunden pünktlich zu beliefern.

UPS: Wo die Hotline die Kunden beschimpft, anstatt ihre Anliegen ernst zu nehmen.

Das nächste Mal kaufe ich wieder bei Apple.

Schäubles Testballone

Sonnabend, 17. Dezember 2005

Im Angesicht des Terrorismus werden wir selbst zu Terroristen.

Spon:

Mit seinen Äußerungen zu Folter und Rechtsstaatlichkeit hat sich Innenminister Schäuble heftige Kritik eingehandelt. Der Christdemokrat bekommt zu spüren, dass eine sachliche Debatte über das Thema zurzeit kaum möglich ist.

Nuja. Man kann ja heute schon froh sein, wenn sich überhaupt Protest regt bei solchen Phantasien. Und man kann Schäuble schon unterstellen, daß er in einem Zeitungsinterview nicht mal eben so ins Blaue denkt, sondern wohl eher die Stimmung im Land testen will. Wenn von seinen Testballonen1 Mautdaten auch für Ermittlungen zu nutzen, Bundeswehr im Inneren einzusetzen, Folter zu akzeptieren, auch nur einer aufsteigt (und im ersten Fall scheint es zumindest keinen nennenswerten Widerstand zu geben), ist das schon ein Erfolg für ihn.

Interessant auch, wie sich Brigitte Zypries plötzlich gegen Schäuble als Vertreterin des Rechtsstaates profiliert, den sie in Brüssel wiederum erfolgreich beschädigt.

Richtiges von Mercedes Bunz:

[…]
Wenn man durch Foltern nicht an die Wahrheit kommen kann, dann geht es in der Folterdebatte nicht ums Foltern. Eigentlich geht es vielmehr um die Hilflosigkeit unserer Gesellschaft.

[…]

Daß man lieber den Gegner quält, als gar nichts zu tun, das ist natürlich unmoralisch, wenn auch psychologisch nachvollziehbar. Daß man dabei aber glaubt, man käme der Wahrheit auf die Spur, das sollte man sich dann doch nicht vormachen.
[…]

1Kleine Marotte von mir, hin und wieder veraltete Formen zu verwenden. Ich bitte um Nachsicht.

Deutsche-Bandnamen-Dialog

Donnerstag, 15. Dezember 2005

„Sind das die Sterne?“

„Nein, die Türen.“

Fußweg vom Ostkreuz gesperrt

Donnerstag, 15. Dezember 2005

Genervt: Der Fußweg vom Bahnhof Ostkreuz zum See ist plötzlich mittendrin abgesperrt und zwar so, daß man zumindest mit dem Fahrrad auch nicht seitlich an den Sandhaufen vorbeikommt. „Das Betreten des Betriebsgeländes ist verboten“. Betriebsgelände? Auf dem Weg?

Jedenfalls söllte das jemand schon mal am Bahnhof ausschildern, damit man sich schon von dort auf den nicht ganz kurzen Umweg über die Kynaststraße (der zudem mit Treppensteigen verbunden ist) oder den noch viel längeren über den Markgrafendamm macht.

Gemeinsames Schreiben — Wer liest mit?

Mittwoch, 14. Dezember 2005

Writely, ein Tool zum gemeinsamen Schreiben klingt ja ganz nett — bis auf die Datenschutzbestimmungen mal wieder. Ich habe unter anderem keine Kontrolle darüber, wie lange meine Texte gespeichert sind, selbst wenn ich den Account lösche. Und dann der übliche lasche Amiquatsch in der Privacy Policy.

SubEthaEdit ist in dieser Hinsicht wesentlich sympathischer und kann auch mehr: reguläre Ausdrücke, Syntax-Highlighting für alle möglichen und unmöglichen Sprachen und vor allem funktioniert es — im Unterschied zu Writely, das bei mir schonmal kein neues Dokument anlegt. Letzteres kann auch mit meinen Browsereinstellungen zu tun haben und Writely ist ja auch noch Beta, aber die Datenschutzbestimmungen werden sich vermutlich nicht so schnell ändern.

Und ja, zu deutschen Firmen habe ich in dieser Hinsicht erheblich mehr Vertrauen, schon auf Grund der Gesetzeslage.

[Via Dezentrale]

Polizeiruf 110: Vorwärts wie rückwärts (NDR)

Mittwoch, 14. Dezember 2005

„Warum hat er sich vor seinem Tod eine Folie über den Kopf gezogen?“
„Damit es aussieht wie in Sieben“.

Diesen Dialog gab es am Sonntag nicht im, aber unter den hiesigen Zuschauern des Polizeirufs. Der Film suggeriert Tiefgang an Stellen, an denen er bewußt nicht vorhanden ist, kalauert sich auf erfrischend hohem Niveau durch die Filmgeschichte und ist bei Lichte gesehen eine einzige Verarsche. Das aber mit viel Witz und großer Lust.

Der im Büro der Kommissare Hinrichs (Uwe Steimle) und Törner (zum letzten Mal dabei: Henry Hübchen) übernachtende Klischeeindianer Garcia (Tim Sikyea), der tagsüber auf dem Fußboden Mandalas aus Kaffeepulver auslegt und „indianische Doofheiten“ (Max Goldt) von sich gibt, ist nur deswegen im Film, um an völlig unpassenden Stellen ein „Der mit dem Wolf tanzt“-Gefühl aufkommen zu lassen und eben um der Klischeeindianer zu sein. Die Imbißbude an der Mecklenburgischen Landstraße trägt natürlich ein Route-66-Schild und auch sonst sieht alles mächtig amerikanisch aus.

Die Ermittlungen werden ausgelöst durch Morde an Synchronspringern. Und so ist das beherrschende Thema denn auch Gleichzeitigkeit und Symmetrie: vom oben erwähnten Mandala über Hinrichs’ scheiternde Ehe, die Gesprächssituation bei seiner Therapeutin, das Zahnpastalächeln der jungen Superstar-Springerinnen bis hin zum Verhältnis der Kommissare untereinander. Dazu Palindrome, die der Mörder Hinrichs aufs Telefon schickt.

Währenddessen behauptet der Film sowohl visuell als auch akustisch ständig einen tieferen Zusammenhang zwischen den bedrohlichen Details (Hitze! Insekten! Perverse Maschinisten!), um ihn im nächsten Moment in der Story wieder aufzuheben. Und so ist die Auflösung letzten Endes eher zufällig, aber auch vollkommen unwichtig.

Beate Langmaack (Buch) und Hannu Salonen (Regie) haben einen großartigen Film hingelegt. Steimle und Hübchen schaffen es, die Gegensätze zwischen den beiden Persönlichkeiten gut auszuspielen („Bitte nehmen Sie zur Kenntnis: Ich möchte mich vor Ihnen nicht öffnen!“), einzig die Ausstattung mit DDR-Utensilien ist ein wenig übertrieben.

Ach ja, die Palindrome, die an Hinrichs verschickt wurden:

„Die Liebe ist Sieger stets, rege ist sie bei Leid.“

„Nie solo sein!“

„Eine güldne gute Tugend: Lüge nie!“

„Namen nenne man!“

[Erstsendung: 11. Dezember 2005]

Die Schrift im Netz

Dienstag, 13. Dezember 2005

Das hier ist wirklich eine Perle: 34 Bibelübersetzungen mit Suche, Vergleichsmöglichkeiten, Querverweisen, Index, Gliederung, Kommentaren und ausgewählten Stellen vorgelesen.

Allerdings ist ausgerechnet die Luther-Übersetzung in reformierter Orthographie.

[via Museum of Modern Betas.]

Wer wars?

Dienstag, 13. Dezember 2005

Wie erwartet geht es weiter mit der Aufweichung des Rechtsstaates. Die Content-Mafia ist natürlich heftig daran interessiert, bestimmen zu können, wer wann auf welche Daten zugreift.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich halte das Zurverfügungstellen von urheberrechtlich geschütztem Material an eine anonyme Öffentlichkeit nicht für richtig. Auch gibt es weiterhin eine Bagatellklausel, die kleine Verstöße straffrei stellt. Aber daß die Rechteinhaber jetzt Privatpolizei spielen dürfen, geht deutlich zu weit.

Ausführlich: Infrastrukturbetreiber (Post, Internet-Provider) sollen Auskünfte an Rechteinhaber geben müssen.

Jaja,

Dienstag, 13. Dezember 2005

ich weiß, hier herrscht grad ziemliche Ruhe. Bald wieder mehr, momentan ermüdendes Leben mit furchtbar unwichtigen nervenden Dingen. In der Zwischenzeit kann man hier, hier und hier weiterlesen.

Update: Und hier.

Warte nur, balde ruhest du auch

Donnerstag, 8. Dezember 2005

Aber noch nicht jetzt. Die Müdigkeit wird zur Droge. Wenn man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann und der eigenen Maschine nur noch fassungslos beim Funktionieren zuschauen kann. Wenn sich ohne chemische Beeinflussung die unpassendsten aufregendsten Gedanken ins Hirn schieben. Wenn man Kraft aus der eigenen Kraftlosigkeit zieht.

Weiter, immer weiter.

An das Loch nach dem Erwachen wird jetzt noch nicht gedacht.

könnte sein ein igel im schutze meiner stacheln nur kleine qual verteilend halb blind halb tot so roll ich satt von frieden in mein grab welches wartet auf der strasse süß ist der RAUSCH süß ist der RAUSCH die nacht ist ewig die nacht ist ein dieb und hunger hunger meine energie

[Sandow mal wieder]

Kommentare

Dienstag, 6. Dezember 2005

Momentan bin ich hier leider einer kleinen Kommentarspamflut ausgesetzt. Um Ruhe zu haben, habe ich erstmal Hashcash wieder eingeschaltet, das sollte zumindest vor Bots schützen.

Das führt allerdings dazu, daß man nur noch mit eingeschaltetem Javascript kommentieren kann. Falls jemand partout Javascript nicht einschalten kann oder will oder es anderweitige Probleme gibt, bitte Nachricht an nebenstehende Adresse.

Beim Testen sehe ich gerade, daß da neben dem Namen „erfordelich (sic!)“ stand. Warum schreibt mir das denn niemand? Hinterhältige Halunken! Ihr habt bestimmt die ganze Zeit gefeixt! Dabei sehe ich das Feld normalerweise nicht.

Update: Eben war die Kommentartabelle in der Datenbank kaputt. Keine Ahnnung, ob das jetzt am Hashcash-Plugin lag oder nicht.

(Ich hoffe nicht, daß ich jetzt noch auf das Abtippen von Bildern zurückgreifen muß. Außerdem muß ich noch rauskriegen, ob man irnkein API zum Kommentarabsetzen verwenden kann (so machen das doch die Spammer, oder?), ob das jetzt durch Hashcash verhindert wird und wenn, ob das hier überhaupt jemand benutzt hat).

Update 2: Und hier jetzt mal ein großes Dankeschön an Christian Seitz vom IN Berlin e.V., der diese Seiten hostet. Ich hatte vorhin angefragt, woran das mit der kaputten Datenbank liegen könnte und er hat innerhalb einer Viertelstunde geantwortet, daß es tatsächlich Serverprobleme gab (und somit wahrscheinlich nicht an Hashcash liegt).

So schnell wird bei IN Berlin meistens reagiert. Fühle mich sehr gut aufgehoben.

Diese Seite wird überwacht!

Montag, 5. Dezember 2005

Aber warum? Nur für den Kick, für den Augenblick?

Folgendes hört sich sehr altmodisch an, aber ich verstehe es wirklich nicht. Warum die Sache mit der Vorratsdatenspeicherung nicht größere Wellen schlägt. Seite 1, bitte! Was wurde sich damals über die dann doch recht harmlose Volkszählung erregt. Und nun? Selbst der große Lauschangriff ist dagegen ziemlich harmlos, da er sich nur gegen Verdächtige richtet.

Jetzt hingegen werden die Daten von 450 Millionen Bürgern auf Vorrat gesammelt, damit man, falls jemand mal kriminell werden söllte, ihn auch noch im Nachhinein belangen kann. Unglaublich.

Die europäischen Justizminister haben die Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten bei Teleon und Internet beschlossen.

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert sagt dazu:

Es ist erschreckend, welche grundrechtliche Verrohung bei den europäischen Justizministern festzustellen ist: Es wird als Sieg der Bürgerrechte verkauft, daß bei der auf Vorrat vorgenommenen Telekommunikationsüberwachung keine Inhalte und keine Bewegungsprofile erstellt werden sollen. Unseren Verfassungsministern ist wohl nicht klar, daß unsere freiheitlichen Verfassungen verbieten, die Menschen anlaßlos staatlich bei ihren alltäglichen Verrichtungen zu überwachen und zu kontrollieren. Der Beschluß verstößt genau gegen dieses Verbot: Wenn über Monate hinweg minutiös nachvollzogen werden kann, wer wo im Internet gesurft hat, wer wann mit wem per Telefon, Handy oder Email kommuniziert hat, wer wann welche Online-Dienste in Anspruch genommen hat, dann wird die Schwelle von der freiheitlichen Informationsgesellschaft zum digitalen Überwachungsstaat überschritten.

Was hier als Kompromiß verkauft wird, ist das Nachgeben gegenüber maßlosen Überwachungsforderungen von Sicherheitsbehörden. Vorschläge von Datenschützern, die übermäßig teure grundrechtszerstörende Vorratsdatenspeicherung zu vermeiden und dennoch den Strafverfolgungsbedürfnissen zu entsprechen, wurden nicht ernsthaft erörtert. Mit einem kurzfristigen Einfrieren von TK-Verbindungsdaten, einem „Quick freeze“, wäre eine gezielte Gewährleistung von Sicherheit in unseren Telekommunikationsnetzen möglich, ohne daß die gesamte Bevölkerung wie eine potenzielle Verbrecherbande behandelt wird. Die Justizminister sind dabei, die „Büchse der Pandorra [sic! Einfach zu niedlich.]“ zu öffnen. Diese würde die Menschen, die überwachungsfrei leben wollen, dazu zwingen Telefon Internet nicht mehr zu nutzen. Wir erwarten, daß das Europaparlament, der Bundestag und die Verfassungsgerichte in Europa dafür sorgen, daß diese Büchse verschlossen bleibt.

[via netzpolitik.org]

Tatorttagung in Bremen

Montag, 5. Dezember 2005

Ujeh, das paßt ja wie die Faust auf den Nachttopf, diesen Freitag um 18.30 Uhr findet in Bremen im Rahmen einer Tagung zum Thema „Crime and Nations“ eine Podiumsdiskussion mit dem wunderbaren Titel „Zum Sterben schöne Tatorte. Globalisierung und Verbrechen“ statt.

Über die Grenzen der Interkulturalität im Kriminalroman diskutieren dann Krimiautor Jan Seghers (alias Matthias Altenburg), Tatort-Kommissarin Sabine Postel (alias Inga Lürsen), der Jury-Sprecher des Deutschen Krimipreises Tobias Gohlis, Kristian Lutze (Übersetzer von Robert Wilson und weiteren Krimiautoren) und Dr. Cornelia Ackers vom Bayerischen Rundfunk (Polizeiruf 110).

Leider kann ich da nicht, aber liebe Bremer, bitte geht doch hin und erzählt mir, wie’s war.

[Danke, Cato per E-Mail]

Polizeiruf 110: Die Tote aus der Saale (MDR)

Montag, 5. Dezember 2005

Klassische Indizienermittlung, unspektatkulär, handwerklich ok, einige Fehler.

Eine tote Schwangere wird in der Saale gefunden. (Oder eine schwangere Tote? Sie war schwanger! Gestehen Sie!) Der Pullover ist ihr zu groß, genauso wie die Wohnung, die sie sich eigentlich nicht leisten konnte. (Erster Fehler: Der Hallenser Polizeiruf spielt immer im gehobenen Milieu. Unglaubwürdig).

Schnell wird die Mutter gefunden, die Ermittlungen konzentrieren sich auf ihren Ex-Freund und das Firmenumfeld. Obwohl der Freund sich verstrickt, wird klar, daß die Tat viel mehr mit dem beruflichen Umfeld zu tun hat. Sie hatte ein Verhältnis mit dem Firmenchef und dieser eine gebrochene Ehe. Des weiteren hat sie die Firma betrogen.

Nuja, am Ende wars dann der Computerfuzzi, der vorher schon immer zufällig in allen Gesprächen auftauchte und auch sonst recht sinister kuckte. Um glaubwürdig zu wirken, wurde er, obzwar zunächst für die Geschichte unwichtig, immer wieder gezeigt und auch die Musik wurde dräuend.

A propos Musik: Kommissar Schmücke hat Edits Piano in die neue Wohnung gerettet und lernt spielen. Nuja.

[Erstsendung: 4. Dezember 2005]

Schüttelreime (ii)

Montag, 5. Dezember 2005

Ich bin sehr stolz darauf, so anregende, kluge und gewitzte Leser zu haben, die, wenn der Text selbst mal wieder nicht so dolle war, ihn dann in den Kommentaren retten. Ekzem dichtet:

Auf diesem Klo hört man den Kanther heulen,
er wollt’ sich einen mit der Hand erkeulen.

Sonntag

Sonntag, 4. Dezember 2005

Schon immer: auch 1930 fuhr der Berliner hin über die Wannsee-, zurück über die Stadtbahn nach Potsdam, wobei die wunderbare Quietschkurve von Warschauer Straße nach Treptower Park erst seit 30 Jahren ohne Halt am Ostkreuz und bald wohl gar nicht mehr sein wird. In Zehlendorf der verlassene Bahnsteig der Stammbahn, die man damals wohl eher für den Weg nach Potsdam benutzt hat.

Potsdam dahingeworfen, die städtebauliche Katastrophe, alles so komisch verteilt, daß man gar nicht weiß, was und wer. In meinem Kopf übrigens zwei Potsdämer: eines aus der Kindheit, wegen besonderer politischer Einheit Westberlin nur umständlich über den Berliner Außenring erreichbar, eines aus den neunziger Jahren, von wo aus man zu Fuß am Wasser nach Berlin gehen kann.

Der Bahnhof: eine Schande für die Eisenbahn, Shopping-Mall mit Gleisen drunter. Attraktion: Am 3. Dezember einkaufen bis Mitternacht!

In der Maison du Chocolat (unbedingte Empfehlung!) in traurige Augen schauen und etwas für den Körper tun: Traumtorten und die heiße Schokolade, in der der Löffel stehenbleibt. Ein Genuß, den man sich in diesem kargen Preußen kaum vorstellen kann.

Auf der Brandenburger Straße das gleiche langweilige Weihnachtsmarktgebimmel wie überall. Im Hinterhof dann Kunst: „Verpaßte Gelegenheit“ im Brandenburgischen Kunstverein, schlaue Ausstellung zu Cargolifter und anderen Investitionsruinen. Eitle, unglaublich schlechtes Englisch sprechende Manager, Dias von der Hallenser Silberhöhe und Themroc an der Bushaltestelle. (Die Ausstellung hat auch noch ein oberes Stockwerk, bescheidsagen, dann macht der Meister auf).

Zurück dann früh dunkel an einem Tag, an dem es gar nicht richtig hell wurde. Hinter Friedrichstraße die atemberaubendste Strecke der Stadt über Wasser, zwischen den erhabenen Museen (Bodemuseum gestern wiedereröffnet!) durch, den Leuten im Pergamonmuseum durchs Fenster beim Schauen zuschauen und dann wieder über Wasser.

Tatort: Im Alleingang (NDR)

Sonnabend, 3. Dezember 2005

Zunächst gar nicht mal so übel. Die komische Vater-Sohn-Klamotte ist endlich rausgeschrieben und Kommissar Casstorff (Robert Atzorn) kann sich auf die Ermittlungen konzentrieren. Diese richten sich zunächst auf die üblichen Verdächtigen, es stellt sich jedoch heraus, daß die verschiedenen Mordopfer verbunden sind durch einen gemeinsamen Einsatz im Kosovo.

Wir erfahren einiges über traumatisierte Soldaten und ihre schlechte Nachbetreuung. Es stellt sich heraus, daß der Täter Zeuge einer Vergewaltigung wurde und nach seiner Rückkehr die Erlebnisse, alleingelassen nicht verarbeiten kann.

Insgesamt aber immer doch ein wenig zu betulich und bieder. Die amerikanische sehr erfrischende Sicht auf diesen im besonderen und den Tatort im allgemeinen bei German Joys.

[Erstsendung 27. November 2005]

Hihi

Sonnabend, 3. Dezember 2005

Die sogenannte Punkband „Die Toten Hosen“

Hannes Hintermeier hinterfotzig und auch sonst ganz wunderbar genervt (womit jetzt leider die Tokio-Hotel-TH-Höhrer wahrscheinlich entnervt auflegen).

Aber bitte: Ein abgedrucktes Outlook-Fenster „WG: Regierungserklärung“, in dem ausgerechnet Elke Heidenreich jetzt wöchentlich schreiben wird über „Dinge, die sie aufregen oder anregen, und an Menschen, mit denen einfach mal Klartext geredet werden muß.“

Aua, wir sind doch hier nicht bei der Sonntagszeitung.

Ach Berlin,

Donnerstag, 1. Dezember 2005

nicht nur Deine Versorgungsunternehmen, auch die größte städtische Wohnungsbaugesellschaft ist voriges Jahr an amerikanische Investoren verkauft worden. Mit der Folge von Segregation durch steigende Mieten. Und so komischen Sale-and-Lease-back-Geschichten, bei denen ich mich jedesmal frage, wo da der Sinn ist.

Die Antwort: es ist eine versteckte Kreditaufnahme zu teuren Konditionen am offiziellen Haushalt vorbei unter Inkaufnahme des Verlustes wichtigen Eigentums.

Anscheinend passiert das gleiche auch in anderen Städten. Verschlankung des Staates, Bürokratieabbau, jaja macht mal.

Oder wie Sigi aus den GSW-Häusern in der Greifswalder Straße sagt:

“Man muß diesen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auch keinen Heiligenschein aufsetzen”, meint Sigi. Er kann sich auch noch an die “Baufilzgeschichten” aus den siebziger und achtziger Jahren erinnern. Da ging es genauso immer um die öffentliche Wohnungswirtschaft. Sigi sagt: “Aber besser isses, bei denen zu sein, als an die Amis verkauft zu werden.”

[Quelle: Tina Veihelmann, taz]