- Narva-Kantinen-Arbeiterinnen. © berlin-upper-east-side.de
Da ist eine sehr gute Ausstellung in der Zwingli-Kirche: unglaublich umfangreich wird die Geschichte des Viertels um den Rudolfplatz dargelegt. Dabei geht es um die Geschichte der Kirchgemeinde, die Arbeiterbewegung, die Architektur, die Kaiser-, Weimarer, NS- und DDR-Zeit, das Glühlampenwerk als Osram, später Narva und noch später abgewickelt, die Zwingli-Kirche, die gegen den Kaiser-Willen gebaut wurde und später nur noch Bücherlager der Staatsbibliothek war, das Viertel zwischen Oberbaumbrücke und Warschauer Straße, zwischen Schlesischer Bahn, Ringbahn, Hochbahn und Osthafen, das offene Berlin, die Mauer und die Nachwendezeit.
Dazu gibt es unzählige Zeitzeugeninterviews, die wirklich sehr spannend und teilweise ordentlich witzig sind, ein paar Gegenstände und absurde Dinge, wie die Aufnahme einer Stasi-Sendung für den Narva-Betriebsfunk aus dem Sommer 1989 über rückkehrende Ausreiser. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm mit Filmen, Lesungen, Diskussionen und Führungen.
Ob des Umfanges sollte man ruhig mehrere Besuche einplanen. Außerdem erhält man die Gelegenheit, die sehr schöne Zwingli-Kirche von innen zu sehen. Zu kaufen gibt es den Band „East Side Story“, den Martin Wiebel, der Kurator der Ausstellung, 2004 veröffentlicht hat und eine CD mit einem Teil des Filmmaterials.
Die Ausstellung ist eine wunderbare Sammelarbeit, die, vor allem ausgehend von den Kiezgeschichten, die die Anwohner erzählen, die Geschichte des 20. Jahrhunderts aufleben läßt.
Martin Wiebel, Filmproduzent und Professor an der Filmakademie Ludwigsburg ist im Viertel geboren als Urenkel des Gründers des Viertels, Maximilian Koch und lebt seit 1998 wieder hier. Außerdem ist er Sprecher der IG der Hauseigentümer und Hausverwaltungen im Quartier Rudolfplatz.
Etwas nachdenklich stimmt allerdings der Name: „Berlin Upper East Side — Von Menschen und Steinen“. Martin Wiebel bemängelt in o.e. Band zu recht den Benennungsversuch in den Neunziger Jahren: „Stralauer Kiez“. Ohne Verständnis für Zusammengehörigkeit ist damals versucht worden, den vermeintlich wohlklingenden Namen des Nachbarortes zu übertragen. Im gleichen Artikel (und im Ausstellungstitel) versucht Wiebel allerdings eine ähnliche Setzung, indem er Parallelen zu New York zieht und allen Ernstes „Upper East Side“ für das Rudolfplatzviertel zu etablieren versucht.
- Ausstellung: Noch bis 6. April Mi–So 15–18 Uhr in der Zwinglikirche, Rudolfplatz 14. Eintritt frei.
- Rahmenprogramm